Buchholz. Erster Vorsitzender Arno Reglitzky sorgt sich um den Fortbestand seines Vereines Blau-Weiss Buchholz – und um die Existenzen vieler Übungsleiter.
Arno Reglitzky macht sich Sorgen. mehr als das, er hat regelrecht Angst um ein Projekt, das er als treibende Kraft in den vergangenen Jahrzehnten mit jeder Menge Herzblut aufgebaut hat. Bei diesem Projekt – es handelt sich um den Sportverein Blau-Weiss Buchholz und dessen Sportzentrum am Holzweg – geht es um weit mehr als die persönlichen Befindlichkeiten des Ersten Vorsitzenden. Die Existenzen von 320 Übungsleitern und 32 Angestellten sind gefährdet, und mehr als 6000 Mitglieder würden ihre sportliche Heimat verlieren.
„Die komplette Schließung des Sportzentrums und Stilllegung des Sportbetriebs ist wirtschaftlich tödlich. Wir sind quasi ein mittelständisches Unternehmen, das keine Leistung mehr erbringt und natürlich keine Rücklagen hat. Dafür aber erhebliche Verbindlichkeiten aus den Kapitalinvestitionen“, skizziert Reglitzky das Problem in einem Satz. Die Lage ist ernst. Das kann der 84-Jährige mit konkreten Zahlen untermauern. Üblicherweise halten sich Vereine sehr bedeckt mit Einblicken in ihre Finanzstruktur, doch er erlaubt einen Einblick in die Situation.
Die Coronakrise und ihre Folgen treffen den zweitgrößten Sportverein im Landkreis Harburg zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. 2006 zog Blau-Weiss in die neue Heimat am Holzweg um, vor elf Jahren begann der Verein, das Sportzentrum systematisch auf- und auszubauen. Mit einer Investition von 2,5 Millionen Euro wurde seinerzeit der Grundstock gelegt. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Schnell wuchs der Mitgliederbestand: von ursprünglich etwa 2600 zunächst auf 5000 im Oktober 2012 und bis heute auf etwa 6300 Sportlerinnen und Sportler.
Parallel realisierten Reglitzky und seine Mitstreiter im Vorstand weitere Bauprojekte. Um zusätzliche Sportflächen zu schaffen, wurde das Hauptgebäude aufgestockt, es entstanden eine Kletterhalle mit Innen- und Außen-Kletterwänden, eine integrative Behindertenanlage mit 6500 Quadratmetern Spiel- und Sportflächen und eine Boule-Anlage. Zu Beginn des Jahres 2019 wurden schließlich eine Drei-Feld-Sporthalle und eine Boulderhalle fertig gestellt.
Alles in allem hat Blau-Weiss Buchholz in den vergangenen elf Jahren mehr als acht Millionen Euro in die Infrastruktur investiert.„Wir sind selbst aktiv geworden, weil der Bedarf an Hallensporträumen in Buchholz einfach nicht gedeckt werden konnte“, sagte Reglitzky. Berechnungen hatten ergeben, dass 500 Personen Interesse an sportlicher Betätigung hätten, ohne dass diese Nachfrage befriedigt werden konnte.
Verein musste mit überhöhten Preisen zurechtkommen
Dann setzte der Bauboom ein. Die Folge: Entweder hatten die Unternehmen kein Interesse an den Neubauten von Blau-Weiss Buchholz oder sie riefen exorbitant hohe Preise auf. So musste der Verein mit deutlichen Verzögerungen bei der Fertigstellung und überhöhten Preisen zurecht kommen. „Unsere Kosten- und Tilgungsrechnung passte trotzdem noch, es passte alles bei einer normalen Wirtschaftsentwicklung.
Die zwei Millionen Euro mit 50 Prozent Kreditaufnahme für die letzten zwei Projekte konnten haarscharf bedient werden“, sagte Reglitzky. Der gewaltige Umsatz sei gut durchdacht, Einnahmen und Ausgaben weitgehend deckungsgleich gewesen. Die größten Posten auf der Ausgabenseite sind Personalkosten, Unterhalt der Anlagen, Kapitaldienst, Verbandsabgaben, Versicherungen, Betriebskosten und Administration. „Es lief alles auf Kante, aber wir hatten es im Griff mit positivem Ausblick.“
Die Einstellung des Sportbetriebs reißt auf der Einnahmenseite ein großes Loch in die Kasse. Durch den Ausfall von Kursen werden keine Kursgebühren eingenommen, die Kletter- und Boulderhalle zum Beispiel wird normalerweise zur Hälfte von externen Gästen genutzt. Es fließen keine Zuschüsse der Krankenkassen für die Durchführung von Reha-Kursen, Einnahmen aus dem Catering können ebenfalls nicht generiert werden.
