1986 wurden im Kreis Pinneberg drei Menschen im Schlaf umgebracht. Erst 13 Jahre später bekam die Polizei ein entscheidendes Indiz.

Es war eine Nacht im Juni 1986, als das Böse Einzug in eine bis dahin ruhige kleine Ortschaft hielt. In Hemdingen, einer 1500-Seelen-Gemeinde im Kreis Pinneberg, wurden innerhalb weniger Stunden drei Menschen getötet. Und das Haus, in dem das Ehepaar und dessen erwachsener Sohn umgebracht wurden, trug wegen dieser Tat schon wenig später den gruseligen Beinamen „Mörderhaus“.

Die damals 21 Jahre alte Tochter des Ehepaars war die Einzige aus der Familie, die überlebte. Ihr Glück war, dass sie in jener Mordnacht nicht zu Hause war. Entdeckt wurde die Tat am 23. Juni 1986, als das Ehepaar und der erwachsene Sohn bei ihren Arbeitsstellen vermisst wurden. Als Bekannte daraufhin zum Haus der Familie fuhren, gerieten sie in ein grausiges Szenario. Der Sohn wurde in seinem Zimmer, das im Keller lag, gefunden, der 25-Jährige war tot. Das Ehepaar lebte ebenfalls nicht mehr.

Alle Opfer waren in ihren Betten gestorben. Sie waren erschlagen worden. Auch der kleine Hund der Familie war attackiert worden. Er überlebte schwer verletzt.

Mord im Kreis Pinneberg: Im Schlaf attackiert

„Ein bisschen sah es danach am Tatort aus, als hätten der oder die Täter nach Wertsachen gesucht“, erzählt Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Rechtsmediziner Klaus Püschel. „Aber trotzdem glaubte die Kripo nicht wirklich an einen Raubmord. Für die Ermittler wirkte es eher so, als habe ein solches Verbrechen vorgetäuscht werden sollen. In Wirklichkeit ging es wohl darum, einen Teil der Familie auszulöschen.“

„Als ich damals am Tatort die Opfer sah, war schnell anhand der Verletzungen klar, dass sie im Schlaf attackiert worden waren“, erinnert sich Rechtsmediziner Klaus Püschel. „Sowohl das Ehepaar als auch der Sohn hatten massivste Kopfverletzungen.“ Die späteren durchgeführten Obduktionen bestätigten, dass die Opfer unter anderem Schädelfrakturen und jeweils ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatten. „Bei allen dreien stellten wir fest, dass es jeweils mindestens vier Gewalteinwirkungen auf den Kopf gegeben hatte. Die Tatwaffe muss ein schwerer, runder Gegenstand gewesen sein, wie eine Baseballkeule oder ein Totschläger. Und aufgrund der Tatsache, dass die Getöteten an den Stellen verletzt wurden, die sie dem Täter ,dargeboten‘ hatten, stand fest, dass sie im Schlaf getötet wurden. Dafür sprach auch, dass sie kaum Abwehrverletzungen aufwiesen.“

Am Tatort fanden die Ermittler eine Staubmaske. Sie lag im Flur auf dem Boden und wurde als mögliches Beweismittel behandelt – und sollte Jahre später den Durchbruch bei den Ermittlungen bringen. Im Visier der Polizei war von Beginn an Vladimir E., der damalige Freund der einzigen Überlebenden aus der Familie, Silke J. Dieser Vladimir E., der zwei Jahre lang mit Silke J. liiert gewesen war, habe die Kenntnisse gehabt, um sich am Tatort gut zurechtzufinden, und die Gelegenheit, sich einen Haustürschlüssel zu verschaffen.

Weil Silke J. den jungen Mann von jeher finanziell unterstützt hatte und nun als wohlhabende Erbin galt, habe der 23-Jährige auch ein Mordmotiv gehabt: über seine Freundin erheblich vom geerbten Vermögen zu profitieren. „Aber Vladimir E. hatte ein Alibi“, schildert Püschel. „Seine neue Freundin Stefanie A. behauptete konsequent, er habe die gesamte Tatnacht mir ihr verbracht.“

DNA-Analyse bringt Bewegung in den Fall

Bewegung in den Fall kam erst 13 Jahre später. „Mittlerweile gab es nämlich die DNA-Analyse – ein Segen für die Wahrheitsfindung!“, sagt Mittelacher. „Nun konnte die damals am Tatort asservierte Staubmaske gentechnisch analysiert werden. Es gab einen Treffer: Vladimir E.“ Nun vernahmen die Ermittler erneut die Frau, die dem Verdächtigen ein Alibi gegeben hatte. Und jetzt rückte sie nach und nach mit der Wahrheit heraus.

Sie sagte, Vladimir E. sei in jener Nacht erst morgens gegen 4 Uhr zu ihr gekommen. Nun wurde der mittlerweile 36-Jährige verhaftet. Am 13. September 1999 begann gegen ihn der Prozess. Der gebürtige Tscheche wurde angeklagt, am 23. Juni 1986 die drei Opfer aus Habgier erschlagen zu haben. Dabei soll es E. auf die Lebensversicherung und den Immobilienbesitz der Eltern abgesehen haben.

Wichtigste Zeugin war die junge Frau, die dem Angeklagten zunächst ein Alibi gegeben – und es dann zurückgezogen hatte. „Aber was sie jetzt erzählte, nämlich dass Vladimir E. in jener Nacht um 4 Uhr nach Hause gekommen sei, passte nicht zu den Todeszeiten, die ich für das getötete Ehepaar feststellt hatte“, erklärt Püschel. „Der Täter muss sein blutiges Werk erst deutlich nach 3 Uhr vollbracht haben.“ Schließlich, nach langem Zögern, gab die Zeugin zu: Ihr damaliger Freund Vladimir E. war erst am Morgen zu ihr zurückgekommen.

Jetzt passte alles zusammen: der Todeszeitpunkt, das Motiv, der Verdächtige, die DNA. Nun wurde Vladimir E., nach mehr als 50 Prozesstagen, verurteilt. Das war im Oktober 2000. „Mehr als 14 Jahre sind vergangenen, bis der Mörder seine Strafe bekommen hat!“, betont Mittelacher. Dann wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest.