Luhmühlen. Bei Konzerten, Yoga und Koch-Workshops vergnügen sich Familien und Hipster in der Heide. Besucherrekord gibt Veranstaltern recht.

„Glück ist, wenn der Bass einsetzt.“ Es ist ein so einfacher Spruch, der auf einen beigefarbenen Jutebeutel im Designmarkt gedruckt ist. Und doch drückt er das Gefühl aus, das bis zum späten Sonnabend im Eventpark Luhmühlen in der Westergeller Heide herrschte.

Denn bei aller vorhergehenden Kritik, A Summer’s Tale sei ein Lifestyle-Festival mit hauptsächlich viel Rahmenprogramm, ist und bleibt es ein Musikfestival. 30 Bands bespielten Konzertbühne, Waldbühne und Zeltraum und begeisterten ihr Publikum von den späten Nachmittagen bis in die Nächte.

Mit den altgedienten Stars von Madness, New Model Army und Fury in the Slaughterhouse hatte man große, wenn auch etwas angestaubte Namen verpflichtet. Die aber bestimmten das Festival trotz oder gerade wegen ihrer mehr als 30-jährigen Bühnenerfahrung. So wurde der Auftritt der britischen Ska-Band Madness (alle Musiker wie gewohnt im schwarzen Anzug) mit Hits wie „Our House“ und „It Must Be Love“ am Freitagabend zum absoluten Höhepunkt des Festes.

Daneben gab es einige großartige Musikentdeckungen, die ebenfalls für Glücksmomente sorgten. Eine davon etwa Grizzly Bear aus Brooklyn/New York, die die Besucher mit einem zuweilen an Coldplay erinnernden, häufig in Melancholie driftenden Sound und einer magischen Licht-Inszenierung verzauberte.

13.000 Menschen besuchten A Summer’s Tale

Mit der vierten Auflage des Sommermärchens konnte der Hamburger Konzertveranstalter FKP Scorpio einen Besucherrekord verzeichnen: 13.000 Karten wurden verkauft, die meisten an Familien. Vor allem bei den Nachmittagskonzerten waren viele Kinder dabei, die auf dem Rasen oder dem Boden, der einen Sandstrand simulierte, spielten.

Was A Summer’s Tale besonders attraktiv für Familien macht, ist die Möglichkeit des Rückzugs. Wer nicht unbedingt von Musik beschallt werden, sondern lieber in Ruhe chillen, essen und trinken wollte, konnte das ebenfalls tun – und trotzdem die tolle Festivalstimmung genießen.

Helen (30) und Christian Hoops (35) aus Gödenstorf etwa waren vom ersten Festival im Jahr 2015 so begeistert, dass sie nun auch mit ihrer drei Monate alten Tochter Ava dabei waren. Den Auftritt von Fury in the Slaughterhouse erlebte die Familie aber aus sicherer Distanz und Ava mit Ohrstöpseln. „Mir reicht es, wenn ich die Musik höre“, sagt Helen Hoops. „Wir kommen aus der Nähe und treffen hier viele Freunde. Die Stimmung ist entspannt, das Festival sehr gut organisiert. Die Bands fangen immer sehr pünktlich an zu spielen.“

Neben Musik wurden auch Comedy, Lesungen und Vorträge (übers Fallschirmspringen oder wie man eine bunte Stulle schmiert) auf die Bühnen gebracht; dabei waren die Autoren Kathrin Wessling und Wladimir Kaminer sowie Tim Mälzer mit seiner Festival Kitchen.

Der „Küchenbulle“ unterhielt mit kulinarischen Anekdoten: „Während meiner Ausbildung zum Koch in London stellte sich mir abends die Frage: satt oder voll?“ Und da oft die Bierflasche das Rennen gemacht habe, reichte das Lehrlingsgeld meist nur für Ravioli aus der Dose. „Mein Tipp: Die Tomatensauce richtig heiß werden lassen, die Ravioli aber kalt dazugeben. Dann entfaltet sich das volle Aroma“, sagte Mälzer mit seiner typischen Pinneberger Kodderschnauze.

Besucher sind eins mit dem Märchenland

Balsam für die Seele gab es da schon eher vom Londoner Pop-Duo Oh Wonder: „In unseren Liedern geht es darum, mutig zu sein und nach unseren eigenen Regeln zu leben. Denn wir sind nun mal, wer wir sind. Und das ist nicht zu ändern“, sagte Sängerin Josephine bei ihrem Auftritt am Sonnabend und erntete dafür zustimmenden Applaus.

Bei den Liebesliedern der Hamburger Band Kettcar („Auch, wenn die nicht immer gut enden“, so Frontmann Marcus Wiebusch) und spätestens beim Hit „Sommer ’89“ fühlten sich die Besucher eins mit dem Ort: einem in Prosecco-auf-Eis und Jever (Fun) getauchtes Märchenland auf der Pferdekoppel mitten in der Westergellerser Heide.

Wo die Männer Glitter auf den Wangen und die Kinder poppige Kopfhörer gegen die Lautstärke tragen, die Mamas literweise Wasser aus dem Viva-con-Agua-Hahn zapfen und vegane Burger zu Süßkartoffel-Pommes (alles regional, versteht sich) essen. Natürlich zahlt das Festival voll auf die Bedürfnisse erlebnisorientierter Eltern, seiner Hauptklientel, ein.

Und klar nervt die wahnsinnig gute Energie auch manchmal, mit der sie ihren (bei 30 Grad verständlich erschöpften) Nachwuchs zum Mitfeiern motivieren und sich an ihrer Selbstverwirklichung erfreuen. Doch wem die fröhlich-friedliche Atmosphäre auf den Geist geht, der fährt eben nicht nach Westergellersen.

Northern Soul, Partner-Yoga und Woodworking

Besonders für Festival-Neulinge wie Ina Aschenbrenner (33) aus Rothenburg ist A Summer’s Tale ideal: „Ich bin durch Freunde hierhergekommen. Normalerweise gehe ich nicht zu Festivals, aber allein das vielfältige Workshop-Programm hat mich überzeugt. Nur dass man bei einigen Angeboten lange anstehen musste und dann doch keinen Eintritt bekam, hat gestört.“

Bei Northern Soul Workshop, Tai-Chi, akrobatischem Partner-Yoga, Ma­krameeschmuck-Basteln und Woodworking (früher: Holzarbeiten) konnten sich die Festivalbesucher frei entfalten.

Zum Schluss brachte die Techno-Blaskapelle Meute noch einmal das Zelt zum Kochen. Und da kamen alle, aber wirklich alle auf ihre Kosten, ob Groß oder Klein. Zappelten auf den Schultern, hüpften in die Höhe, klatschten, tanzten und lachten vor Glück.