Zahlreiche Mitglieder verlassen jetzt den Verein
Als besonders ärgerlich empfindet Arno Reglitzky die derzeit vergleichsweise hohe Zahl von Kündigungen der Mitgliedschaft, frei nach dem Motto „kein Sportangebot, kein Geld“. Das dürfte Vorstandsmitgliedern landauf, landab vor Augen führen, dass ein Sportverein heutzutage weniger als Solidargemeinschaft als vielmehr als Dienstleistungsunternehmen angesehen wird.
Andererseits versucht Blau-Weiss Buchholz natürlich, Kosten zu reduzieren. Für die vielfach in Teilzeit tätigen 32 Angestellten in der Geschäftsstelle, im Rehasport, in der Anlagenpflege, Gebäudereinigung, in den Kletterhallen und im Fitnessstudio wurde Kurzarbeit beantragt und auch genehmigt. „Eine gute Nachricht, die uns erst mal rettet. Aber wann das Geld kommt, ist unsicher. Auch deshalb müssen wir zusätzlich zwischenfinanzieren“, sagte Reglitzky. Diese Zwischenfinanzierung zur Sicherstellung der Liquidität, in Summe etwa 100.000 Euro, haben Vorstandsmitglieder aus eigener Tasche geleistet.
Rettungspaket des Bundes greift nicht für Sportvereine
Und was ist mit dem milliardenschweren Rettungspaket, das Bund und Länder für die Wirtschaft geschnürt haben? „Da ist leider nichts für Sportvereine dabei. Die KfW und die N-Bank haben Sportvereine bisher nicht auf der Rechnung. Blau-Weiss Buchholz und andere Vereine, die mehr als zehn Mitarbeiter haben, gelten in diesem Zusammenhang nicht als mittelständische Betriebe. Sie sind nicht eingeplant von der Politik“, hat Reglitzky erfahren müssen. Dann müssten doch wenigstens die 320 auf Honorarbasis tätigen Trainer und Übungsleiter von den Zuschüssen profitieren können, die an Kleinunternehmen und Selbstständige ausgezahlt werden? „Das scheint wohl nicht der Fall zu sein. Kredite ja, aber keine Zuschüsse. Die guten Übungsleiter und Trainer stehen praktisch nackt da“, so der Vorsitzende. Blau-Weiss versucht ihnen eine Brücke zu bauen mit den aufkommenden virtuellen Sportangeboten im Internet. In Buchholz gibt es erste Projekte in den Abteilungen Aerobic, Schach und Yoga, bald folgen Hip-Hop und Ballett. „Das ist erst in den Anfängen und wir müssen klären, wie wir diese ,Sportstunden’ einvernehmlich vergüten könnten“, so Reglitzky. „Aber es ist klasse, wie Trainer und Mitglieder bereit sind, sich dieser schwierigen Situation anzupassen. Auch wenn es schwierig und völlig ungewöhnlich ist.“
Internet und guter Wille allein reichen nicht aus
Blau-Weiss Buchholz liefert also Sport frei Haus. Das bringt eine positive Stimmung ins Vereinsleben, nützt der Gesundheit und bindet die Mitglieder. Trotz aller kreativer Ideen ist eines sicher: „Wenn wir keine weiteren Kredite ausfindig machen, sieht es nach weiteren drei Monaten Stillstand nicht erbaulich aus. Da hilft uns leider auch das Internet und der gute Wille nicht weiter.
Die Vorstandsmitglieder können nicht noch weiter in die eigene Tasche greifen“, sagt der Erste Vorsitzende, der in seinem langen Sportlerleben schon manche Höhen und Tiefen durchlebt hat. Und wer Arno Reglitzky kennt, nimmt ihm seinen abschließenden Satz unbesehen ab: „Ich denke trotzdem immer noch positiv.“