Hamburg. Fischmarkt öffnet erstmals wieder mit Marktschreiern. Gleichzeitig tritt im Gegensatz zum Umland die Hotspot-Regelung in Kraft.
Ein Tag der Erlösung war dieser Sonntag an einem Ort: dem Fischmarkt an der Elbe. Dort sind Aale-Dieter, Bananen-Fred, Käse-Tommy und Co. nach mehr als 15 Monaten Corona-Unterbrechung und acht Monaten im eingeschränkten Pandemiebetrieb wiedervereint – der Traditionsmarkt fand erstmals wieder in voller Größe und ohne Schreiverbot statt. „Die Leute wollen sich amüsieren“, sagte Dieter Bruhns alias Aale-Dieter, der nach eigenen Angaben seit 63 Jahren dabei ist.
Statt weiterer Lockerungen wie in fast allen anderen Bundesländern trat in Hamburg am Wochenende aber auch die Hotspot-Regelung in Kraft – und statt flotter Sprüche gab es Appelle des Senats, die Corona-Lage nicht zu unterschätzen.
Corona Hamburg: Tschentscher appelliert an Bürger
In einer Videobotschaft forderte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die Menschen in der Hansestadt auf, in Innenräumen weiter Maske zu tragen. Zwar seien viele Beschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie aufgehoben worden und „wir freuen uns auf einen weitgehend normalen Sommer“, sagte Tschentscher.
„Dennoch bleibt es bei dem Appell an alle, sich impfen zu lassen und in den kommenden Wochen in Innenräumen eine Schutzmaske zu tragen.“ Die Menschen müssten in der Pandemie weiterhin aufmerksam sein, betonte Tschentscher.
„Sich jetzt anzustecken, ist nicht unwahrscheinlich“
Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) verwies auf die aktuelle Situation. „Noch ist es draußen kalt, wir sind deswegen viel drinnen, und viele Menschen in der Stadt sind momentan infiziert“, sagte die SPD-Politikerin. Binnen einer Woche habe es fast 30.000 Neuinfektionen gegeben. „Sich jetzt anzustecken, ist daher nicht unwahrscheinlich“, warnte sie.
Viele Schutzmaßnahmen seien aufgehoben, „sodass Ihr Körper und Immunsystem nun den Schutz für die eigene Gesundheit übernehmen muss“. Noch bis Ende April könne man sich ohne Anmeldung in einem der städtischen Impfzentren in allen Bezirken impfen lassen. Auch in den Kliniken sei dies möglich – dort aber nach vorheriger Terminvereinbarung.
Corona-Regeln fallen im Norden weg
Leonhard verteidigte zudem erneut den Beschluss, Hamburg zum Hotspot zu erklären. Die Hansestadt stehe nur deshalb so gut da, weil man an der Maskenpflicht in Innenräumen festhalte, sagte sie dem Radiosender „Hamburg Zwei“. „Wir haben ein bisschen in Hamburg das Präventionsparadox.“ Hamburg habe sich vorgearbeitet und werde es mit der verlängerten Maskenpflicht im Sommer auch leichter haben als andere. „Allerdings wird uns das nun auch vorgehalten, dass wir ja so gut dastehen, dass wir nicht weiter was tun müssten“.
Für eine bessere Kontrolle des Infektionsgeschehens nimmt Hamburg auch in Kauf, andere Regeln als seine direkten Nachbarn zu pflegen. So fielen in Schleswig-Holstein trotz weiterhin hoher Infektionszahlen die meisten Corona-Regeln ab Sonntag weg. Eine Maskenpflicht gilt weiterhin in Krankenhäusern, Pflegeheimen sowie im öffentlichen Nahverkehr. Noch bis zum 18. April bestehen weiter Testpflichten für Mitarbeiter und Eltern in Kitas. In Hamburg bleibt dagegen eine generelle FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen bis Ende April. Bei Einkäufen des täglichen Bedarfs reiche eine medizinische Maske, hieß es.
