Landkreis Harburg. Gastwirte und Freilichtmuseum beklagen Testpflicht für Besucher. Lockerungen gibt es im Einzelhandel und bei Kontaktbeschränkungen
Sie hatten sich auf das Pfingstgeschäft gefreut. Darauf, endlich wieder Gäste bewirten zu dürfen. Doch die Corona-Regeln der Landesregierung haben den niedersächsischen Gastronomen auch zu Pfingsten einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht.
Zwar durften die Betriebe nach sieben Monaten coronabedingter Zwangsschließung ihre Außenplätze öffnen. Doch Platz nehmen dürfen im Landkreis Harburg nur jene Gäste, die einen negativen Corona-Test vorweisen können oder geimpft sind, während im Nachbarbundesland Hamburg die Außengastronomie auch ohne ein negatives Testergebnis genossen werden kann.
"Ungerecht": Harburger Dehoga-Chef verärgert über unterschiedliche Regeln
„Ungerecht“, findet das Thomas Cordes. Der Geschäftsführer vom Cordes Hotel und Restaurant hatte am Pfingstwochenende Terrasse und Innenhof in Betrieb, doch das Geschäft lief verhalten. „Mehr als 50 Gäste sind wieder gegangen, ohne etwas zu konsumieren, weil sie keinen Test vorlegen konnten und nicht bereit waren, vor Ort einen zu machen“, berichtet der Unternehmer aus Rosengarten, der für einen Test acht Euro berechnet. „Vielen Gästen ist das zu teuer“, so Cordes. „Sie kommen mit dem Rad, wollen eben nur schnell einen Kaffee trinken und haben keine Lust, noch Geld für einen Test draufzulegen.“
Auch Carla Hoffmann, Geschäftsführerin vom Café Schafstall im Büsenbachtal, ist vom Pfingstwochenende enttäuscht. „Viele Gäste, die spontan gekommen sind und nichts vom Test wussten, sind wieder gegangen“, sagt sie. „Vor allem die Hamburger Gäste waren irritiert, dass bei uns strengere Regeln gelten als bei ihnen“, sagt sie.
Corona: Diese Testverfahren gibt es
- PCR-Test: Weist das Virus direkt nach, muss im Labor bearbeitet werden – hat die höchste Genauigkeit aller Testmethoden, ist aber auch die aufwendigste
- PCR-Schnelltest: Vereinfachtes Verfahren, das ohne Labor auskommt – gilt als weniger zuverlässig als das Laborverfahren
- Antigen-Test: weniger genau als PCR-(Schnell)Tests, dafür zumeist schneller und günstiger. Laut RKI muss ein positives Testergebnis durch einen PCR-Test überprüft werden, ein negatives Ergebnis schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn die Viruskonzentration noch gering ist.
- Antigen-Selbsttest: Die einfachste Test-Variante zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus. Wird nicht von geschultem Personal, sondern vom Getesteten selbst angewandt. Gilt als vergleichsweise ungenau.
- Antikörper-Test: Weist keine akute, sondern eine überstandene Infektion nach – kann erst mehrere Wochen nach einer Erkrankung sinnvoll angewandt werden
- Insgesamt stellt ein negatives Testergebnis immer eine Momentaufnahme dar und trifft keine Aussagen über die Zukunft
Besonders ärgert sich die Gastronomin über die unklaren Regelungen: „Jedes Bundesland entscheidet für sich, was gilt. Das kann doch nicht sein.“ Unter den Gästen herrsche große Verunsicherung, die sicherlich nicht dazu beitrage, dass die Gastronomie wieder auf die Beine komme. Hinzukomme für die Gastwirte ein enormer bürokratischer Aufwand. „Wir müssen Gäste aufklären, gegebenenfalls testen, ihre Daten registrieren – das kostet Zeit und Geld“, so Hoffmann, die für das Prozedere am Wochenende eigens eine Mitarbeiterin geordert hatte. „Das bedeutet für uns weitere Ausgaben. So lohnt sich das Geschäft nicht.“
