Verden. Bei Verden gibt es Kurse für Menschen, die lernen wollen, wie man ein schlichtes Modell für die letzte Ruhe fertigt.

Der Abend, der mit einem Probeliegen im Sarg enden kann, beginnt mit einer Tasse Tee im Sitzkreis. Zwei Männer sind bei dem Workshop der ungewöhnlicheren Art dabei: „Selbstbausarg – ist das denn möglich?“ Mit diesem Seminar will das Bestattungsinstitut Abschied in Kirchlinteln bei Verden auch bei der Trauerbewältigung helfen.

In der Diele des ehemaligen Bauernhauses wird es entstehen, das letzte Möbelstück des Lebens. Doch vorher geht es zu wie in der Schule – mit einem Stuhlkreis. Denn das Thema gilt es mit Feingefühl anzugehen. Dass Bestatter Henning Rutsatz 25 Jahre lang als Erzieher gearbeitet hat, hilft ihm in seinem jetzigen Beruf. Auch im Umgang mit Trauernden und Sterbenden kommt es darauf an, Menschen zu begleiten.

Erst vorstellen, dann bauen

Bevor mit Akku-Bohrer aus einzelnen Holzelementen ein fertiger Sarg zusammenschraubt wird, ist daher Vorstellungsrunde. Ein sanfter Einstieg in ein ernstes Thema. An manchen Abenden sind es bis zu zehn Teilnehmer. Die Beweggründe mitzumachen sind vielfältig. „Manchmal sind es Menschen, die noch gar nicht dicht dran sind an dem Thema, manchmal sind es Menschen, die lebensendliche Krankheiten haben“, sagt Henning Rutsatz.

Er benutzt das Wort lebensendlich und meint sterbenskrank. „Die Möglichkeit, in der letzten Phase seinen Lebens noch selbst etwas zu tun, ist denen ganz wichtig.“ Das ist auch die Idee hinter dem Sarg zum Selberbauen, es ist ein Weg des Abschiednehmens: „So haben die Familien die Möglichkeit, den Sarg auch gemeinsam mit dem Sterbenden zu bauen.“

Ein bisschen wie bei Ikea

Von der letzten Phase ihres Lebens sind Wilfried Hildebrandt und Jürgen Gansberger noch entfernt. Tatkräftig machen sich die Männer daran, in der Diele den Sarg zu bauen. Deshalb sind sie ja auch hier. Das Ganze hat überhaupt nichts Schwermütiges, sondern erinnert daran, zu Hause ein Ikea-Möbelstück zusammenzubauen.

Denn genauso kommt auch der Sarg-Fertigbausatz aus Fichte Rauspund daher, eingeschweißt in Plastik aus Ober-, Unter- und Seitenteilen und kleinen Holzfüßchen. Länge: zwei Meter. Breite: 45 Zentimeter. Höhe: 60 Zentimeter. Ein schlichter Einäscherungssarg. Preis: 450 Euro. Das ist mehr als das Holz wert ist, aber verkauft wird schließlich eine Idee.

Probleme beim Zusammenbau

Mit dem Akkuschrauber ziehen die Männer 49 Schrauben fest. Das geht ruckzuck in gut 45 Minuten. Deckel drauf: passt nicht. Kleines Missgeschick – eben so wie zu Hause auch. Dort würden die Herren nun wohl einfach noch mal von vorn anfangen.

„Wir müssen ja nicht mit Stoppuhr vorgehen. Man kann sich doch damit Zeit lassen“, sagt Wilfried Hildebrandt. Der 66-Jährige will sein Lebensende so gut es geht planen. Nicht etwa, weil er krank oder lebensmüde ist, sondern aus pragmatischen Gründen: „Ich lebe allein, möchte alles geregelt haben“, sagt er. Er hat bereits ein Krematorium besucht, sich für eine Feuerbestattung entschieden, und nun steht eben die Frage nach dem Sarg an.

Manche sind entsetzt

Die Reaktion eines seiner Taxifahrerkollegen? „Der war entsetzt. Da bin ich gerade in Rente und beschäftige mich mit dem Tod“, sagt Wilfried Hildebrandt und lacht. Er ist aber für geordnete Verhältnisse und begeistert vom Sarg Marke Eigenbau. Der könne ja bis zum Tod auch als Truhe oder Regal verwendet werden.

Kerngesund ist auch Jürgen Gansberger. Der 59 Jahre alte Hausmeister findet nicht, dass der Tod etwas Erschreckendes hat. „Er gehört eben zum Leben dazu.“ Er könnte sich vorstellen, dass seine beiden Kinder den Fertigbau-Sarg ihres Vaters bereits zu Lebzeiten bemalen. Gar nicht abwegig und durchaus üblich. Nicht nur in Verden.

Trend zum individuellen Sarg

Professor Norbert Fischer vom Institut für Volkskunde/Kulturanthropologie an der Uni Hamburg beobachtet diese Tendenz zum individuellen Sarg oder Grab seit Längerem. Kulturgeschichtlich gesehen haben die Menschen noch viel früher vor dem Tod ihr Totenhemd – oder wie die Seefahrer von Amrum oder Föhr ihren Grabstein – ausgesucht. Fischer: „Bestattung ist eine Frage des Lebensstils geworden. So wie man seine Wohnung einrichtet, dekoriert man seinen Sarg.“

„Es sind keine Grenzen gesetzt, man kann den Sarg bemalen oder bekleben. Nur man sollte alles vorher mit dem zuständigen Friedhof und Bestatter abklären“, sagt Henning Rutsatz. Denn nicht jedes Bestattungsunternehmen ist bei diesem Thema so innovativ. Ihm gehe es nicht darum, mit dem Selbstbausarg möglichst günstig eine Beerdigung zu gestalten, sondern darum, „einen Ausdruck der eigenen Trauer zu finden.“

Probeliegen zum Ende gehört dazu, aber mit Deckel traut sich niemand.