Kiel. Tobias Bergmann ist neuer Oberbürgermeister – die Freude bei den Sozialdemokraten war groß. Auch in Timmendorfer Strand wurde gewählt.

Vom Kammerrebell zum Oberbürgermeister: Tobias Bergmann (49), in Hamburg bekannt als kurzzeitiger Präses der Handelskammer, macht nun beim Nachbarn Karriere. Im schleswig-holsteinischen Neumünster wurde er am Sonntag zum neuen Oberbürgermeister gewählt. Der Sozialdemokrat setzte sich knapp gegen CDU-Amtsinhaber Olaf Tauras durch. Auch in der Ostseegemeinde Timmendorfer Strand gibt es einen neuen Verwaltungschef. In der Stichwahl landete der FDP-Bewerber Sven Partheil-Böhnke deutlich vor seiner CDU-Kontrahentin Melanie Puschaddel-Freitag.

Bei den Sozialdemokraten war die Freude am Wahlabend besonders groß. Schließlich ist es Ex-Präses Bergmann gelungen, Neumünster zurückzugewinnen - die einzige der vier kreisfreien Städte im Bundesland, die derzeit nicht von einem Sozialdemokraten regiert wird. „Was für ein erfolgreicher Wahlabend!“, jubelte Ralf Stegner, der Chef der SPD-Landtagsfraktion.

Überraschender Erfolg von Bergmann in Neumünster

Der Erfolg von Bergmann, der in Neumünster als politischer Neuling angetreten war, kam durchaus überraschend. Schließlich hatte sich Tauras, seit 2009 Oberbürgermeister der Stadt, als Sanierer einen Namen gemacht. Aber dann geriet der 53-Jährige auf eine recht merkwürdige Weise ins Schlingern. Im November 2019 kündigte er zunächst an, für eine weitere Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen.

Die Stadt habe in den vergangenen zehn Jahren die wesentlichen Ziele erreicht, zudem wolle er sich noch einmal neuen beruflichen Herausforderungen stellen, sagte er. Tauras war zunächst als parteiloser Politiker gestartet, 2018 aber in die CDU eingetreten. Möglicherweise wollte er mit diesem Schritt seine Karrierechancen verbessern. Ministerpräsident Daniel Günther, nebenbei auch CDU-Landesvorsitzender, ließ damals jedenfalls verlauten, Tauras passe „super“ in die Partei. Doch aus der „neuen beruflichen Herausforderung“, die der Jung-Christdemokrat wohl in der Landespolitik suchte, wurde dann dennoch nichts.

Spektakuläre Kehrtwende des Amtsinhabers

Und zu Hause, in Neumünster, wurde es auch bald ungemütlich. Die CDU hatte, weil Tauras ja nicht mehr wollte, im Juni 2020 die Unternehmerin Jutta Schlemmer als Kandidatin für den Oberbürgermeisterposten präsentiert. Die gelernte Augenoptikerin war ein Jahr nach Tauras in die Partei eingetreten und politisch vollkommen unerfahren.

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Als die Neumünsteraner SPD dann im August 2020 Tobias Bergmann aus dem Hut zog, setzte bei der CDU offenbar das Nervenflattern ein. Es kam zu einer spektakulären Rolle rückwärts: Schlemmer verzichtete in September, nur drei Monate nach ihrer Nominierung, aus „ausschließlich persönlichen Gründen“ auf die Kandidatur - und Olaf Tauras, der tief in sich drin eine überraschend aufgeflammte neue Lust auf Neumünster entdeckt haben muss, übernahm den Job. Taurus gegen Bergmann - so lautete nun also die Paarung.

Bergmann bemühte sich um grüne Stimmen

Und nach dem ersten Wahlgang sah es durchaus so aus, als sollte die CDU die Nase wieder vorn haben. Tauras kam auf 40,6 Prozent, für Bergmann votierten nur 26,9 Prozent. Auf dem dritten Platz landete Sven Radestock, Kandidat der Grünen, mit 22,3 Prozent. Um diese grünen Stimmen bemühte sich Bergmann fortan intensiv - und kam so im zweiten Wahlgang auf 50,8 Prozent. Tauras (40,2) war knapp geschlagen. Bergmanns sechsjährige Amtszeit beginnt im September. Seine Frau Nazanin lebte einst als Flüchtling in Neumünster.

Bei der Bürgermeisterwahl in Timmendorfer Strand musste die CDU-Kandidatin am Sonntag eine Niederlage einstecken. Melanie Puschaddel-Freitag hatte auch dort nach dem ersten Wahlgang noch deutlich vorn gelegen. 31,5 Prozent der Stimmen erreichte sie. Sven Partheil-Böhnke, von FDP und SPD unterstützt, landete mit deutlichem Abstand (22,8 Prozent) auf dem zweiten Platz. Aber der Steuerberater (52), der mit dem NDR-Landeshauskorrespondenten Stefan Böhnke verheiratet ist, gelang es, die Verhältnisse umzukehren. Mit 52,5 Prozent siegte er im zweiten Wahlgang relativ klar.

Nachfolger für abgewählten Bürgermeister gesucht

Die Neuwahl war erforderlich geworden, weil der amtierende Bürgermeister Robert Wagner für Streit in der Gemeinde gesorgt hatte. Wagner, der zuvor bei der Bundeswehr gearbeitet hatte und über keinerlei Kommunalverwaltungs-Erfahrung verfügte, hatte sich sowohl mit Gemeindevertretern als auch mit Mitarbeitern der Verwaltung überworfen. Eine Bürgerinitiative führte schließlich einen Bürgerentscheid herbei. Fast 60 Prozent der Timmendorfer stimmten im vergangenen November für Wagners Abwahl.

Im Wahlkampf ging es dann ganz folgerichtig um die Frage, welcher Kandidaten am besten geeignet ist für den Bürgermeisterjob. Und da hatte offenbar der selbstständige Steuerberater, der sich unlängst von seiner Hamburger Kanzlei getrennt hat, die besseren Karten als die Diplom-Finanzwirtin Melanie Puschaddel-Freitag, die zwar zuletzt wieder in der Finanzverwaltung arbeitete, aber davor lange Zeit freigestellt war. „Ich kann Verwaltung – als Steuerberater habe ich täglich damit zu tun“, verkündet Partheil-Böhnke stolz auf seiner Webseite. Einen „echten Neustart“ will er hinlegen. Die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung, so verspricht er, sollen wieder gern zur Arbeit kommen.