Genau das haben viele Gastwirte befürchtet und vorsorglich gar nicht erst zu Pfingsten aufgemacht. Sie warten lieber auf weitere Lockerungen. So wie Nele Landschof vom Gasthaus Sellhorn in Hanstedt. „Wir haben uns bewusst entschieden, den Betrieb bis Anfang Juni geschlossen zu lassen“, so die Geschäftsführerin. „Die Unwissenheit der Kunden ist groß und bei uns im Dorf reichen die Testkapazitäten nicht aus, um auch noch Touristen zu testen.“ Diese Aufgabe falle dann der Gastronomie zu. „Anstatt den Gast zu betreuen, beschäftigen wir uns mehr mit Regularien und Bürokram“, so Landschof. „Das ist frustrierend.“
Enttäuschung über hohe Auflagen beim Freilichtmuseum Kiekeberg
Groß ist die Enttäuschung auch bei Geschäftsführerin Carina Meyer vom Freilichtmuseum am Kiekeberg. Pandemiebedingt waren die drei Außenstellen des Freilichtmuseums am Kiekeberg zu Pfingsten verzögert in die Saison gestartet. „Das Interesse war groß, der Besuch vor Ort jedoch verhalten“, so das Fazit der Geschäftsführerin. „Wir erleben im Kontakt mit unseren Besuchern, dass die hohen Auflagen abschrecken“, sagt Carina Meyer. „Viele verzichten wegen der derzeitigen Regelungen auf einen Besuch.“ Dabei böten gerade Freilichtmuseen Open-Air-Erlebnisse unter idealen Bedingungen. „Sie werden aber gegenüber Freizeit- und Tierparks derzeit noch benachteiligt.“ So gelten in Museen, auch für die mit großen Freiflächen, derzeit noch strenge Regeln. Unter anderem müssen Besucher ein aktuelles negatives Corona-Testergebnis oder eine Befreiung vorweisen und ihre Kontaktdaten hinterlassen.
„Die Hürde für einen Museumsbesuch hat die Politik leider besonders hoch gelegt“, sagt Museumsdirektor Stefan Zimmermann. „Das ist für uns nur schwer verständlich. Vor allem die zwingende Vorlage eines negativen Corona-Tests bedeutet für uns derzeit einen gravierenden Wettbewerbsnachteil, beispielsweise gegenüber den Museen im nahen Hamburg oder anderen Freizeiteinrichtungen der Region wie Wildparks, wo dies nicht notwendig ist.“ Dies spiegle sich leider auch sehr deutlich in den Besucherzahlen wider, die seit Einführung dieser Regelung um zirka 60 Prozent zurückgegangen seien.
Lesen Sie dazu auch:
- Während Corona vergessen: Handel und Gastronomie in Hamburg
- Alsterhaus öffnet wieder – Eintritt nur mit App
Landkreis-Sprecherin Katja Bendig kann den Unmut verstehen. Ändern kann sie daran nichts. „Die Verordnungen sind Ländersache, da haben wir als Landkreis keinen Einfluss drauf.“ Allerdings: Kurzfristige Anpassungen der niedersächsischen Corona-Verordnung gibt es dennoch. Nachdem die Inzidenz im Landkreis Harburg mehr als fünf Tage unter 50 gelegen hatte, erließ dieser am Wochenende eine Allgemeinverfügung, die das Einkaufen im Einzelhandel ohne vorherigen negativen Schnelltest erlaubt.
Landkreis Harburg lockert am Dienstag die strengen Corona-Regeln
Gestern lockerte der Landkreis dann weiter die strengen Corona-Regeln. Aufgrund der positiven Entwicklung der Inzidenzwerte – sie liegen sechs Werktagen stabil unter 35 – dürfen sich ab heute wieder maximal zehn Personen aus drei Haushalten treffen. Kinder unter 14 Jahren sowie vollständig geimpfte oder genesene Personen werden hierbei nicht mit einberechnet. Nicht zusammenlebende Paare gelten als ein Haushalt. Personen, die nicht im Landkreis Harburg leben, dürfen an diesen Treffen nur dann teilnehmen, wenn in ihrer Kommune die gleichen Regelungen gelten.
Gleichzeitig entfallen auch die quadratmeterbezogenen Einschränkungen für den Einzelhandel. Einzelhandelsgeschäfte, dazu gehören auch Outlet-Center und Verkaufsstellen in Einkaufscentern, müssen die maximale Kundenanzahl, die sich gleichzeitig im Geschäft aufhalten darf, nicht mehr auf Basis der Größe ihrer Verkaufsfläche begrenzen. Die allgemeine Maskenpflicht sowie die Abstands- und Hygieneregeln gelten allerdings weiterhin.