Heiligenhafen. Die Ostsee neu entdecken, Teil 1: Das „Beach Motel“ und andere moderne Hotels haben den Ort Heiligenhafen gewaltig verändert.

Im „Treffpunkt Fischhalle“ am Hafen lassen sich die ersten Besucher schon am späten Vormittag gebratenen Fisch mit Kartoffelsalat oder üppig belegte Fischbrötchen schmecken. Auch auf der anderen Seite des Hafenbeckens in Heiligenhafen, bei den „Genusspiraten“, herrscht bereits ordentlich Betrieb. Auf dem umgebauten Kutter werden Fischbrötchen verkauft; auf einem nagelneuen Terrassendeck kann man sie in Ruhe verspeisen.

30 gastronomische Betriebe und weitere Imbissbuden gibt es nach Angaben von Tourismuschef Manfred Wohnrade. Die Stadt könnte noch deutlich mehr Restaurantbetriebe verkraften. „Ein Gutachten hat zutage ­gebracht, dass wir hier zu wenig Gastronomie haben“, sagt der Geschäftsführer der Heiligenhafener Verkehrsbetriebe. Zu bestimmten Zeiten sei es ratsam, einen Tisch zu reservieren, wenn es ein bestimmtes Restaurant sein soll, rät er, denn es kommen viel mehr Gäste in das Ostseebad als noch vor ein paar Jahren.

„Heiligenhafen ist aus dem Tiefschlaf erwacht“

Auch die Gäste der neuen Hotels wollten Abwechslung. Zwei neue Restaurants, beide mit gehobenen Preisen, wurden kürzlich eröffnet, das „Tamatsu“ am Yachthafen, das vorwiegend Sushi und Pokébowls, aber auch gebratenen Fisch und Fleisch anbietet. Und der „Rettungsschuppen“ in einem denkmalgeschützten Rotklinkerbau am Fischereihafen. Letzteres betreibt die Fischereigenossenschaft Küstenfischer Nord eG ebenso wie den Treffpunkt Fischhalle und das Hotel Meereszeiten. „Über touristische Umsätze wollen wir uns am Markt halten“, sagt Geschäftsführer Ulrich Elsner, die Fischerei allein reiche dafür nicht mehr aus.

Die Seebrücke führt im Zickzack mehr als 400 Meter hinaus auf die Ostsee
Die Seebrücke führt im Zickzack mehr als 400 Meter hinaus auf die Ostsee © Oliver Franke | Oliver Franke

Auch Jürgen Gosch will hier ein Lokal eröffnen, sucht aber noch nach einem geeigneten Standort, nachdem er sich nicht am Yachthafen niederlassen durfte. Dietmar Rieve, Chef des Hotels Stadt Hamburg, der das denkmalgeschützte Haus Anfang des Jahres übernahm, hat die Gastronomie in seinem Haus größtenteils abgeschafft und bietet den Gästen seiner 15 Zimmer nur noch Frühstück an. „Das Jahr läuft fantastisch“, sagt Rieve zufrieden, „Heiligenhafen ist aus dem Tiefschlaf erwacht.“

Etwa 1200 neue Betten sind nach Angaben des Tourismuschefs seit 2014 dazugekommen. Und noch ist nicht Schluss. In Strandnähe, neben dem 2016 eröffneten Beach Motel gibt es noch 27.000 Quadratmeter, auf denen ein weiteres Hotel gebaut werden soll. „Dazu ist eine Therme angedacht“, sagt Wohnrade. Heiligenhafen brauche ein wetterunabhängiges Angebot. Zwei Bewerber gebe es für das Hotel, die Therme will die HVB selbst betreiben. Im Herbst wird das Projekt den politischen Gremien vorgestellt. Der Tourismuschef: „Ich kann nur die Möglichkeiten vorstellen, entscheiden tun andere.“

Derzeit gibt es rund 8200 Gästebetten, davon etwa 1000 in Hotels, wozu auch die 91 recht neuen Einheiten des Strand Resorts direkt am Yachthafen zählen, davon 28 Einzelhäuser für sechs bis acht Personen. Die meisten vermietet Wohnrades städtische Gesellschaft. Mit großem Erfolg. Außerhalb der Hochsaison kann man sie auch schon ab zwei Nächten buchen, was längst nicht überall möglich ist. Und weil alle Appartements einen Ofen und eine Sauna haben, kommen die Gäste auch gern im Herbst und Winter.

