Hamburg. In Schleswig-Holstein ist der Mund-Nasen-Schutz beim Einkaufen nicht mehr Pflicht – doch viele bleiben vorsichtig.
Das Schild am Eingang, das auf die Maskenpflicht beim Einkauf hinweist, ist verschwunden. Trotzdem tragen an diesem Vormittag fast alle, die den Supermarkt im Stadtzentrum von Wedel betreten, einen Mund-Nasen-Schutz. „Wir wussten ja nicht, was passiert. Aber wir sind sehr froh, dass unsere Kunden und auch unsere Mitarbeiter so verantwortungsvoll sind“, sagt Frederik Klein – mit Maske. Gemeinsam mit seinem Vater führt der 27-Jährige drei Läden unter dem Namen Edeka Volker Klein. Dass seit Sonntag in Schleswig-Holstein die Maskenpflicht im Einzelhandel nach fast zwei Jahren aufgehoben ist, sieht er mit gemischten Gefühlen. „Die Corona-Zahlen sind im Moment sehr hoch, die Ansteckungsgefahr groß. Wir hätten uns gewünscht, dass die Landesregierung in Kiel noch vier Wochen mit den Lockerungen gewartet hätte“, sagt der Juniorchef.
Corona Schleswig-Holstein: Appelle statt Vorschriften
Appelle statt Vorschriften: Der Wegfall der Maskenpflicht – eigentlich als Rückkehr zur Normalität nach zwei Jahren staatlich verordneter Pandemie-Bedingungen gedacht – sorgt an diesem ersten Montag noch für jede Menge Skepsis. Das hat auch damit zu tun, dass die Verordnungen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen anders sind als wenige Kilometer entfernt in Hamburg, das als sogenannter Hotspot weiter Masken in Innenräumen vorschreibt. „Viele sind unsicher und wissen nicht genau, was gerade gilt“, beobachtet Edeka-Mitarbeiterin Eva Klatt, die neben dem Eingang des Supermarkts hinter der Mittagstisch-Theke steht. Sie trägt keine Maske.
„Es fühlt sich noch ungewohnt an. Aber ich bin froh, dass ich jetzt selbst entscheiden kann, wann ich eine Maske sinnvoll finde.“ Ein paar Schritte weiter fummelt eine ältere Kundin ihren Mund-Nasen-Schutz umständlich aus der Tasche und zieht ihn demonstrativ hoch. „Ich will schließlich nicht krank werden“, sagt sie und schiebt ihren Einkaufswagen zielstrebig in den Markt.
Corona Schleswig-Holstein: Viele tragen weiter Masken
Ganz ähnlich das Bild in den Geschäften rundherum in der Wedeler Einkaufsstraße. „Ich hatte noch niemanden ohne Maske im Laden“, sagt etwa Dörte Hatecke von der Parfümerie Nickel. „Man muss abwarten, wie sich das in den nächsten Wochen entwickelt.“ Klar ist, dass sie niemanden verprellen will. Aber wenn jemand ohne Schutz reinkommt, bleibt sie bei der Beratung für Gesichtspflege, Parfüm oder Lippenstift künftig auf Abstand. Eines der wenigen Unternehmen, das weiterhin verbindlich auf Masken setzt und damit von seinem Hausrecht Gebrauch macht, ist im Moment die Hamburger Sparkasse.
„Der beste Weg, sich und andere vor Ansteckung zu schützen, ist die Einhaltung von Abstand, Hygiene und in unseren Filialen das Tragen einer (medizinischen) Maske“, sagt Sprecherin Stephanie von Carlsburg auf Anfrage des Abendblatts. Das gelte nicht nur in Hamburg, sondern auch für die 13 Filialen in Schleswig-Holstein und fünf weitere in Niedersachsen.
Außer in Hamburg gilt auch in Mecklenburg-Vorpommern die Maskenpflicht noch mindestens bis Ende Apri
Zufrieden mit der neuen Freiheit ist dagegen der Handelsverband Nord in einer ersten Bilanz. „Unser Eindruck ist, dass zwei Drittel der Kunden weiterhin mit Mund-Nasen-Schutz unterwegs sind“, sagt Mareike Petersen vom Handelsverband Nord in Kiel. Das zeige, dass die Menschen vorsichtig und verantwortungsvoll auf die neue Situation reagierten. Der Branchenverband hofft, dass mit dem Wegfall der Masken wieder mehr Menschen in die Geschäfte kommen und Umsätze steigen. „Wir wissen, dass Masken ein Einkaufshindernis sind“, so Petersen. Nach einer Umfrage sind sie für zehn Prozent der Erlösausfälle verantwortlich.
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Allerdings hätte sich der Handelsverband eine bundeseinheitliche Regelung gewünscht. Außer in Hamburg gilt auch in Mecklenburg-Vorpommern die Maskenpflicht noch mindestens bis Ende April. Dass Kunden aus den Hamburger Randgebieten wie von einigen Experten vorhergesagt jetzt vermehrt nach Schleswig-Holstein oder Niedersachsen zum Shoppen fahren könnten, lässt sich aktuell noch nicht beobachten. So waren die Geschäfte am vergangenen verkaufsoffenen Sonntag sowohl in Hamburg mit Maskenpflicht als auch in Winsen/Luhe ohne Maskenpflicht gut besucht.
Ganz direkt von dem föderalen Maskenchaos betroffen ist auch die Edeka-Kaufmannsfamilie Klein. Neben zwei Supermärkten in Wedel betreiben sie einen weiteren Standort in Hamburg am Elbe-Einkaufszentrum. „Der Wegfall der Maskenpflicht kommt zu früh“, sagt Juniorchef Frederik Klein. Er sorgt sich auch um die Mitarbeiter, die bei steigenden Infektionszahlen ausfallen könnten. Am Eingang des Marktes in Wedel hängt jetzt ein neues Schild mit der Empfehlung, zum Selbst- und Fremdschutz freiwillig eine Maske aufzusetzen.