Harburg. Zumindest eine wurde nachgewiesen. Was verlockende Stöcker damit zu tun haben. Auf den Spuren eines scheuen Tiers.
Auf leisen Pfoten gewinnt sie verlorenes Terrain zurück, breitet sich aus Mitteldeutschland heimlich Richtung Norden aus: „Wir haben erstmals eine Wildkatze im Landkreis Harburg nachgewiesen“, meldete kürzlich Andrea Krug vom BUND Niedersachsen. Seit 2004 arbeitet der BUND bundesweit daran, der scheuen Einzelgängerin ein grünes Rettungsnetz zu weben, das potenzielle Katzenlebensräume miteinander verknüpft. Um den Tieren auf die Spur zu kommen, werden seit zehn Jahren in Wäldern mit Wildkatzenverdacht Lockstöcke aufgestellt, an denen sich die Katzen reiben können und dabei Haarproben hinterlassen.
„Das ist jetzt der nördlichste Nachweis einer Wildkatze in Deutschland. Die Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass die Wildkatzen aus den bereits gut besiedelten Wäldern der Landkreise Gifhorn und Braunschweig weiter in Richtung Nordwesten vordringen“, kommentiert Krug den Fund aus diesem Jahr.
84 Lockstöcke in ausgewählten Waldbereichen aufgestellt
Zusammen mit dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und unterstützt durch die Niedersächsischen Landesforsten, die Klosterforstverwaltung und einige Naturschutzverbände hatten die Umweltschützer im Frühjahr 2020 insgesamt 84 Lockstöcke in ausgewählten Waldbereichen der Landkreise Harburg, Celle und der Region Hannover aufgestellt. Und diese regelmäßig kontrolliert.
Die Stöcke sind mit Baldrian besprüht, der in der Paarungszeit (Januar bis März) umherstreifende Katzen magisch anzieht. Das raue Holz sammelt Haare von Tieren, die sich an den Stöcken reiben. Um festzustellen, ob die Haare tatsächlich von der Europäischen Wildkatze (Felis silvestris) stammen oder von Reh, Dachs oder Hauskatze werden die gesammelten Proben zur genetischen Analyse zum Senckenberger Forschungsinstitut im hessischen Gelnhausen geschickt. Das Ergebnis: An 25 Lockstöcken waren eindeutig Wildkatzen aktiv. Beim Nachweis in der Nordheide handelt es sich um einen Kater. Die Daten fließen in eine bundesweite Gendatenbank ein.
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Bereits 2019 gab es Wildkatzen-Nachweise im Landkreis Lüchow-Dannenberg, in der Göhrde und den Wäldern nahe der Elbe. Und 2017 wurden im Heidekreis sowie im Landkreis Uelzen vier Mal Wildkatzenhaare entdeckt. Allerdings ließ sich nicht ermitteln, ob es sich um dasselbe Tier handelt. Alle Proben wurden im Umfeld des Truppenübungsplatzes Munster eingesammlt. „Truppenübungsplätze sind Schmelztiegel der Artenvielfalt“, sagt Andreas Jacob, der beim NLWKN die Erfassung des Wildkatzenvorkommens betreut. „Es sind weiträumige, menschenleere Wildnisgebiete“ – auf dem Munsteraner Manövergelände leben unter anderem auch Wölfe und Fischotter.
„Im Nordosten Niedersachsens haben wir mittlerweile den Beweis für eine agile Ausbreitung der Wildkatze“, so Jacob. Hier gebe es strukturreiche Wälder, die den Tieren gute Lebensräume bieten. Mit viel Totholz auf dem Boden sowie hohlen Baumstümpfen und Holzlagern mit Höhlen zur Jungenaufzucht. Die heimlich lebenden Katzenfamilien bleiben in der Regel unerkannt. Das birgt die Gefahr, dass eine Höhle zerstört wird, wenn Holz aus dem Wald geräumt wird. Aber das geschehe bevorzugt im Herbst und Winter, so Jacob.
Wildkatzen lassen sich selbst von Experten kaum beobachten
Die Naturschutzexperten warnen Waldbesucher, im Frühjahr scheinbar ausgesetzte junge Hauskätzchen mitzunehmen. Sollte es sich um die wilde Verwandtschaft handeln, würde sich die vermeintlich gute Tat als Bärendienst an der Natur und den Jungtieren erweisen. Wildkatzen lassen sich selbst von Experten kaum beobachten. Alle Katzen, die wie Felis silvestris zwar grau bis cremegelb getigert sind, aber keinen buschigen Schwanz mit dunklen Ringen und einem stumpfem, schwarzem Ende vorweisen, sind entlaufene Stubentiger.
Heute leben in Deutschland schätzungsweise 6000 bis 8000 Wildkatzen, Tendenz steigend. Uwe Mestemacher von den Niedersächsischen Landesforsten erwartet, „dass die Wildkatze bald in der gesamten Lüneburger Heide zu finden ist“. Allerdings schränkt er ein, dass sie es nicht leicht haben wird, sich großflächig zu etablieren. „Dafür stellt auch hier der Straßenverkehr immer noch ein zu großes Risiko dar.“