Hamburg. Der Gartenbauverein gewinnt den Wunschcontainer der Firma Siloco. „Wir freuen uns wie bekloppt“, sagen die Mitglieder.
Auch für das Abendblatt war es eine außergewöhnliche Aktion: Vier Wochen lang, von Anfang Mai bis Anfang Juni, konnten sich Leser und Abonnenten um einen Wunschcontainer des Baumaschinen-Handelshauses Siloco bewerben. Jede Idee war willkommen, ob Mini-Museum oder Gebetsraum, ob Arztpraxis oder Abenteuerspielplatz. Am 9. Juni endete die Einsendefrist. Dann haben wir uns Zeit genommen, das haben Sie sicher bemerkt. Wir haben gelesen und gestaunt, gelacht und gelistet.
Knapp 80 Bewerbungen sind in den vier kurzen Wochen der Aktion in der Abendblatt-Redaktion eingetroffen. Die Konzepte konnten unterschiedlicher nicht sein, baurechtliche Fragen mussten geklärt werden. Am Ende musste sich die Jury auf einen Sieger einigen. Leicht gefallen ist es ihr nicht.
Naturnah und nachhaltig
Nun steht fest: Die Grüne Freiheit ist der große Gewinner. Ein Kleingartenverein in Wilhelmsburg, der die Jury mit einem gut durchdachten Konzept überzeugte – und sehr viel Herzlichkeit. „Wir freuen uns wie bekloppt“, sagt Petra Ackmann, Kassiererin des Vereins. „Wirklich, wir hatten im Leben nicht damit gerechnet, dass wir gewinnen.“
19 Seiten umfasste das Konzept der Grünen Freiheit. Wobei der Text überschaubar war. Woran man hängen blieb, waren die Fotos: Glückliche Gesichter sind darauf zu sehen – von Kindern, Jungen und Alten. Gemeinsam arbeiten sie in ihren Gärten. Menschen mit Wurzeln in Hamburg. Oder in der Türkei, in Portugal, Albanien, Polen oder Rumänien. „Jahr für Jahr findet unsere Mitgliederversammlung statt, auf der wir Ideen für unseren Verein entwickeln und Regeln für unser Zusammensein besprechen“, heißt es in der Bewerbung. „Wir setzen uns füreinander ein. Was uns fehlt ist ein fester Ort für unsere Begegnungen.“
Das konnte sich die Jury in der Tat sehr gut vorstellen: Wie viel es in einem so jungen, so bunten Verein Monat für Monat zu besprechen gibt. „Der Gartenpark Grüne Freiheit hat uns als Jury rundum überzeugt!“, sagt Isabella Vértes-Schütter, Intendantin des Ernst-Deutsch-Theaters. „Ein naturnahes, nachhaltiges Konzept, das für alle offen ist und die bunte Gemeinschaft in ihrer Vielfalt stärkt. Wunderbar, dass das erträumte Gemeinschaftshaus jetzt durch Siloco Wirklichkeit wird!“
In Hamburg fehlt es vielerorts an Treffpunkten
Neben Isabella Vértes-Schütter gehörten auch Siloco-Geschäftsführer Peter Böttcher und Sabine Tesche, Leiterin des Abendblatt-Ressorts „Von Mensch zu Mensch“, zur Jury. Gemeinsam beugten sie sich in den Räumen der Abendblatt-Redaktion über die einzelnen Bewerbungen. Hin und her flogen die Meinungen, über Entwürfe und Bedürfnisse. Thermoskannen voller Kaffee leerten sich. Und erstaunlich schnell wurde klar: Dass es an Raum in Hamburg schon bei den Allerkleinsten fehlt. Dutzende Kitas und Grundschulen bewarben sich, schickten von den Schülern gestaltete Konzepte. Für eine Bibliothek, einen Spielraum, einen Ort der Ruhe.
Dieter Bajer aus Zeven schlug die Installation einer „Hurdy Gurdy Box“ vor – „für junge Musiker die keine Möglichkeit haben, ohne Störung der Nachbarn mit ihrem Instrument zu jeder Tages- und Nachtzeit zu üben. Der Container sollte über eine App stundenweise zu buchen sein.“ Auch die Jugendmusikschule bewarb sich mit einem Konzept für junge Musiker: dem „Jamcontainer“, ein kleines Musik- und Tonstudio für Schulen in sozialen Brennpunkten. „Am Ende ihrer Schulzeit sollen alle Schüler aus dem Quartier eine von ihnen selbst gemachte CD in den Händen halten“, hieß es im Entwurf.
Obdachlosigkeit ein Thema
Viele Konzepte thematisierten die Situation der Obdachlosen in Hamburg. „Meine Idee ist es, den eh schon tristen Vorplatz des Saturn-Markts am Hauptbahnhof mit einem Container auszustatten. Platz ist dort genug vorhanden“, schrieb etwa Robert Ortmann. Auch der Zonta Club Hamburg Hanse, der sich um obdachlose Frauen kümmert, benötigt dringend einen neuen Container. Und ein Gemüsebetrieb aus den Vier- und Marschlanden wünschte sich eine Mini-Küche für den eigenen Hof. „Die könnte dann für Schulen und Kindergärten genutzt werden, vorher hätte man die Möglichkeit, das Gemüse frisch auf unserem Hof zu ernten“, schrieb Familie Neumann.
Die Entscheidung der Jury für den Gewinner fiel einstimmig
„Es gab viele gute Bewerbungen, aber bei der Grünen Freiheit hat mir besonders gefallen, dass verschiedene Generationen und Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen von dem Gemeinschaftsraum profitieren werden“, sagt Abendblatt-Redakteurin Sabine Tesche. „Dieser Container wird ein neues Miteinander des noch jungen Vereins fördern, wo vorher jeder nur in seiner Parzelle werkeln konnte. Die Vorstellung fand ich wunderbar.“
Die Entscheidung der Jury fiel übrigens einstimmig. Und Peter Böttcher war vom Gemeinschaftssinn der Grünen Freiheit nach einem Ortstermin so begeistert, dass Siloco die Container-Spende nun sogar aufstockt. „Die Grüne Freiheit bekommt von uns jetzt fünf Büro- und einen Lagercontainer, also fast schon ein kleines Gebäude“, sagt Peter Böttcher. „Bislang haben sich die Menschen dort immer bei irgendjemandem in der Parzelle verabredet, wenn sie zusammenkommen wollten – jetzt haben sie einen eigenen Treffpunkt. Mit Büroraum, Damen- und Herren-WC und einem Extra-Anbau für Gartengeräte.“