Todtglüsingen/Buchholz. In einem offenen Brief an den Landessportbund fordern die Vereine Unterstützung. Probleme nicht mit kleinen Sportvereinen vergleichbar.
Renate Preuß ist auf Zinne. „Ich werde den Eindruck nicht los, dass viele Entscheidungsträger kein Gefühl dafür haben, mit welchen Problemen Großsportvereine in dieser Zeit zu kämpfen haben. Den Landessportbund kann ich davon nicht ausnehmen“, sagt die Vorsitzende des Todtglüsinger SV.
Ein Beispiel: die meisten kleineren Vereine können für ihre Aktivitäten Sportstätten der kommunalen Hand nutzen. Großvereine haben dagegen vielfach vereinseigene Hallen, Häuser und Außenanlagen, die unterhalten, gepflegt und finanziert werden müssen. Wenn die Einnahmen wegbrechen, wird das schwierig.
Auch Buchholz, Buxtehude, Harsefeld und Lüneburg dabei
Renate Preuß steht an der Spitze des größten Sportvereins im Landkreis Harburg, der Todtglüsinger SV ist mit mehr als 8000 Mitgliedern die Nummer drei in Niedersachsen. Mit dem Gefühl, von Politik und Sportpolitik nicht verstanden zu werden, steht Preuß nicht allein da. Daher haben sich 24 niedersächsische Großsportvereine, die 135.000 Mitglieder repräsentieren, zusammengeschlossen und einen offenen Brief an den Landessportbund (LSB) Niedersachsen gerichtet. Eine solche gemeinsame Initiative hatte es noch nicht gegeben.
Zu den Unterzeichnern gehören neben Todtglüsingen unter anderem die Vorsitzenden von Blau-Weiss Buchholz, des Buxtehuder SV, TuS Harsefeld, MTV Treubund Lüneburg und VfL Lüneburg. Auch der VfL Wolfsburg, Hannover 96 und Eintracht Braunschweig sind mit im Boot. „Es ist ein dringlicher Appell, der besonders die Notlage der Großvereine darstellt mit ihren diversen Investitionen und dem massiven Verlust an Mitgliedern“, so Arno Reglitzky (Blau-Weiss Buchholz).
Mitgliederrückgang der Großen liegt bei etwa acht Prozent
Aktuell entzündet sich die Kritik an einer Mitteilung, in der der LSB die Zahlen der jüngsten Bestandserhebung bewertet. Demnach hätten 9031 Sportvereine Niedersachsens im vergangenen Jahr 95.129 Mitglieder verloren, entsprechend einem Rückgang von 3,7 Prozent. „Wir hatten mit einem Rückgang von fünf Prozent kalkuliert und können nun vorsichtig optimistisch in die kommenden Monate blicken“, sagte der LSB-Vorstandsvorsitzende Reinhard Rawe.
Eine Aussage, der die Großsportvereine ganz und gar nicht zustimmen können. Für die Gesamtzahl der Vereine sei der Rückgang in der Tat sehr überschaubar, er habe aber nichts mit der Situation der Großsportvereine zu tun, heißt es in dem Offenen Brief. Die Rechnung der 24 Clubs geht so: sie haben im Jahresvergleich einen Mitgliederrückgang von etwa acht Prozent, teilweise bis zu 23 Prozent, zu verzeichnen. Im Durchschnitt hat jeder Verein 500 Austritte zu verkraften, in der Summe mehr als 11.700 Mitglieder weniger als zu Beginn des Jahres 2020. Die Gesamtbetrachtung versperre also den Blick auf die riesigen Probleme der Großsportvereine.
Kurzarbeit, fehlende Einnahmen und fehlende Perspektive
Das sind die größten Probleme: Seit Monaten befinden sich große Teile der hauptamtlichen Mitarbeiter in (erneuter) Kurzarbeit, mit Einnahmen aus Veranstaltungen ist auch in diesem Jahr nicht zu rechnen, mit Neueintritten ohnehin nicht. Normalerweise sind Januar und Februar die stärksten Monate. Die Mindereinnahmen wachsen also immer weiter an. „Hinzu kommt die fehlende Perspektive für den Wiedereinstieg in den Sportbetrieb. Die zu tragende Last wiegt immer schwerer. Nein, wir können nicht einmal vorsichtig optimistisch in die Zukunft blicken“, machen die Unterzeichner deutlich.
Sie formulierten folgenden Appell: „Ohne eine nachhaltige und kraftvolle Unterstützung des Landessportbundes wird es nicht gehen. Diese fordern wir nachdrücklich ein. Verschaffen Sie uns, den Großsportvereinen, die ein wesentlicher Motor der Vereinsarbeit sind, mit unseren besonderen Problemen Gehör und geben Sie uns damit die Möglichkeit, tatsächlich vorsichtig optimistisch in die Zukunft zu blicken!“ Zum offenen Brief gehört ein ausführliches Perspektivpapier.
LSB-Reaktion ließ nicht lange auf sich warten
Mittlerweile hat der Landessportbund reagiert. Der Vorstandsvorsitzende Rawe verweist darauf, dass sich der LSB schon vor dem Offenen Brief für die Belange der Großsportvereine eingesetzt habe, etwa im Ausschuss für Inneres und Sport oder bei der Tagung der Landessportbünde mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
„Parallel dazu sind wir mit dem Land Niedersachsen in konkreten Gesprächen, wie den Großsportvereinen im Rahmen der Landesrichtlinie für das Corona-Sonderprogramm gesondert geholfen werden kann. Wir werden uns darüber in der kommenden Woche mit Minister Boris Pistorius austauschen“, sagte Rawe.
An eine baldige Wende zum Guten, mag Renate Preuß nicht glauben. „Die Antwort ist in erster Linie der Versuch, uns zu beschwichtigen. Den großen Vereinen muss rasch mit viel Geld geholfen werden“, sagte die Vorsitzende des Todtglüsinger SV. Die Verfasser des Offenen Briefes werden nun erstmal eine Woche lang Reaktionen sammeln und dann per Videokonferenz ihre weiteren Schritte besprechen.