Grömitz. Nicht mehr genug Freiwillige: Wie Grömitz das Problem löst – und was die Belastung für die unfreiwilligen Einsatzkräfte bedeutet.

Etwas verloren steht Thomas Marter in seiner Feuerwehrmontur auf dem Hof der Grundschule Grömitz. Um ihn herum üben Frauen und Männer der freiwilligen Feuerwehr den Umgang mit Dreh- und Steckleitern. Im Gegensatz zu ihnen ist Marter nicht freiwillig hier. Er gehört zu den acht Männern, die die Gemeinde Anfang August zum Feuerwehrdienst verpflichtet hat, weil das Personalsoll der Feuerwehr durch Freiwillige nicht mehr gedeckt werden konnte. „Ich bin kein Feuerwehrmann, das ist definitiv nicht mein Ding“, sagt Marter.

Seit sechs Jahren wohnt Maschinenbauingenieur Marter mit Ehefrau und Kindern in Lenste, einem Ortsteil der Gemeinde Grömitz. Die Notwendigkeit einer freiwilligen Feuerwehr leuchtet ihm durchaus ein. „Ich finde es toll, dass es sie gibt, aber für mich ist das eben nichts“, sagt er.

Für den Grömitzer Gemeindewehrführer Björn Sachau ist diese Haltung nicht verwunderlich. „Wenn die Leute Feuerwehr toll fänden, wären sie ja schon freiwillig eingetreten“, sagt er. Aber das Problem der fehlenden Einsatzkräfte sei nun mal da und müsse gelöst werden. Grömitz ist bereits die vierte Gemeinde in Schleswig-Holstein mit einer Pflichtfeuerwehr nach List auf Sylt, Burg in Dithmarschen und Friedrichstadt.

120 bis 130 Einsätze im Jahr

„Auch ich bin nicht glücklich mit der Pflichtfeuerwehr“, sagt Grömitz’ Bürgermeister Mark Burmeister. „Aber wir als Gemeinde sind verpflicht, den Brandschutz zu gewährleisten, und wenn es nicht genug Freiwillige gibt, müssen wir eben Bürger verpflichten.“ Insgesamt 16 Verpflichtungsbescheide hat die Gemeinde seit dem Sommer verschickt, acht Pflichtfeuerwehrleute haben inzwischen ihren Dienst angetreten.

Das Recht dazu gibt ihm das Schleswig-Holsteinische Feuerwehrgesetz, wonach Frauen und Männer vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 50. Lebensjahr verpflichtet sind, ehrenamtlich Dienst in der Pflichtfeuerwehr zu leisten, wenn sie gesundheitlich dazu in der Lage sind. Mit Löscheinsätzen könnten sich die meisten Zwangsrekrutierten abfinden. Doch der Feuerwehrdienst umfasst weit mehr. „Die Ortswehr Grömitz hat etwa 120 bis 130 Einsätze im Jahr, dabei überwiegen inzwischen die Einsätze zur technischen Hilfeleistung, etwa nach Unfällen oder bei Sturmschäden“, sagt Björn Sachau.

Dazu kommen jeweils zwei Übungsabende im Monat sowie dann noch weitere Übungen und Lehrgänge am Wochenende. „Man muss eine Menge Freizeit opfern“, sagt Marter kritisch. Wenn es nicht genug Freiwillige gebe, müsse die Gemeinde eben Feuerwehrleute einstellen, schlägt der Maschinenbauingenieur vor.

Auf Sylt wurde Dienst für die Feuerwehr 2005 zur Pflicht

Eines der Hauptprobleme nahezu aller Feuerwehren im Land sei die hohe Zahl der Berufspendler, da sie tagsüber für Einsätze nicht verfügbar seien, sagte der Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbands Volker Arp. Das bestätigt auch Matthias Stahl, Wehrführer der Feuerwehr List auf Sylt. „Wir haben noch zusätzlich das Pro­blem, dass wir keine Hilfe von Nachbarwehren anfordern können, weil deren Anfahrt zu lange dauern würde.“ Seine Wehr wurde 2005 zur Pflichtfeuerwehr – der ersten in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges. „Doch die Motivation der Pflichtfeuerwehrleute ist gut und wir streben an, wieder zu einer freiwilligen Feuerwehr zu werden“, sagt Stahl.

Wie jetzt in Grömitz wurde 2009 in Burg (Dithmarschen) aus einer freiwilligen eine Pflichtfeuerwehr; zuvor hatte es aufgrund interner Querelen viele Austritte bei der Feuerwehr des 2500-Einwohner-Ortes gegeben. Friedrichstadt folgte im Jahr 2016 und machte den Feuerwehrdienst zur Pflicht.

Ein Mann, der in Grömitz bereits vor zehn Jahren unfreiwillig zur Feuerwehr kam, ist Jacob Revenstorf. „Ich hab das nur gemacht, weil ich nicht zur Bundeswehr wollte“, sagt er. Doch dann habe er bei der Feuerwehr einen Aufgabenbereich gefunden, der ihm Freude mache, sagt er. „Heute bin ich Ortswehrführer von Grömitz und habe meinen Eintritt in die Feuerwehr noch keinen Tag bereut.“