Stapelfeld. Hamburg und Schleswig-Holstein planen erstes grenzübergreifendes Gewerbegebiet bei Stapelfeld – in der Stadt werden Flächen knapp.
Hochrangige Vertreter aus Politik und Verwaltung, darunter Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP), Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung, Dorothee Stapelfeldt (SPD), Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) und Stormarns Landrat Henning Görtz, haben bei einem symbolischen Akt die Schaffung des ersten gemeinsamen Gewerbegebietes der beiden Bundesländer vorangetrieben. Sie unterschrieben im historischen Ambiente der Kratzmannschen Kate in Stapelfeld einen Letter of Intent, das ist eine Absichtserklärung ohne bindenden Charakter.
Kommentar: Metropolregion, ziemlich klein
Das interkommunale Gewerbegebiet soll im Anschluss an das bereits bestehende mit dem Namen Merkurpark in Hamburg-Rahlstedt entstehen. Es hat eine Fläche von 39,5 Hektar, 26,5 davon liegen in der Hansestadt und 13 in Schleswig-Holstein im Kreis Stormarn. Der Abschnitt südlich der Stapelfelder Straße in Hamburg soll Victoriapark heißen, der Bereich in Stapelfeld Minervapark. Dieser erstreckt sich auch auf das Gebiet der Millionen-Metropole. Angedacht ist, dass die Bagger dort in 2018 anrollen.
Die beiden Bundesländer haben sich zu diesem Projekt entschlossen, weil es in Hamburg kaum Flächen für Gewerbegebietserweiterungen gibt und Schleswig-Holstein noch über entsprechende Grundstücke an seinen Achsen verfügt. Der ausgewählte Standort ist auch prädestiniert, weil Stapelfeld die Autobahn-1-Anschlussstelle hat und die Region von einer sehr guten Anbindung nach Skandinavien profitiert. Die Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS), deren Aufgabe die Ansiedlung von Gewerbe im Kreis ist, und die Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) hatten Ende 2014 bei einem Berliner Büro ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das Areal wurde als geeignet eingestuft.
Beispiel soll Schule machen
„Die gemeinsame Ausweisung von Gewerbegebieten ist ein guter und zukunftsweisender Weg“, sagte Bernd Buchholz. Es sei wichtig, dabei nicht eifersüchtig auf Landesgrenzen zu schauen. „Und ich bin sicher, dass dieses Beispiel Schule machen wird.“ Voll des Lobes war auch Frank Horch. Der Wirtschaftssenator: „Dieses Gewerbegebiet erfüllt mich mit Stolz. Es ist eine Erfolgsgeschichte interkommunaler Zusammenarbeit.“ Landrat Henning Görtz betonte die hohe Nachfrage von Firmen, die auf der Suche nach Grundstücken seien. Seine Prognose: „Minerva- und Victoriapark werden schon sehr bald als attraktive Standorte von sich reden machen.“
„Die Absichtserklärung ist eine Art Eheversprechen“, sagt WAS-Geschäftsführer Detlev Hinselmann. Man habe schon einen unteren siebenstelligen Betrag in Planung und Grunderwerb investiert. Vorgesehen sei ein Branchenmix aus Gewerbe und Dienstleistungen; Einzelhandel und Logistik solle es auf beiden Seiten nicht geben. Hamburg und Schleswig-Holstein erheben auf ihrem Grund jeweils die Gewerbesteuern; einheitliche Sätze gibt es nicht. Der Hebesatz in Stapelfeld liegt bei 300 Prozentpunkten, in Hamburg beträgt er 470. Unternehmen, die in Stormarn ansiedeln, zahlen also weniger als in der Hansestadt.
Stapelfelder fürchten zu viel Verkehr
Einen Haken hat die Sache noch. Um das Pilotprojekt zu verwirklichen, muss auch Stapelfeld mitspielen und den Bebauungsplan 16 absegnen, der Gewerbegebietsausweisung beinhaltet. „Wir haben noch ein paar Brocken aus dem Weg zu räumen“, sagte der ehrenamtliche Bürgermeister Jürgen Westphal (Wählergemeinschaft Stapelfeld) und spielt damit auf die Verkehrssituation an. Zudem ist ein Entwicklungskonzept für den Grünzug Große Heide für den 1700-Einwohner-Ort essenziell.
Die Kommunalpolitiker wünschen sich unter anderem einen vierspurigen Ausbau der Landesstraße 222 von der A-1-Anschlussstelle über das gesamte Gemeindegebiet. Laut Hinselmann sind ab der Autobahn drei Spuren, im weiteren Verlauf dann drei oder vier vorgesehen. Auf dem letzten Teilstück solle es bei zwei bleiben. Die große Variante hatte Stapelfeld bereits im März 2016 in einem offenen Brief an die Landesregierung vorgeschlagen. Darauf wurde laut Westphal seinerzeit nicht eingegangen, was für Verärgerung bei den örtlichen Politikern sorgte.
Sie fürchten, dass die Ortsdurchfahrt als Alternative genutzt wird und damit zu viel Verkehr durch Stapelfeld fließt. Vor einem halben Jahr waren sich alle Parteien einig, nicht von den Forderungen abzulassen. Jetzt sagt Westphal: „Ich hoffe, dass wir etwas Wegweisendes machen können.“ Klingt nach Kompromissbereitschaft. Was noch dafür spricht: Am 5. Oktober hatte die schuldenfreie Gemeinde den Vorentwurfsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst.
Schleichverkehr durch Stapelfeld verhindern
Um Schleichverkehr durch Stapelfeld zu vermeiden, haben die Gutachter ein Bündel an Vorschlägen präsentiert: zum Beispiel Tempo 30 im Ort, eine Fahrbahnverschwenkung und auch ein Durchfahrverbot für Lastwagen. Geplant ist zudem, Geld in die Landschaftsgestaltung zu investieren. So sollen südlich und östlich des Gewerbegebietes Geh- und Reitwege geschaffen sowie Bäume gepflanzt werden.
Der Letter of Intent sei ein wunderbarer Schritt nach vorne, sagte Wirtschaftsminister Buchholz. Die Eintracht der Politiker aus beiden Ländern bei diesem Projekt erinnert auch an jene Zeiten, als noch von einem Nordstaat die Rede war. In Hamburg wurde damit geworben, dass er die wachsenden Probleme der Hansestadt mit seinen Nachbargemeinden lösen könnte.