Kiel . Das Ergebnis der Europawahl für Schleswig-Holstein war bis weit in den Abend hinein offen. CDU bleibt stärkste Kraft.
In Schleswig-Holstein haben nach ersten Teilergebnissen bei der Europawahl CDU und SPD historische Niederlagen erlitten. Dagegen feierten die Grünen Riesengewinne und könnten am Ende sogar landesweit vorn liegen. In 48 von 59 Gemeinden mit mehr als zehntausend Einwohnern erreichten die Grünen 28,8 Prozent und lagen damit vorn. Die CDU kam auf 25,4 Prozent, die SPD auf 17,8 Prozent, die AfD auf 8,1 Prozent, die FDP auf 6,1 Prozent und die Linke auf 3,3 Prozent. In den Gemeinden leben etwa ein Drittel der Wahlberechtigten im Norden.
In Neumünster, einer der vier kreisfreien Städten im Norden, lagen die Grünen mit 27,1 Prozent ebenfalls vorn, gefolgt von CDU (24,4 Prozent), SPD (18,4), AfD (9,6) und FDP mit 5,3 Prozent. In Flensburg erreichten die Grünen sogar 37,1 Prozent, die CDU kam auf 17,3 Prozent.
Erhebliche Abweichungen zwischen Ergebnissen
Erfahrungsgemäß schneiden die Grünen in größeren Städten und Gemeinden aber besser ab als in Dörfern. Eine landesweite Hochrechnung gab es vom Landeswahlleiter nicht. Grund seien erhebliche Abweichungen zwischen Ergebnissen aus der Briefwahl und den Stimmenabgaben am Sonntag, hieß es. Das vorläufige amtliche Endergebnis sollte gegen Mitternacht vorliegen.
In Deutschland insgesamt bleiben CDU und CSU zusammen stärkste Kraft. Die Sozialdemokraten fielen auf den dritten Platz. Erstmals bei einer bundesweiten Wahl kommen die Grünen nach satten Zugewinnen auf den zweiten Rang. Die EU-skeptische AfD verbessert ihr Ergebnis deutlich, bleibt aber unter ihrem Ergebnis von der Bundestagswahl 2017.
Union und SPD schnitten so schlecht ab wie nie zuvor bei einer bundesweiten Wahl. Die Union von CDU und CSU erreichte nach Hochrechnungen von ARD und ZDF 28,1 bis 28,6 Prozent - etwa sieben Punkte weniger als bei der Europawahl 2014 (35,4 Prozent). Die SPD stürzte auf 15,3 bis 15,7 Prozent ab, nach 27,3 Prozent 2014 und 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl. Die Grünen lagen bei gut 20 bis knapp 22 Prozent.
Grüne mit großer Freude
«Wir freuen uns riesig über unser historisch starkes Ergebnis», sagte Grünen-Landeschefin Ann-Kathrin Tranziska zu den Bundeszahlen. «Großartig! Die #GreenWave macht Europa schöner, stärker und besser», twitterte Umweltminister Jan Philipp Albrecht.
Nach der Wahl vom Sonntag hat der Spitzenkandidat der Nord-CDU, Niclas Herbst (46), sein Mandat ebenso sicher wie die Juso-Bundesvize Delara Burkhardt (26), die auf Platz 5 der SPD-Bundesliste stand. Auch für den Grünen Rasmus Andresen (33) auf Platz 16 der Bundesliste hat es gereicht.
Für den Ex-Landtagsfraktionschef der Piraten, Patrick Breyer (42), wurde es als Spitzenkandidat der Bundespartei zu einer Zitterpartie. Nach einer ARD-Hochrechnung von 19.59 Uhr sollte er ein Mandat für die Piraten errungen haben. Eine Sperrklausel gibt es zur Europawahl nicht. Insgesamt traten zur Wahl 37 Bewerber aus dem Norden an, darunter 15 Frauen.
Die Wahlbeteiligung war in Schleswig-Holstein deutlich höher als vor fünf Jahren, als nur gut 43 Prozent der Berechtigten ihre Stimme abgegeben hatten. Bis 17.30 Uhr betrug die Wahlbeteiligung bereits 50,1 Prozent.
Ministerpräsident Günther wählte in Eckernförde
Ministerpräsident Günther wählte in seinem Wohnort Eckernförde. Auch dort lagen die Grünen mit 30,7 Prozent deutlich vor der CDU (25,7).
«Ein Ergebnis von bundesweit unter 30 Prozent ist ein bitteres Ergebnis», sagte Günther zu den deutschlandweiten Hochrechnungen. «Da gibt es nichts schönzureden.» Für CDU und CSU müsse dieses Ergebnis das Signal für eine selbstkritische Diskussion sein. «Wir waren bei den wichtigen, wahlentscheidenden Themen nicht sichtbar und sprachlos», sagte Günther. Besonders eklatant sei das beim aktuell wichtigsten Thema Klimaschutz gewesen.
«Das ist ein enttäuschendes Ergebnis für uns», sagte zu den Hochrechnungen für den Bund SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. «Die Personaldebatten haben uns während des Wahlkampfes sehr geschadet und helfen uns auch jetzt kein Stück weiter.»
Serpil Midyatli enttäuscht
Von erschreckenden ersten Zahlen sprach die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli. «Unsere Themen waren offenbar nicht die, die bei dieser Wahl mobilisiert haben.» Der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis zog ein gemischtes Fazit: «Das Ergebnis, das die AfD laut ersten Hochrechnungen (Stand: 18.16 Uhr) bei dieser Europa-Wahl erzielt hat, liegt um 3,5 Prozentpunkte über dem von 2014. Das ist ein Erfolg. Gleichzeitig sind wir mit den erreichten 10,5 Prozent hinter unseren eigenen Erwartungen zurückgeblieben.»
Im Norden waren diesmal 2,272 Millionen Bürger wahlberechtigt. Das war die höchste Zahl seit 1949 bei Europa- oder Bundestagswahlen.