Großenbrode. Die Ostsee neu entdecken,Teil 6: Die Strandpromenade wird komplett umgestaltet, neue Ferienwohnungen sind geplant.

Im Büro von Ubbo Voss wird eine Wand fast vollständig von einem Foto eingenommen. Es zeigt Großenbrode aus der Luft – ein sonnenbeschienenes Fleckchen Erde mit viel Grün, das fast vollständig (330 Grad!) von sattblauem Wasser umgeben ist. Ein unschlagbarer Standortvorteil.

„Das Bild zeigt die volle Schönheit dieser Halbinsel“, sagt Ubbo Voss, seit rund drei Jahren Geschäftsführer vom Großenbrode Tourismus Service. Wobei der 63-Jährige selbst gern den klassischen Begriff Kurdirektor verwendet. Und die Assoziation mit einem Fußballtrainer, der versucht, sich mit seinem Verein in der deutschen Liga zu behaupten. In der Großenbrode – um im Bild zu bleiben – zwar auf eine ansehnliche Zahl eingefleischter Fans setzen kann, bislang allerdings nicht gerade ganz oben mitgespielt hat.

Ubbo Voss, Tourismuschef von Großenbrode
Ubbo Voss, Tourismuschef von Großenbrode © Großenbrode Tourismus Service | Großenbrode Tourismus Service

Doch in letzter Zeit konnte das Ostseeheilbad an der äußersten Spitze der Lübecker Bucht, das viele vom Weg nach Fehmarn kennen, einige Treffer landen – dank eines hochmotivierten Trainerteams und einer ganz eigenen Taktik.

„Das Bild Großenbrodes wurde früher von der Marine dominiert, Tourismus hatte lange nicht die Bedeutung“, sagt Voss, der Tourismusmanagement in Berlin studiert und an der Wesermündung, auf Usedom und in New York gearbeitet hat. „Mit dem Abzug der Marine waren wir aufgefordert, den Tourismus auszubauen. In den vergangenen Jahren haben wir aber sehr gut aufgeholt.“

150.000 Gäste mehr als vor fünf Jahren

500.000 Übernachtungen (inklusive Camper) verzeichnete die Gemeinde 2017, rund 150.000 mehr als vor fünf Jahren. Die Urlauber, die mittlerweile das ganze Jahr über kommen, können (neben drei Hotels) aus rund 500 Ferienwohnungen jeder Preisklasse und unterschiedlichster Art (Häuser für Großfamilien, Gruppenunterkünfte, Reetdach- und Stelzenhäuser) wählen, die meisten in unmittelbarer Nähe zum Wasser.

Derzeit wird einer der zwei Ferienparks auf 1250 Betten ausgebaut, und seit vergangener Woche werden im Binnenhafen auch vier moderne Hausboote vermietet. An den insgesamt fünf Yachthäfen haben etwa 1100 Skipper ihre Boote liegen. Das touristische Herz, der fast weißsandige, 1,5 Kilometer lange, nur langsam ins Wasser abfallende Südstrand, wurde im vergangenen Herbst noch einmal um 15.000 Qua­dratmeter vergrößert. Und groß sind auch die Pläne für die Zukunft.

„Wir sind einer der wenigen Küstenorte, der noch Platz hat für Infrastruktur-Entwicklung“, sagt der gebürtige Ostfriese Voss. „Das gibt uns den Raum für eine Entwicklung, die den heutigen Wünschen und Ansprüchen unserer Gäste gerecht wird.“ Zentrales Vorhaben ist die Umgestaltung der kompletten Strandpromenade, die zum Jahresende starten und rund zwei Jahre dauern wird, wobei die Arbeiten zur Hauptsaison ruhen sollen.

Das Wasser ist stets zum Greifen nah

Dabei hat der Weg, der dann durch Strandroggen und Strandhafer führen soll, schon jetzt Charme – das Wasser ist stets zum Greifen nah. Zudem ist geplant, den Kurpark zu verschönern, den Seeuferweg am Binnenhafen zu verlängern, die Seebrücke schöner zu gestalten, das Haus des Gastes, das oft aus allen Nähten platzt, zu vergrößern und an der Promenade weitere Restaurants, die regionale Gerichte anbieten, anzusiedeln.

Was derzeit noch an Infrastruktur fehlt, versucht Ubbo Voss durch ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm zu kompensieren. Allein im Juli stehen Festival Maritim, Meerbühnen-Fest, Beachpartys, Open-Air-Kino und DJ-Abende an, zwei fest angestellte Animateure organisieren wie in einem Ferienclub Beachvolleyball, Bogenschießen, Basteln oder Kinderdisco. Und jeden Dienstag in der Hauptsaison lädt der Kurdirektor die neu angekommenen Gäste zum Begrüßungsabend mit Musik und Tanz. „Wir legen Wert auf Qualität und eine ganzjährige breite Auswahl an künstlerischer Vielfalt“, sagt Voss. „Hier haben wir gepunktet und erfreuen uns großer Beliebtheit.“

Spaziergänger wandeln zwischen alt und neu

Wer heute durch den Ort am Fehmarnsund spaziert, wandelt zwischen alt und neu. Im Ortskern Großenbrode-Dorf, wo die meisten der 2200 Einwohner leben, dominieren historische Gebäude, das touristische Zentrum am Südstrand wirkt eher uneinheitlich. Hinter Kurmittelhaus und kleiner Einkaufspassage mit 70er-Jahre-Charme liegen Unterhaltungsbühne mit Loungesesseln und Beachbar.

Neben ein wenig in die Jahre gekommenen Ferienappartements entsteht direkt an der Promenade die MeerVilla 54 mit exklusiv eingerichteten Ferienwohnungen. Und nach Eltern-Kind-Klinik und Seniorenresidenz kommt die Wassersportschule, die nicht nur Surfen, Segeln und Stand-up-Paddling, sondern als einzige in Deutschland auch Kitesurfen für Rollstuhlfahrer und Blinde anbietet. Das Revier wurde übrigens kürzlich von der Zeitschrift „Surf“ zum besten Flachwasserspot an der Ostsee gekürt. Und hat dabei noch einen entscheidenden Vorteil: „Andere Spots wie Fehmarn sind mittlerweile so überlaufen, dass die Leute lieber zu uns kommen“, sagt Surfschul-Leiterin Angelique Menzel. „Bei uns geht es familiär zu.“

Großenbrode will seine Authentizität behalten

Genau diesen Spagat versucht Großenbrode zu schaffen – bekannter werden, ohne die Authentizität zu verlieren. „Wir wollen nicht werden wie andere Mitbewerber, sondern unsere Eigenartigkeit, Besonderheit und Unverwechselbarkeit pflegen und ausbauen“, sagt Voss, der diesen kleinen Ort sichtlich ins Herz geschlossen hat. Großenbrode soll weiterhin das „familienfreundliche Dorf“ bleiben, in dem Urlauber neben Unterhaltung vor allem auch Ruhe und Entspannung finden. „Es geht wie im Leben auch hier um Chemie“, sagt Voss. „Die Menschen sollen uns besuchen und sagen: Das ist mein Ort und mein Strand!“ Und dann natürlich wiederkommen.

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