Westerland. Airport meldet Anstieg der Passagiere, obwohl die Zahl der Insel-Besucher gleich bleibt. Ärger über Zug-Probleme.

Von Düsseldorf nach Westerland in knapp einer Stunde – das schafft nur das Flugzeug. Immer mehr Reisende steigen jetzt von der Bahn auf den Flieger um, weil sie die langen Zugreisen auf die beliebte Nordseeinsel mit Verspätungen und dem häufig schlechten Service der Deutschen Bahn nerven. Die größten Zuwächse gibt es derzeit bei Flügen aus Düsseldorf, Berlin, Stuttgart, Kassel und Zürich.

„Unser Flughafen stellt durch die Probleme auf der Marschbahn eine noch wichtigere Ergänzung dar“, sagte Peter Douven, Geschäftsführer des Sylter Flughafens, dem Abendblatt. Der Airport rechnet in diesem Jahr mit einem Anstieg der Passagierzahlen um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und dies bei voraussichtlich gleichbleibenden Gästezahlen auf der Nordseeinsel. In diesem Jahr werden es rund 135.000 Passagiere sein. Der Zuwachs ist vor allem deshalb erstaunlich, weil nach der Insolvenz von Air Berlin zunächst nur 65.000 Passagiere erwartet worden waren.

Beschwerdeschreiben von Bahnkunden

Flughafenchef Douven sieht den Inselairport nach dem Rückgang der Passagierzahlen durch die Insolvenz von Air Berlin wieder im Aufwind. Durch die Konsolidierung und Insolvenzen im Luftverkehr seien relevante Kapazitäten im Markt verloren gegangen, sage Douven. „Während andere Regionalflughäfen massiv Kapazitäten verloren haben, konnten sie nach Sylt fast erhalten werden.“ Die Auslastungen seien in der Folge gestiegen, während die Passagierzahlen stagnierten. Dass sie nun leicht steigen, sei offenkundig auch auf die Probleme bei der Bahn zurückzuführen. Douven: „Schon vor den aktuellen Streckenproblemen bei der Bahn durch die längst fällige Sanierung und wie jetzt durch die beschädigte Brücke profitierte der Flughafen. Der Grund sind die sehr langen Reisezeiten. Und die erhöhen sich nun weiter.“

Dem Flughafen liegen auch Beschwerdeschreiben von Bahnkunden vor. Darin begründen sie ihren Wechsel zum Flugzeug mit „altem, unsauberem Zugmaterial, geschlossenen Toiletten, fehlender Reservierung und Bordverpflegung“. Dazu kommen Verspätungen und die langen Reisezeiten durch Bauarbeiten.

Anfang Juli hatte ein Lastwagen mit seinem Ladekran eine Eisenbahnbrücke beschädigt. Seitdem steht nur noch das Gleis von Bredstedt nach Niebüll für beide Richtungen zur Verfügung. Die Reparaturarbeiten sollen bis zum 24. Juli beendet sein. Die Gesamtfahrzeit auf der Strecke von Westerland nach Hamburg-Altona verlängert sich dadurch um 60 Minuten. Dazu kommt die Grundsanierung der Strecke zwischen Hamburg-Altona und Westerland. Nach erheblichen Mängeln, Zugausfällen und Verspätungen investiert die Bahn 160 Millionen Euro in die Marschbahn, saniert marode Brücken und erneuert 200 Kilometer Gleise und mehr als 30 Weichen. Die Bauarbeiten in mehreren Etappen sollen bis zum Jahr 2022 abgeschlossen sein und zu Verkehrsbehinderungen und längeren Fahrzeiten führen.

In weniger als einer Stunde von Kassel nach Sylt

Weil die regionale Nachfrage so stark ist, fliegt seit diesem Jahr erstmals Rhein-Neckar Air regelmäßig von Kassel nach Sylt. Während die Bahnfahrt sechs bis sieben Stunden dauert, braucht der Gast mit der Dornier 328 weniger als eine Stunde. Dafür zahlt er im Durchschnitt gut 60 Euro mehr als für ein Bahnticket. „Dieser Preis ist es unseren Kunden auch wert, wenn sie dadurch zwei Urlaubstage sparen“, sagt Dirk Eggert, Geschäftsführer Rhein-Neckar Air.

Nicht nur die Strecke von Kassel nach Sylt steht neu im Flugplan – auch die Berliner können im Direktflug wieder nach Sylt gelangen. Damit umfasst das Streckennetz jetzt neben der Hauptstadt und dem hessischen Kassel auch Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Mannheim, Stuttgart, München und Zürich. Lufthansa, Eurowings, Germanwings, Condor, Easyjet, Rhein-Neckar Air und Sylt Air sind die Fluggesellschaften, die Westerland ansteuern. Pro Wochentag erreichen drei bis zehn Linienflüge den Westerländer Flughafen. Dabei sind noch einige Wünsche offen: Die Flughafen-Geschäftsführung versucht schon seit Jahren, eine Direktverbindung nach Wien zu realisieren. Doch Airlines wie Eurowings und Austrian seien noch zögerlich, hieß es. Douven sieht nach wie vor einen Tourismus-Boom bei den Kurzreisen nach Sylt. Der könne aber nur bei vernünftiger Erreichbarkeit funktionieren. Und die sei mit Bahn oder Auto nicht immer gegeben.

Immer mehr Urlauber steigen von der Bahn aufs Flugzeug um, wenn sie auf die Nordseeinsel Sylt reisen wollen.
Immer mehr Urlauber steigen von der Bahn aufs Flugzeug um, wenn sie auf die Nordseeinsel Sylt reisen wollen. © imago/Waldmüller

Vor 100 Jahren begann der regelmäßige Flugbetrieb

Regelmäßige Flugverbindungen nach Sylt gibt es seit genau 100 Jahren. Am 6. Juli 1919 landete aus Berlin via Hamburg eine Junkers F 13 – der Startpunkt für eine touristische Erfolgsgeschichte. Bereits im Jahr 1925 kamen 2560 Fluggäste auf die Nordseeinsel. In den 1960er-Jahren entstand neben den Bedarfslinienflügen von und nach Hamburg, Kiel und Flensburg eine Fluglinie zwischen Berlin und Sylt. Sie wurde anfangs als Charterstrecke vom Reisebüro Germania und später von British Airways betrieben. Um die Kapazität und Qualität zu verbessern, wurden in den 1990er-Jahren ein neues Abfertigungsgebäude mit Kontrollturm, ein neues Instrumentenanflugsystem mit Anflugbefeuerung sowie eine Rettungs- und Fahrzeughalle gebaut.