Westerland. Aufspülung läuft auf Hochtouren. Schiffe nehmen den Sand auf. Mit dicken Rohrleitungen wird er wieder an Land gepumpt.

Die Brandung trifft mit voller Wucht auf die Insel Sylt. Bei jedem Sturm kommt die bange Frage auf, wie groß die Abbrüche an den Randdünen sind, wie viel Sand weggespült wurde. Früher versuchten die Insulaner und Küstenschützer Sylt mit Buhnen und riesigen Tetrapoden aus Beton zu schützen, die beispielsweise vor Hörnum im Sand liegen. Die fortschreitende Erosion konnte durch diese festen Bauwerke aber kaum verringert werden, heißt es beim Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN).

Seit einiger Zeit setzen die Küstenschützer daher auf sogenannte Sandspülungen, um die Insel zu erhalten. Auch diesen Sommer sind die dicken Rohre an den Stränden Sylts sichtbar, aus denen ein Wasser-Sand-Gemisch schießt. „Sand ist in der Lage die von der See eingetragene Energie bestmöglich umzuwandeln, ohne dass Schäden an Bauwerken oder Stränden auftreten“, sagt Ole Martens, LKN-Projektleiter für die Sandvorspülungen auf Sylt. Feste Bauwerke, wie zum Beispiel Buhnen, lenken die Energie lediglich um und können daher zu einer lokalen Energieerhöhung führen. Die Erosionen könnten an diesen Stellen also noch verstärkt werden.

Vier Meter Sand pro Jahr werden abgetragen

Durch Westwinde und die dadurch hervorgerufene Brandung des Meeres werden nach LKN-Angaben jährlich ein bis vier Meter von der Westseite der Insel abgetragen. Der Sand verlagert sich parallel zur Küste nach Norden oder Süden. Die Insel verliert dadurch jedes Jahr rund eine Million Kubikmeter Sand. Sand, der erstmals 1972 wieder zurück aus dem Meer geholt und an die Strände gespült wurde.

Mittlerweile finden diese Sandaufspülungen jedes Jahr statt. Dafür saugt ein Spülschiff etwa acht Kilometer vor Sylt aus 15 bis 30 Meter Tiefe ein Wasser-Sand-Gemisch an Bord. Das Wasser fließt sofort ab, der Sand kommt in den Laderaum. Nach gut einer Stunde ist die Arbeit abgeschlossen, das Schiff fährt näher an die Küste heran. Etwa 1,2 Kilometer vor Sylt schwimmt ein Ende der Spülleitung im Wasser. Dieses wird aufgenommen, und mit viel Wasser wird der Sand innerhalb von nur einer Stunde an den Sylter Strand gepumpt und mit Planierraupen verteilt.

Noch bis 2030 kann das LKN aus dem sogenannten Bewilligungsfeld Westerland III Seesand für die Aufspülungen auf Sylt holen. Das etwa 55 Quadratkilometer große Gebiet ist in Teilflächen von etwa 1,1 Quadratkilometern unterteilt. Je Teilfläche können bis zu zehn Millionen Kubikmeter Sand gewonnen werden.

1,2 Millionen Kublikmeter neuer Sand

Dieses Jahr werden etwa 1,19 Millionen Kubikmeter Sand aufgespült, rund 7,3 Millionen Euro sind dafür veranschlagt. Der Sand wird überwiegend an den Stränden in List, Kampen und Hörnum aufgespült. Noch bis Mitte Oktober dürfen die Arbeiten andauern. Wo genau der Sand verteilt wird, darauf einigen sich jedes Frühjahr Vertreter von LKN, Umweltministerium, Landschaftszweckverband sowie der Sylter Gemeinden - nachdem sie in Geländewagen einmal von Hörnum im Süden der Insel bis nach List im Norden gefahren sind.

Im Frühjahr 2017 war Umweltminister Robert Habeck mit bei einer solchen Tour. Sylt spiele eine herausragende Rolle für den Küstenschutz in Schleswig-Hostein, sagte der Grünen-Politiker damals. Die Insel sichere gemeinsam mit den Halligen und den Deichen auch das Festland vor Schäden durch Sturmfluten. Die flexiblen Sandvorspülungen hätten sich bislang als der effektivste Schutz für die Sylter Westküste erwiesen.

Einheimische und Urlauber für die Maßnahme

„Die Einheimischen freuen sich über die Küstenschutzmaßnahme“, sagt Martens. Speziell auch über die jährlichen Sandaufspülungen, da diese im Wesentlichen zum Erhalt der Insel beitrügen. Aber auch die Urlauber sind überwiegend interessiert an den Maßnahmen zum Erhalt der Insel, auch wenn diese am Strand zum Teil zu Einschränkungen führen. Der LKN achte aber darauf, dass - wenn möglich - die Aufspülabschnitte in den Hauptbadestrände vor Beginn der Haupturlaubszeit mit Sand versorgt worden sind.

Ein Ende der Sandaufspülungen ist nicht abzusehen, auch ist die Durchbruchgefahr der Insel nicht vollständig gebannt. „Die Durchbruchgefahr besteht grundsätzlich immer, da statistisch gesehen Extremereignisse jederzeit stattfinden können“, sagt LKN-Mann Martens. „Doch solange ein Sandpuffer besteht, ist die Durchbruchgefahr gering.“ Und dieser Puffer ist da. „Der Erfolg der Sandaufspülungen seit 1972 besteht darin, dass seit einigen Jahren nahezu keine Substanzverluste an der Westküste aufgetreten sind.“