FFP2-Maske für das Shoppen in Hamburg nötig
Beispielsweise für das Shoppen bedeuten die Unterschiede aber nun: Wer in Hamburg einkaufen möchte, braucht dazu eine FFP2-Maske. Wer das Gleiche jenseits der Stadtgrenze tun möchte und in eine der fast 100 Gemeinden in Schleswig-Holstein fährt, kann auf eine Maske verzichten. Gleiches gilt für Niedersachsen. Neben Hamburg hat nur Mecklenburg-Vorpommern die Hotspot-Regelung bislang genutzt.
Die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen sank unterdessen in Hamburg am Wochenende wieder leicht. Die Gesundheitsbehörde gab die Zahl der Neuansteckungen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche am Sonntag mit 1409,5 an – nach 1449,5 am Sonnabend und 1435,3 vor einer Woche. Auf anderer Berechnungsgrundlage nannte das Robert Koch-Institut (RKI) für Hamburg am Sonntag eine Inzidenz von 1196,2. Das ist nach dieser Statistik der bundesweit drittniedrigste Wert hinter Berlin (872,4) und Brandenburg (1049,4). Deutschlandweit betrug die Inzidenz demnach 1457,9.
Unsicherheit auf dem Fischmarkt spürbar
Innerhalb eines Tages wurden in Hamburg 1549 neue Infektionen gemeldet, am Sonnabend waren es 3825, am Sonntag vor einer Woche 2311. Die Zahl der im Zusammenhang mit dem Coronavirus Gestorbenen stieg um vier auf 2396. Laut dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin wurden Sonntagvormittag 37 Covid-19-Patienten auf Hamburger Intensivstationen behandelt – zwei mehr als am Vortag. 19 dieser Patienten mussten invasiv beatmet werden – einer weniger als am Sonnabend.
Auf dem Hamburger Fischmarkt wurde am Sonntag deutlich, dass die Unsicherheit noch nicht ganz weg ist. Fast alle Besucher trugen keinen Mund-Nasen-Schutz, was auf dem Fischmarkt auch erlaubt ist. „Du kannst mal die Maske abnehmen. Die haben doch die Scheiße abgeschafft“, sagte einer der Marktschreier zu einer Kundin. „Du kannst wieder frische Luft atmen.“ Aber nicht alle sehen dies jedoch so. Nina (25) und Tobias (27) aus Ulm freuten sich auf dem Fischmarkt zwar, dass trotz der Corona-Pandemie „fast schon wieder Normalität“ spürbar sei. „Im Getümmel fühlt man sich ohne Maske aber eher unwohl“, sagt Nina.
Corona Hamburg: Fischmarkt wieder in bekannter Form
Für das zuständige Bezirksamt Altona jedenfalls ist die 2022er-Premiere des Fischmarkts in altbekannter Form und voller Auslastung mit rund 150 Händlern geglückt. „Wir sind rundum zufrieden mit der Rückkehr zum Normalzustand“, bilanziert Sprecher Mike Schlink. Und mit schätzungsweise 35.000 Besucherinnen und Besuchern sei der Zuspruch in etwa auf „Vor-Corona-Niveau“ gewesen.
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Aale-Dieter erreichte an diesem knackig-kalten Sonntagmorgen bei Sonnenschein ebenfalls gleich wieder die normale Temperatur. „Das ist Räucheraal. Wenn du den isst, kriegst du auch die richtige Gesichtsfarbe“, sagte er zu einer 82 Jahre alten Kundin aus Sachsen, die bei minus drei Grad fröstelte. Und ihren Begleiter, der um den Preis feilschen will, raunzte Aale-Dieter an: „Du hältst die Schnauze.“ Übel genommen werden ihm derlei Derbheiten nicht, im Gegenteil: Auch um Autogramme wurde die lebende Fischmarkt-Legende wieder von einigen Besuchern gebeten.