Heide. Lange galten sie als spießig, jetzt entdecken auch junge Menschen Kleingärten für sich. Was hinter dem Trend “Urban Farming“ steckt.

Laura Mugrauer schleppt zwei schwere Stühle aus der Laube auf die Terrasse ihrer Schrebergartenparzelle. Die Möbel hat sie für ihren neuen Garten in Heide (Kreis Dithmarschen) geschenkt bekommen und will sie demnächst überarbeiten. Ihre siebenjährige Tochter zeigt in der Zwischenzeit den kleinen „Swimmingpool“, den sie für die Tiere im Garten aus Steinen und Blättern angelegt hat.

Sie nimmt vorsichtig und ohne Ekel Schnecken und Insekten in die Hand, um sie zu beobachten, matscht in einer Pfütze herum. Zwei Tigerschnecken, eine nützliche Nacktschneckenart, weil sie andere Nacktschnecken verspeist, haben es ihr an diesem Tag besonders angetan. Ihre Tochter liebe den Garten, sagt Mugrauer. Genau wie sie und ihr Freund. Seit Mitte Juli sind sie Pächter einer Parzelle in der Schrebergartenanlage AWL.

Mehr als 200 Schrebergartenvereine in Schleswig-Holstein

Damit gehören sie zu den mehreren Zehntausend Menschen, die in Schleswig-Holstein eine Schrebergarten-Parzelle gepachtet haben. Insgesamt gibt es im nördlichsten Bundesland mehr als 200 Kleingärtnervereine. Davon sind 194 im Landesverband Schleswig-Holstein der Gartenfreunde organisiert, der rund 33.000 Mitglieder zählt.

Die Nachfrage nach einem Schrebergarten ist durch die Corona-Krise gestiegen, wie Landesverbands-Geschäftsführer Thomas Kleinworth sagt. „Die Bürger haben erkannt, wie wichtig ein Rückzugsraum „Grün“ ist. Besonders Menschen, die auf Etage wohnen und zum Zeitpunkt des Lockdowns quasi eingesperrt waren, nutzten den Kleingarten zum Ausgleich des Alltages.“ Das gelte auch im ländlichen Raum.

„Im Garten kann man mehr als Familie machen“

Mugrauer und ihr Freund wohnen in Heide, einer Stadt mit rund 21.000 Einwohnern, ebenfalls in einer Wohnung. Sie hätten zwar einen Balkon, aber dort oben zu sitzen, während die Kinder unten auf der Grünfläche zwischen den Häusern spielten, sei zwar nett, aber nicht erfüllend, sagte Mugrauer. „Im Garten kann man mehr als Familie machen.“ Anfang des Jahres hatten sie überlegt, ob sie sich nicht einen eigenen kleinen Garten zulegen sollten.

Fünf Parzellen in der Anlage AWL schaute sich das Paar an, bis es die richtige gefunden hatte. „Ein bisschen Leerstand ist hier wohl“, sagt Mugrauer. Einige Parzellen lägen direkt an den Bahnschienen, andere im Schatten. Insgesamt sind nach Angaben des Heider Kleingartenvereins in dieser Anlage von den 146 Parzellen etwa zwei Dutzend frei. In den anderen Anlagen in der Stadt hingegen ist derzeit nichts zu bekommen.

Vermehrter Leerstand in Kleingarten-Anlagen

Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Jahren einen vermehrten Leerstand in Kleingarten-Anlagen vor allem in strukturschwachen Regionen festgestellt. Eine im Jahr 2013 veröffentlichte Studie im Auftrag der Bundesregierung zählte 45.000 leerstehende Parzellen, viele davon im Osten, aber auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. „Der Leerstand betrifft insbesondere den ländlichen Raum; die größeren Städte sind davon nicht betroffen“, hieß es.

In der Corona-Pandemie sieht es in Schleswig-Holstein allerdings etwas anders aus: „Zurzeit sind besonders in den ländlichen Kreisen keine freien Parzellen zu bekommen“, sagte Kleinworth vom Landesverband der Gartenfreunde. Mittelfristig müsse aber mit einem Rückgang in der ländlichen Region gerechnet werden. „Wer auf dem Land wohnt und ein Haus mit Garten hat, benötigt keinen Kleingarten mehr.“ Umso wichtiger werde der Erhalt und eine zukunftsorientierte Entwicklung in den Städten sein.

Kaum freie Plätze in Kiel

Auch in der Landeshauptstadt Kiel sind freie Plätze Mangelware. „Wir haben keinen Leerstand“, teilte der Vorstand des Kleingärtnervereins Kiel mit, der eigenen Angaben zufolge mit derzeit rund 2450 Mitgliedern größte Verein Deutschlands. Es waren einmal fast 7000. Ähnlich wie in anderen Städten im Land mussten auch die Kleingärtner in Kiel immer wieder Parzellen für Straßen und Bauvorhaben abgeben. Die Kleingärtner in Kiel sind zwischen 19 und über 90 Jahre alt. Der Altersdurchschnitt liegt bei 49.

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Die Mischung in der AWL-Kleingartenanlage in Heide ist so bunt, wie Kleinworth die Schrebergärtner in Schleswig-Holstein beschreibt. Da gibt es halbverwilderte Gärten, Gartenzwergkolonien, liebevoll angelegte Blumenbeete und richtige Selbstversorgergärten mit Obst- und Gemüseanbau. Laura Mugrauer und ihr Freund sind noch dabei, ihre Parzelle zu gestalten.

Urban Farming voll im Trend

„Hier war noch relativ viel Platz. Es war noch nicht so fertig angelegt mit Beeten und ähnlichem. Wir möchten da gerne selber kreativ werden“, sagt die junge Frau. Es soll nicht nur ein Wohlfühlgarten werden. „Wir wollen auch ein bisschen Selbstversorger sein, Sträucher und Obstbäume pflanzen, Gemüsebeete anlegen.“

Damit folgen sie einem Trend, den auch Kleinworth beschreibt: „Urban Farming, der naturnahe Anbau von Obst und Gemüse, ist im Kleingarten voll im Trend, nicht nur bei jungen Familien.“