Kreis Harburg. Keine Feste, keine Treffen, kein Training: Trotzdem bleiben Mitglieder den Vereinen treu. Schützen im Landkreis hoffen auf Herbst.
Schützenkönig, ein vergängliches Amt. Majestät sind die ausgezeichneten Schützen in der Regel nur für ein Jahr. Doch nun sind die Könige im Kreis Harburg bereits seit Sommer 2019 im Amt und werden es nicht vor dem Sommer 2022 abgeben. „Sie tragen es mit Würde. Ich habe noch nicht gehört, dass jemand abgedankt hat“, sagt Volker Höper, der Präsident des Schützenverbandes Nordheide & Elbmarsch, der den Landkreis Harburg abdeckt. Verursacher der Lage ist die Corona-Pandemie, die die 66 Vereine im Verband hart getroffen hat.
Nicht nur die Königsschießen sind abgesagt, sondern auch die Schützenfeste. Die Sportschützen können ihre Treffsicherheit nicht trainieren. Die bislang letzte Delegiertenversammlung in Jesteburg, zu der die Vereine bis zu 200 Teilnehmer schicken, datiert vom Februar 2020. Dennoch hat der große Frust noch nicht eingesetzt. „Vielmehr melden sich unsere Mitglieder, fragen und hoffen darauf, dass es möglichst bald wieder losgeht“, erzählt Höper. Doch Treffen und Schießen werden wohl kaum vor Herbst wieder möglich sein.
Sportvereine kämpfen um Mitglieder, Schützen sind treu
Immerhin: Die Schützenvereine stehen nicht so stark unter Druck wie der Sport. In den Sportvereinen hatten zuletzt immer häufiger Mitglieder gekündigt, weil sie auf Sicht kaum Chancen auf gemeinsame Aktivitäten sahen. „Die Lage bei uns ist dagegen eher ruhig“, sagt Vizepräsident Wilfried Stresow. Seit März 2020 hat sich die Zahl der Schützen um rund 400 auf 11.566 verringert. Das ließe sich verkraften, sind sich Präsident und Vize einig. Der Verband gehört so weiter zu den mitgliederstärksten im Landkreis.
Die finanzielle Lage gilt derzeit noch nicht als angespannt. Hintergrund: Die meisten Schützenhäuser sind abbezahlt. Die Fixkosten für Heizung, Versicherung und Reparaturen lasse sich mit den Jahresbeiträgen zwischen 100 und 150 Euro schultern. Einige Verein haben sogar den Lockdown für Sanierungen oder den Ausbau genutzt.
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So hat der Schützenverein Heidenau während der Krise 16 seiner Anlagen mit Elektronik ausgestattet. Nun muss dort niemand mehr Pappzielscheiben zu sich hinziehen. Wo und ob die Kleinkaliberkugel getroffen hat, lässt sich auf einem Monitor ablesen. „Beim Kauf der pro Stand 2500 Euro teuren Anlagen und bei den Nebenkosten hat der Landessportbund mit einem Zuschuss von 30 Prozent geholfen. Hinzu kommen einige Sponsoren“, berichtet Präsident Höper.
Klar ist jedoch: Die fehlenden Chancen, aktiv um Nachwuchs werben zu können, werden Spuren hinterlassen. „Die Corona-Delle“, nennt das Stresow. Zumal sich mit der Pandemie und den zusätzlichen Möglichkeiten für die Arbeit im Homeoffice zwar wieder Neubürger den Dörfern zuwenden. Doch die sind eben nicht in der überschaubaren Dorfgemeinschaft auf- und damit wie selbstverständlich in das Vereinsleben hineingewachsen. „Solche Menschen haben erst einmal andere Interessen, als in einen Schützenverein einzutreten“, ist Vizepräsident Stresow überzeugt.
Der Kontakt zu den potenziellen Interessenten soll, sobald das wieder geht, mit familienfreundlichen Festen sowie mit Schießen für Gäste, Firmen und Verwaltungen aufgebaut werden. „Wir zeigen ehrlich, was wir jeweils ortstypisch anbieten können“, sagt Höper. Dieses Rezept hatte bisher Erfolg. So kamen zum Vereins- und Firmenschießen des Schützenvereins Heidenau, dem Höper angehört, beim ersten Mal vor 15 Jahren gerade einmal zehn Teilnehmer – zuletzt waren es rund 150. „Das hat uns immer wieder Neueintritte gebracht.“
Die eigenen Fördermittel des Verbandes von rund 8000 Euro sind vor allem für den Nachwuchs vorgesehen. „Ab zwölf Jahren, wenn die Eltern einverstanden sind schon eher, können Kinder beim Lichtpunktschießen dabei sein“, erklärt Stresow. Dabei fliegt keine Kugel, sondern das Ziel wird mit einem Lichtstrahl anvisiert. Sensoren zeigen die Treffer an. Für solche Anlagen können Vereine bis zu 1000 Euro vom Verband erhalten. Wer Spaß an dem Sport findet, kann dann zum Luftgewehr wechseln. Das Lichtpunktschießen sei beim Werben um Nachwuchs zu einem wichtigen Einstieg geworden.
Außer um der Nachwuchs müssen Schützen sich um Ehrenämtler bemühen
Außer der Nachwuchswerbung müssen sich die Schützen zudem wie andere Vereine um ihre Ehrenämtler kümmern. Da gilt unabhängig von der Pandemie. „Wie werden hier noch mehr Probleme bekommen“, ist Höper sicher.
Denn der Zeitaufwand für die Vorstände hat in den vergangenen Jahre deutlich zugenommen. Statt Handschlag und kurzen Entscheidungen vor Ort stehen heute Verträge, das Hereinholen von Fördergeldern, juristische und steuerrechtliche Fragen, mehr Besuche bei Meisterschaften und nicht zuletzt ein Auftreten der Vereins- und Verbandsspitze, das in der Gesellschaft akzeptiert wird. Erst Ende Dezember hatte sich der Schützenverein Garlstorf-Gödenstorf aufgelöst, weil kein geschäftsführender Vorstand gefunden werden konnte.
„Im Verbandsvorstand funktioniert die Arbeit“, sagt Stresow. Dafür sind er und Höper bis zu 16 Stunden pro Woche beschäftigt. „Aber es macht uns nach mehr als 40 Jahren als Schützen immer wieder Spaß, zu den Vereinen zu kommen. Am besten so rasch wie möglich.“