Busdorf. Archäologen erforschen die Wikingersiedlung – und Besucher können zuschauen. Warum die Ausgrabungen 80 Jahre lang ruhten.

Fast 80 Jahre nach dem erzwungenen Ende wollen Forscher vom heutigen Montag an eine Ausgrabung in Haithabu, der mittelalterlichen Wikinger-Siedlung bei Schleswig, wieder aufnehmen. Das Besondere: Aus­grabungsleiter Sven Kalmring wird mit seinem Team unter den Augen der Besucher des Freilichtmuseums arbeiten.

Das spektakuläre Projekt des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein trägt den Namen „Die Menschen von Haithabu – Spurensuche im Gräberfeld“. Der finnische Ausgräber Helmer Salmo hatte die Stätte im Jahr 1939 mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges überstürzt schließen und verlassen müssen.

In Haithabu aßen sie Süßwasserfisch

Nur wenige Meter von den Wikinger-Häusern entfernt nimmt nun der Schleswiger Archäologe Kalmring dessen Arbeit auf einem 30 mal 15 Meter großen Areal wieder auf. Seine Mission: Er will nach Gräbern aus der Spätphase von Haithabu suchen. In der Vergangenheit wurden auf dem Feld insgesamt 319 Bestattungen entdeckt. „Wir erhoffen uns davon neue Erkenntnisse über die Spätphase Haithabus aus der Zeit zwischen 900 und 1050“, sagte Kalmring.

Die Wissenschaftler interessieren bei ihren Arbeiten an einem Gräberfeld vor allem Fragen zu den Lebens- und Nahrungsgewohnheiten der Wikinger. „Offensichtlich hat man in Haithabu vor allem Süßwasserfisch gegessen“, sagte Kalmring. Seinem Grabungsteam gehören insgesamt sechs Experten an. Sie arbeiten in den kommenden Monaten jeweils zu den Öffnungszeiten des Museums auf einem 450 Quadratmeter großen Areal, das jeweils zur Hälfte als Ausstellungsfläche dienen wird.

15 neue Gräber?

In dem Ausgrabungszelt tragen er und seine Kollegen stets Schutzanzüge, greifen zu Spaten, Schaufel und Kelle, suchen nach Spuren jener Menschen, die vor rund 1000 Jahren am Haddebyer Noor lebten.

Von heute an kann der Wissenschaftler Kalmring als einziger Archäologe von sich behaupten, sowohl an der bekannten schwedischen Wikinger-Stätte Birka als auch in Haithabu ausgegraben zu haben. Er glaubt daran, bis zu 15 neue Gräber zu finden und schließlich mit modernsten Methoden auszuwerten. „Ich hoffe auf Hinweise darauf, wie sich im elften Jahrhundert der Übergang von Haithabu zur neuen Stadt Schleswig am anderen Ufer der Schlei abgespielt hat“, sagt der Forscher, der für seine Ausgrabungen ein halbes Jahr Zeit hat – bis zum 29. September. Im zehnten Jahrhundert erlebte Haithabu seine Blütezeit mit mindestens 1500 Einwohnern.

Mit der öffentlichen Ausgrabung macht das Archäologische Landes­museum aus der Not eine Tugend, ist doch das Ausstellungsgebäude von Haithabu wegen dringend notwendiger Modernisierungsarbeiten noch bis zum April 2018 geschlossen. „Schon während der letzten Ausgrabungen 2004 bis 2008 sind wir von Besuchern immer wieder gefragt worden, ob es möglich sei, die Grabungsstätte zu besuchen“, sagt Prof. Dr. Claus von Carnap-Bornheim, leitender Direktor der Landesmuseen in Schleswig-Holstein und zugleich Schleswig-Holsteins Landesarchäologe. „Damals waren wir darauf nicht ein­gestellt.“ Inzwischen aber haben die Archäologen und die Landesmuseen ein Konzept entwickelt: Das Zelt, unter dem die Archäologen ein Gräberfeld aus der Spätphase Haithabus Stück für Stück freilegen wollen, ist in zwei Bereiche aufgeteilt. In den kommenden Wochen wird im östlichen Teil gegraben – und der westliche Teil ist zugänglich für die Öffentlichkeit.

Archäologen über die Schulter schauen

Die Arbeitszeiten der Archäologen richten sich nach den Öffnungszeiten der benachbarten Wikinger-Häuser: täglich von 9 bis 17 Uhr. An den meisten Wochenenden haben die Ausgräber frei. Das Zelt ist dann trotzdem für die Besucher geöffnet. Denn im riesigen Grabungszelt sind nicht nur die Aktivitäten der Kalmring-Mannschaft zu erleben, sondern auch eine Posterausstellung zur Grabungsgeschichte und zwei filmische Zeitreisen des NDR.

Die Aktivitäten des Wikinger-Museums
Haithabu im Internet unter www.haithabu.de. Auf Facebook informiert der Archäologe unter dem Stichwort Ausgrabung Haithabu 2017
fortlaufend über die Fortschritte seiner Arbeit.