Busdorf/Schleswig. Am Sonntag berät das Unesco-Kommitee am Persischen Golf über die Zukunft von Haitabu und Danewerk. Die Chancen stehen nicht schlecht.

Claus von Carnap-Bornheim steht auf dem Gelände der Wikingerhäuser von Haithabu und macht eine raumgreifende Bewegung. Der Blick schweift über das Wasser, grüne Wiesen und Wälder sowie einen Teil der Befestigungsanlage Danewerk. „Es ist ein absoluter Glücksfall, dass es hier keine moderne Bebauung gibt.“ Denn dann, so ist der Leitende Direktor der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf überzeugt, dann würde es wohl wieder nicht klappen mit der Aufnahme der bedeutenden Wikingerstadt Haithabu und des nicht minder wichtigen Grenzwalls Danewerk in die Welterbeliste der Unesco.

Doch wenn vom Wochenende an das Welterbekomitee in Bahrain darüber berät, welches nominierte Denkmal den Unesco-Welterbestatus erhält, stehen die Chancen für die Wikingerstätten nicht schlecht. Die archäologische Grenzlandschaft habe ganz gute Chancen aufgenommen zu werden, sagte die Direktorin des Unesco-Welterbezentrums, Mechtild Rössler, jüngst bei einem Pressegespräch in Paris. Der Internationale Denkmalrat (Icomos) hat empfohlen, Danewerk und Haithabu in die Welterbeliste aufzunehmen. In der Regel werde dieser Empfehlung gefolgt, sagte von Carnap-Bornheim. „Und dann spielen wir tatsächlich World League“.

Bedeutendes archäologisches Zeugnis

Die Befestigungsanlage Danewerk und der Handelsplatz Haithabu im nördlichen Schleswig-Holstein gehören zu den bedeutendsten archäologischen Zeugnissen Nordeuropas. Überall auf den Wiesen und Feldern in der Nähe der Schlei finden sich Spuren der Wikinger. „Der Boden hier ist archäologisch kontaminiert“, sagt von Carnap-Bornheim.

Das Danewerk bestand aus Erdwällen, Mauern, Gräben und einem Sperrwerk in der Schlei. Es gilt als größtes Bodendenkmal Nordeuropas. Das Danewerk sicherte die Südgrenze des alten dänischen Reichs. Die Wälle sperrten den Zugang nach Jütland über den Heerweg und kontrollierten die Handelsroute zwischen Nord- und Ostsee über Haithabu. Die Wikingerstadt war vom 9. bis 11. Jahrhundert eines der bedeutendsten Handelszentren Nordeuropas.

Im Archäologischen Landesamt in Schleswig, nur wenige Kilometer von den archäologischen Stätten entfernt, sitzt Matthias Maluck. Der Archäologe kümmert sich seit vielen Jahren um die Anerkennung als Weltkulturerbe. Wenn er über Haithabu und vor allem das Danewerk spricht, fallen ihm viele Superlative ein. „Das Danewerk ist unvergleichlich“, findet er.

Wall mit modernsten Materialien gebaut

Natürlich sehe der überwiegend grüne Wall nicht so spektakulär aus wie die Chinesische Mauer, sagte Maluck. Aber es sei eben - nach damaligen Gesichtspunkten - mit den modernsten zur Verfügung stehenden Materialien gebaut worden. So wurde die Waldemarmauer aus Ziegelsteinen errichtet, als diese hier gerade neu waren. Und sie sei an einem strategisch unglaublich guten Ort errichtet worden. Die Wikinger konnten die Landschaft lesen und zogen natürliche Hindernisse wie Flussniederungen in ihre Planungen ein. An einer anderen Stelle, beispielsweise 50 Kilometer weiter südlich, hätte die Mauer doppelt so lang werden müssen, um den gleichen Effekt zu erzielen.

In ein paar Tagen wird Maluck nach Bahrain fliegen, um dort die Früchte seiner langjährigen Arbeit zu ernten. So hofft er zumindest. Ähnlich wie bei von Carnap-Bornheim ist er sehr zuversichtlich, will sich aber lieber nicht zu früh freuen. Denn schon einmal, vor drei Jahren hofften die Schleswiger Archäologen, auf den Welterbestatus für ihre Wikingerstätten. Doch dann die Enttäuschung: Einen internationalen Antrag gemeinsam mit Island, Dänemark, Lettland und Norwegen hatte das Welterbekomitee 2015 zur weiteren Überarbeitung zurückgewiesen.

Nach Niederlage 2015 Alleingang beschlossen

„Das war ein Tiefpunkt in meiner beruflichen Karriere“, gibt von Carnap-Bornheim, der bis Ende Dezember 2017 in Personalunion auch Leiter des Archäologischen Landesamtes war, unumwunden zu. „Wir sind als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.“

Doch die Schleswig-Holsteiner fingen sich recht schnell wieder und entschieden, den gescheiterten Antrag nicht weiter zu verfolgen und stattdessen mit einer deutschen Einzelbewerbung an den Start zu gehen. Von Carnap-Bornheim blickt jetzt gespannt nach Bahrain, wo voraussichtlich am 30. Juni über die Aufnahme von Haithabu und Danewerk auf die begehrte Liste entschieden wird. Insgesamt berät das Komitee über 31 Nominierungen, darunter zwei deutsche: Haithabu und Danewerk sowie der Naumburger Dom in Sachsen-Anhalt.

Wenn die Entscheidung für die Wikingerstätten positiv ausfällt, werde natürlich gefeiert, sagte von Carnap-Bornheim. Und zieht einen Vergleich mit dem Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Finale der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien: „Wenn dann in Bahrain der Beschluss gefallen ist, stell ich mir das so vor wie das Tor, das Götze gegen Argentinien geschossen hat.“ Mario Götze schoss damals in der Verlängerung das Siegtor und damit Deutschland zum vierten Weltmeistertitel. „Dann ist man endlich am Ziel, auf das man so lange hingearbeitet hat.“