Grünendeich. Gebäude sollen an Pfählen fünf Meter aufschwimmen können. Vorbild ist eine Siedlung in Holland. Projekt auch in Hamburg möglich?
Als er mit der Standortsuche für das Projekt „amphibische Siedlungen“ begann, erntete Timm Ruben Geissler gelegentlich erstaunte Blicke. „Warum ich denn etwas für Frösche plane, wurde ich manchmal gefragt“, sagt der promovierte Hamburger Wasserbau-Ingenieur und lacht. Zu abwegig erschien manchem Gesprächspartner wohl der Gedanke, dass es sich dabei um Häuser für Menschen handeln könnte.
Inzwischen hat er im Alten Land aber offensichtlich örtliche Politiker von dem Vorhaben überzeugt und bekam für eine Vordeichfläche in Grünendeich die Zusage für eine dazu notwendige Bebauungsplanänderung. Hier plant Geissler mit seinem Büro „WasserLand“ und verschiedenen Partnern wie der Hafencity-Universität jetzt zunächst ein schwimmendes Haus als Pilotprojekt: Für künftige Siedlungen, die sowohl für das Wasser wie auch für das Land gebaut sind – amphibisch eben.
Förderantrag beim Forschungsministerium
Beim Bundes-Forschungsministerium ist dazu im Rahmen des Programms zur Erforschung von Anpassungsmöglichkeiten an „Wasser-Extrem-Ereignisse“ ein Förderantrag gestellt worden. Mit einer Entscheidung rechnet Geissler im Februar. Sollte es dann eine Zusage geben, soll voraussichtlich noch in diesem Sommer Projektstart sein.
Die Idee dabei lehnt sich an eine Siedlung in den Niederlanden an, wo gleich mehrere solcher Häuser stehen. Wobei Geissler nicht Hausboote plant, sondern eben Häuser, die nur bei extremen Wetter-Ereignissen schwimmfähig sind. Grundlage ist eine Art Ponton als Fundament, der an großen Pfählen aufschwimmen kann, sonst aber auf dem Land steht.
„Darauf könnten verschiedene Gebäude entstehen, wir planen erst einmal etwas in Einfamilienhausgröße“, sagt Geissler, der an der TU Harburg studiert hat. Versorgungsleitungen müssten dabei so ausgelegt werden, dass sie so flexibel sind, um die Bewegungen des Hauses mitmachen zu können.
Überschwemmungsgebiete werden bebaubar
Hintergrund der Überlegung von Geissler und Projektpartnern sind Gedanken zum Klimawandel und den damit womöglich verbundenen stärkeren Hochwasserrisiken. „Wir können zwar immer höhere Deiche bauen, das wird irgendwann aber schwierig, weil sie dann am Deichfuß auch immer mehr Platz beanspruchen“, sagt er. Vielmehr müsse es in Zukunft darum gehen, „mit dem Wasser zu leben“, sagt Geissler, der sich beruflich sonst mit Gewässer-Renaturierungen und technischem Hochwasserschutz an Gebäuden beschäftigt.
Sturmfluten oder auch extreme Regenfälle haben da bei den Menschen auch eine starke psychologische Komponente, hat er erfahren. Der Schutzraum Haus werde dadurch bedroht: eine Gefahr, die gerne verdrängt wird, wie er sagt. Das Prinzip der schwimmenden Häuser sei hingegen eine eher gegenteilige Herangehensweise, weil sie solche Risiken bewusst mit kalkuliert: „Der Überflutungsfall kann von einer katastrophalen Ausnahmesituation zu einem geplanten Gebrauchszustand werden“, heißt es dazu in dem Flyer des Projekts, das nun rechtliche und technische Voraussetzungen solcher schwimmenden Häuser herausfinden soll.
Schwimmende Häuser auch in Hamburg möglich?
Ganz neue Siedlungsflächen in flutgefährdeten Bereichen könnten so gewonnen werden, sagt der Wasserbau-Ingenieur. Und das nicht nur vor den Deichen der Elbe oder an Küsten. Auch im Verlauf von kleineren Flüssen und Bäche gebe es solche Bereiche. So zum Beispiel in Hamburg entlang der Gewässer Kollau, Bille oder Wandse: Vielfach gibt es hier festgelegte Überschwemmungsgebiete mit starken Restriktionen zum Bauen. Schwimmende Häuser könnten auch dort Alternativen bieten.
Zunächst aber soll das Pilotprojekt im Alten Land erste Erfahrungen bringen. In einer von der Metropolregion Hamburg geförderten Machbarkeitsstudie wurden dazu verschiedene Standorte geprüft. Sie liegen alle in der Samtgemeinde Lühe, die sich früh gesprächsbereit für ein solches Vorhaben gezeigt hatte. Als idealer Standort erwies sich eine große, grüne Wiese direkt neben einem früheren Bundeswehrgelände, wo heute ein Yachthafen und Wassersport-Servicebetriebe angesiedelt sind.
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Das schwimmende Haus soll dabei zunächst vor allem Ausstellungen zu dem Thema beherbergen. Und es soll gelegentlich auch bewohnt werden können, sozusagen als Testfall bei stürmischen Wetterlagen. Ein paar Mal im Jahr wird diese Wiese im Jahr eben im statistischen Mittel einige Dezimeter überflutet. Geissler: „Das brauchen wir – als Testszenario“