Kiel. Antidiskriminierungsstelle in Schleswig-Holstein stellt Bilanz vor. Beratungszahl gleichbleibend hoch. Manche Fälle überraschen.
Eine Behinderung, die ethnische Herkunft und das Geschlecht sind die häufigsten Gründe für eine Diskriminierung. Das zumindest zeigen die aktuellen Zahlen der Antidiskriminierungsstelle in Schleswig-Holstein. Die Anzahl der Beratungsfälle mit 667 Petitionen ist weiter hoch geblieben. Dabei überraschen auch manche Einzelfälle, die die Leiterin der Stelle Samiah El Samadoni in Kiel am Donnerstag erläuterte.
„Ein nach wie vor großes Problem sind öffentliche Arbeitgeber/-innen, die bei Stellenausschreibungen gegen die Einladungspflicht von Menschen mit Behinderung verstoßen“, erklärte El Samadoni. Dabei sind öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber und Bewerberinnen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt.
Gleichbehandlung bei Stellenausschreibung? Schadensersatz wird in Kauf genommen
„Häufig nahm man es billigend in Kauf, auf Schadensersatz verklagt zu werden, da dieser auf maximal drei Brutto-Monatsgehälter gedeckelt ist“, erläuterte El Samadoni. Zwei Fälle, die sich Hilfe bei der Antidiskriminierungsstelle holten, ließen sich die Diskriminierung nicht gefallen, insgesamt 6000 Euro beziehungsweise 3000 Euro hätten sie vor Gericht erstritten.
Was den Experten der 2013 geschaffenen Stelle für Antidiskriminierung in Schleswig-Holstein zudem auffiel: Es habe sich noch immer nicht zu allen Arbeitgebern herumgesprochen, dass Stellenausschreibungen so formuliert sein müssen, dass darin männlich, weiblich und divers berücksichtigt wird. Dafür reicht der Zusatz „m-w-d“, die Verwendung eines Gendergaps oder -sternchens.
Gleichbehandlung: Gesetz kennen auch Rechtsanwälte nicht
„Bemerkenswert war hier allerdings, dass auch ein rechtswissenschaftlicher Lehrstuhl und eine Rechtsanwaltskanzlei mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht hier nicht vor Fehlern gefeit war“, berichtete El Samadoni. Zum Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2017 entschieden, dass es mehr als nur ein binäres Geschlechtersystem gibt und dies in der Praxis rechtliche Konsequenzen hat.
Diskriminierung erleben Betroffene aber auch in Alltagssituationen beim Einkaufen, dem Eintritt in die Diskothek oder bei der Beförderung im ÖPNV. Ein Beispiel, das El Samadoni näher ausführte: Eine Frau, die der deutschen Minderheit der Sinti angehört, sei wegen ihrer ethnischen Herkunft die Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter verweigert worden. „Da die außergerichtliche Einigung scheiterte, führte eine Klage schließlich zu einer Entschädigung für die erlittene Verletzung des Persönlichkeitsrechts“, so die Leiterin der Beratungsstelle des Landes. 1000 Euro habe die Frau als Entschädigung erhalten.
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Positiv fällt auf, dass Arbeitgeber in der jüngeren Vergangenheit umdenken würden – auch gezwungen durch den Fachkräftemangel. Sie würden sich in den Bereichen Diversität und interkulturelle Kompetenzen weiterentwickeln. El Samadoni wünscht sich gerade mit Blick auf den nötigen Zuzug von Personal aus dem Ausland ein starkes Signal und fordert eine gesetzliche Möglichkeit für Ordnungswidrigkeitentatbestände beispielsweise bei rassistischer Diskriminierung beim Einlass in Diskotheken oder auf dem Wohnungsmarkt.