Neu Wulmstorf. Pastor Florian Schneider kritisiert zu hohe Mietpreise, die für viele unbezahlbar sind – und zieht Parallelen zur Weihnachtsgeschichte.
Florian Schneider, Pastor der Lutherkirchengemeinde in Neu Wulmstorf, macht sich Sorgen um das bezahlbare Wohnen in der Gemeinde und fragt sich, ob die Schaffung von günstigem Wohnraum tatsächlich ein wichtiges Anliegen der Politik ist.
„Das ist Prokrastinieren vom Allerfeinsten“, so Schneiders Reaktion auf einen Abendblatt-Artikel. Darin wurde über eine Liste der Verwaltung berichtet, auf der – als Antwort auf einen entsprechenden SPD-Antrag – mögliche Flächen für den Bau von Wohnungen durch die Kommunale Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises berichtet.
Mieten sind für viele Menschen in Neu Wulmstorf zu hoch
Trotz des Baubooms in Neu Wulmstorf seien die Mieten in den schicken neuen Wohnquartieren von Neu Wulmstorf für viele Menschen unerschwinglich, so Schneider. Dabei laute der politische Konsens angeblich, dass dringend bezahlbarer Wohnraum her müsse.
„Mittlerweile setze ich hinter diesen behaupteten Konsens ein Fragezeichen. Es ist bemerkenswert, wie das Thema bezahlbarer Wohnraum immer wieder aufs nächste oder gleich übernächste Bauprojekt beziehungsweise neu zu erschließende Quartier geschoben wird“, sagt der Pastor.
Der Kirchenvorstand der Lutherkirche möchte den diakonischen Fußabdruck
Zuletzt sei dies beim Baugebiet Kirchberg der Fall gewesen, also in direkter Nachbarschaft zur Lutherkirche. „Der Ratsbeschluss zur Erschließung war sehr respektabel. Bebauungsplan und Flächennutzungsplan zeugten vom politischen Willen, hier Themen wie bezahlbaren Wohnraum und Mietobergrenze aufzugreifen“, sagt Schneider. Genau das habe sich der Kirchenvorstand der Lutherkirchengemeinde gewünscht, als er vor geraumer Zeit den Begriff „diakonischer Fußabdruck“ in die Debatte eingetragen habe.
„Der Hintergedanke war, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zur Lutherkirche auch die wohnen sollen und können, die über weniger finanzielle Ressourcen verfügen als andere. Aber ungeachtet dieser Beschlusslage startete im Anschluss das Verschieben des hehren Zieles.“
Auf der Fläche am Moorweg sollen 108 Wohneinheiten entstehen
Zuletzt habe Thomas Grambow, Vorsitzender des Bauausschusses, das anstehende Bauprojekt auf dem Kirchberg mit dem Hinweis auf das schwer zu bebauende Gelände und den dafür nötigen finanziellen Aufwand Ende Oktober in einem Abendblatt-Artikel in eher gegenteiliger Weise interpretiert. Grambow schloss für das Projekt bezahlbaren Wohnraum aus und kündigte an, den Bau von günstigen Wohnraum an anderer Stelle umsetzen zu wollen. Am Moorweg stünde zeitnah eine geeignete Fläche bereit.
Schneider kritisiert diese „Aufschieberitis“: „Das klingt wieder erst einmal gut. Aber das Verschieben wird schon angekündigt, auch am Moorweg wird es höchstwahrscheinlich nichts mit bezahlbarem Wohnraum, wie mit Blick auf den Neu Wulmstorfer Haushalt und der Tatsache, dass das Gelände nicht der Gemeinde, sondern der Sparkasse Harburg-Buxtehude gehört, ja ebenfalls bereits angekündigt wurde.“ Tatsächlich sollen auf der Fläche am Moorweg 108 Wohneinheiten entstehen, davon etwa die Hälfte als geförderter Wohnraum, so der ursprüngliche Plan.
„In Neu Wulmstorf ist die Geschichte von Maria und Josef leider aktuell“
Das Verschiebespiel gehe laut Pastor Schneider zu Lasten derer, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen seien, munter weiter: „Die Fläche der ehemaligen Hauptschule, das Freibad-Gelände, die Fläche der Grundschule Am Moor und weitere werden genannt. Da könnte überall irgendwann – gewiss aber nicht zeitnah – bezahlbarer Wohnraum entstehen oder eben einmal mehr nicht.
„Mich beschleicht von den bisherigen Erfahrungen her das Gefühl, dass es auch dort nichts werden wird“, befürchtet der Pastor. „Das Verschieben scheint mir Methode zu sein. Einen in dieser Frage wirkmächtigen politischen Konsens und Willen kann ich nicht wahrnehmen.“ Vielmehr müsse er feststellen, dass das dringliche Thema weiter und weiter vertagt werde und das in Zeiten, in denen infolge der Energiekrise die Lage auf dem Wohnungsmarkt noch einmal kritischer geworden sei.
Was fortwährend geschoben wird, wolle man nicht wirklich: „Sie hatten keinen Raum, heißt es in der Weihnachtsgeschichte über die mittellosen Maria und Josef. In Neu Wulmstorf ist dieser Satz zu Weihnachten 2022 leider sehr aktuell“, so Schneider.