In der Bretterbude und im Beach Motel werden die Gäste geduzt

Die neuen Hotels sind aber vermutlich noch deutlich stärker für den Imagewandel Heiligenhafens verantwortlich als die schicken Ferienwohnungen. Es begann mit der Eröffnung des Hotels „Meereszeiten“, setzte sich aber fort mit der Entscheidung des Hoteliers Jens Sroka, erst in St. Peter-Ording an der Nordsee und dann auch in Heiligenhafen ein Beach Motel direkt am Strand zu bauen. „Wir sind sehr zufrieden. Es hat sich viel entwickelt“, sagt Sroka. Heiligenhafen habe aber auch viel aufzuholen. „Ich habe das als Investition in die Zukunft gesehen.“ Sein Wagemut rentiert sich schneller als erhofft.

Im Vordergrund sind die neuen Hotels zu sehen, hinten liegt der Yachthafen
Im Vordergrund sind die neuen Hotels zu sehen, hinten liegt der Yachthafen © HVBKG | HVBKG

Zwar sei die Auslastung aufs Jahr gesehen im Beach Motel an der Nordsee mit 93 Prozent noch besser, aber auch in Heiligenhafen liege sie schon bei 80 Prozent. In der benachbarten „Bretterbude“, dem preiswerteren Schwesterhotel, sogar bei 86 Prozent.

Kiter, Surfer und Skaters sind Zielgruppe in der Bretterbude

Katrin Jung ist die Direktorin der Bretterbude. Die Zielgruppe des legeren Hauses, in dem alle Gäste geduzt werden, seien Kiter, Surfer und Skater gewesen, junge Leute ab 25 Jahren, sagt sie, tatsächlich seien die meisten Gäste deutlich älter. Es gebe viel Neugier, jeder könne sich nach Belieben anziehen, keiner gucke schräg. „Das schätzen die Leute.“

Beliebt sei die Bretterbude auch bei Hundebesitzern, „weil der Hundestrand in der Nähe ist“. Die Holzfassade aus Fichte, Lärche und Douglasie ist schlicht. Es gibt nur wenige Zimmer mit Balkons. „Die Idee war: Halte Dich nicht auf Deiner Butze auf“, sagt Katrin Jung, das Meer sei ja direkt vor der Tür.

Auf der anderen Seite, im Beach Motel, wird ebenfalls ein lässiger Stil gepflegt, allerdings eine Preisklasse höher und in schicken Gebäuden, wie man sie auch an der amerikanischen Ostküste findet. Geduzt werden Gäste auch in diesem Haus. Direkt vor den beiden Hotels führt seit 2012 die gut 400 Meter lange Seebrücke hinaus auf die Ostsee.

Jahrelang ging der Tourismus rückwärts statt vorwärts

Ein moderner Spielplatz, bequeme Holzliegen und eine gläserne Lounge machen die Seebrücke besonders attraktiv. „Die Brücke war der Startschuss für die aktuelle Entwicklung“, sagt Tourismuschef Wohnrade – ein Teil des touristischen Masterplans, der den Aufschwung bringen sollte, nachdem es im Tourismus jahrelang eher rückwärts als vorwärts ging. Nach dem Aus für die Butterfahrten ging die Zahl der Betten zwischenzeitlich auf 6500 zurück, die Infrastruktur war veraltet, die Promenade unansehnlich. Viel ist inzwischen passiert. Neue Wege, moderne Toiletten, neue Beleuchtung und eben das neue mondäne Viertel am Yachthafen.

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Der alte Ferienpark am anderen Ende des Binnensees wird derzeit für 30 Millionen Euro saniert. Die Appartements in der Hochhausanlage sind vorwiegend im Privatbesitz, „viele Eigentümer nutzen die Gelegenheit und sanieren auch die Wohnungen“, sagt Wohnrade. Es ist zu spüren, dass sich die Gäste weniger mischen als früher: Heiligenhafen ist schick geworden.

Gefallen die Veränderungen auch den Einheimischen?

Die Zahl der Übernachtungen stieg 2017 um 25 Prozent auf 805.000. Dazu kommen noch Tausende von Seglern. „Mehr Gäste bedeuten mehr Ansprüche“, ist sich der gebürtige Heiligenhafener Wohnrade bewusst. Doch sein Ziel ist klar: „Wenn wir in diesem Jahr bei 900.000 Übernachtungen liegen, bin ich glücklich und zufrieden.“

Ob das auch den Einheimischen gefällt, lässt der Tourismuschef gerade in einer großen Befragung ermitteln. Das Ergebnis soll nach der Sommerpause feststehen. Und wenn ihm das nicht gefällt? „Dann werde ich Überzeugungsarbeit leisten“, sagt Wohnrade.

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