Hannover . Zu über 90 Prozent importiert Deutschland das Material für Grabsteine aus dem Ausland. Darunter sind auch Länder wie Indien.

Die deutsche Naturstein-Branche steht unter Druck. Kinder meißeln in Indien oder Vietnam Grabsteine für Deutschland, lautet der schlimme Verdacht, der zunehmend mehr Länderparlamente beschäftigt. Nach Hessen, Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern wollen nun auch die Niedersachsen eine entsprechende Reform des Friedhofsgesetzes auf den Weg bringen. Der Landtag in Hannover will eine Novelle des Bestattungsgesetzes verabschieden, die es Kommunen ermöglicht, per Friedhofssatzung Grabsteine aus Kinderarbeit zu verbieten.

"Fauler Kompromiss"

Am Donnerstag führt der zuständige Sozialausschuss eine Anhörung zu dem Entwurf durch. „In einigen Ländern und Regionen werden für die Produktion von Natursteinen zu unserem großen Bedauern noch immer Kinder eingesetzt; Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht vor, dass Kommunen in den eigenen Friedhofssatzungen die Verwendung von Grabsteinen verbieten können, die aus Gebieten kommen, in denen das geschieht“, betont die sozialpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Anja Piel. Ihr geht der Entwurf aber nicht weit genug. Sie fordert: „Aber wenn die Sozialministerin das haarsträubende Problem der Kinderarbeit erkennt, warum verbietet sie die Verwendung solcher Grabsteine nicht einfach für ganz Niedersachsen? Andere Länder tun das auch.“ Die Kann-Regelung sei ein fauler Kompromiss.

Positive Resonanz

Schon im vergangenen Sommer hatte es zu dem Thema eine Anhörung gegeben. Der erste Gesetzentwurf war noch im Juli 2017 von der alten rot-grünen Landesregierung eingebracht worden war. Bei der Anhörung hatten sich mehrere Institutionen positiv zu der geplanten Regelung bezüglich der Kinderarbeit geäußert, darunter die Kirchen. „Ob Pflastersteine, Steine zur Gartengestaltung, Grabmäler oder Einfassungen für Gräber – die Gefahr, dass nach Deutschland importierter Naturstein durch Kinderhände gewonnen oder bearbeitet wurde, ist real“, schreibt der Düsseldorfer Professor Walter Eberlei, der seine Stellungnahme für die Hilfsorganisation Terre des Hommes gerade als Buch herausbrachte.

Erhebliche Intransparenz

Auch wenn er zu dem Schluss kommt, dass weltweit wohl ein Rückgang der Kinderarbeit in Steinbrüchen angenommen werden muss, gibt er zu, dass es hier kaum präzise Zahlen gibt. „Der genaue Blick auf die Produktion und den Handel dieser Waren ist schwierig, der Sektor ist von erheblicher Intransparenz geprägt“, betont er. Menschenrechtsorganisationen berichteten jedoch wiederholt über Fälle, bei denen Kinder unter schlimmsten Bedingungen in Steinbrüchen arbeiteten. Sie schätzen die Fälle auf Hunderttausende. Der Verband für Gedenkkultur (VfG) – dem rund 100 Steinmetzbetiebe, zwei Innungen und rund 50 mittelständische Händler/Produzenten, Bronzehersteller und Transportunternehmen aus dem In- und Ausland angehören – sieht sich dagegen zu Unrecht an den Pranger gestellt und will mit der Kampagne „Fairer Steinmetz“ gegensteuern.

Dabei verpflichten sich die Hersteller, ausschließlich heimisches, europäisches oder zertifiziertes Material zu verarbeiten oder zu handeln. Das Label soll auch Druck auf diejenigen ausüben, die in Deutschland Material aus unklarer Herkunft anbieten. „Der Naturstein für die Grabsteine in Deutschland stammt zu über 90 Prozent aus dem Ausland, darunter Nordeuropa, Portugal, Brasilien, aber auch China und Indien“, sagt VfG-Sprecher Harald Lachmann. Das Bild von Kindern, die Grabsteine hämmern, stamme jedoch – etwa beim weltweit größten Naturstein-Exportland Indien – aus einer gestrigen Vorstellung und sei seit Jahren nicht mehr Realität. Kinderarbeit bei der Grabsteinindustrie sei bisher nirgendwo nachgewiesen. Es gebe zudem Zertifizierungsinstitute, die in den Herkunftsländern der Steine die Produktion nach sozialen Kriterien überprüften.