Sylt . Arbeitnehmervertreter zahlreicher Firmen erheben scharfe Vorwürfe. Die Fahrt von und zur Arbeit sei für viele eine Katastrophe.

Für Touristen, aber vor allem für Arbeitnehmer auf der Insel sind die Probleme auf der Bahnstrecke nach Sylt inzwischen ein alltägliches Ärgernis. Bereits ein Jahr leben sie mit den chaotischen Verhältnissen – wollen diese aber nun nicht länger hinnehmen.

1600 Beschäftigte vertreten

In einem offenen Brief an die Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein machen die Personal- und Betriebsräte zahlreicher Firmen der Insel ihrem Ärger über das „Nahverkehrsdesaster“ auf der Marschbahnstrecke Luft. Das Schreiben erreichte Ministerpräsident Daniel Günther am Mittwoch. Schon Ende Oktober hatten Protestler in Klanxbüll Züge blockiert, um auf die Lage aufmerksam zu machen.

Die Arbeitnehmer erheben in dem Brief an die Staatskanzlei scharfe Vorwürfe. Aufgesetzt haben das Schreiben, das Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) gestern erhalten hat, Personal- und Betriebsräte einiger der größten Arbeitgeber der Insel, die etwa 1600 Beschäftigte vertreten.

"Hiermit wenden wir uns an Sie mit der dringenden Bitte, unsere Kolleginnen und Kollegen bei der Behebung des derzeitigen „Nahverkehrsdesasters“ der Marschbahn zu unterstützen", schreiben die Arbeitnehmervertreter. Die Fahrt von und zur Arbeit für alle Beteiligten sei eine einzige Katastrophe.

In dem Brief erläutern sie ihre Probleme: "Unsere Kolleginnen und Kollegen haben sehr oft einen enormen Zeitverlust zu beklagen. Außerdem haben sie erhebliche Schwierigkeiten, die Versorgung ihrer Kinder sicherzustellen, weil sie oft nicht wissen, wann sie diese aus den Kitas abholen können. Ebenso haben unsere Kinder Probleme, rechtzeitig zur Schule auf das Festland zu kommen. Unsere Pendler können sehr oft ihre Freizeit gar nicht planen, weil sie ihre Stunden, die sie morgens unverschuldet zu spät kommen, selbstverständlich abends nachholen müssen – abgesehen davon, dass sie sowieso nicht wissen, wann sie nach Hause kommen.

Zehn Stunden Arbeit

Besondere Probleme bereiten unseren Kolleginnen und Kollegen in Krankenhäusern und in der Altenpflege, dass ihre Ablösung vor und nach der Nachtschicht nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheint und sie deswegen Mehrarbeit ableisten müssen. Diese Überstunden führen oft dazu, dass die Kolleginnen und Kollegen länger als zehn Stunden arbeiten. Dadurch verstoßen sie gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes oder können durch die Überstunden die gesetzlich vorgesehene Ruhezeit von zehn Stunden zwischen den Schichten nicht einhalten.

Es ist für uns nicht länger hinnehmbar, dass unsere Kolleginnen und Kollegen aufgrund der Zustände im Bahnverkehr immer wieder gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen müssen. Dasselbe gilt für die Kolleginnen und Kollegen des ÖPNV, die Schwierigkeiten mit ihren Lenk- und Ruhezeiten bekommen können. Alle unsere Betriebe haben mittlerweile enorme Probleme bei der Personalgewinnung, weil sich viele Kolleginnen und Kollegen gar nicht erst auf Sylt bewerben.

Dichtes Gedränge

Und ein Teil der Mitarbeiter/innen, die bereits hier einer Arbeit auf der Insel nachgehen, bewerben sich mittlerweile um Arbeitsstellen auf dem Festland. Mittlerweile ist es leider so, dass wir uns als wirtschaftlich starke Region und Jobmotor des Kreises abgehängt fühlen. Selbst wenn die Züge pünktlich fahren, sind diese zu den Stoßzeiten des Tages viel zu kurz, um die Tausende von Pendlern aufzunehmen, so dass diese dicht gedrängt in den Gängen stehen müssen.

Im Moment wurde wieder behauptet, dass ab jetzt alles funktionieren soll. Aber wir würden gerne wissen, wie in Zukunft mit solchen Geschehnissen umgegangen werden soll und welche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten wir bezüglich der Beförderungspflicht oder gegebenenfalls einer Entschädigung haben. Wir würden uns freuen, wenn wir in den nächsten vier Wochen etwas von Ihnen hören würden".

Hoffnung auf Besserung?

Am Mittwoch hatte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz noch etwas Hoffnung gemacht auf eine baldige Besserung der Situation: Derzeit seien 13 von 15 Zügen mit reparierten Kupplungen wieder im Einsatz, teilte Buchholz mit. Die noch fehlenden zwei Züge sollen an diesem Montag folgen, wie der FDP-Politiker nach Ministeriumsangaben im Wirtschaftsausschuss des Landtages sagte. Allerdings sei wegen der Probleme der DB Regio mit ihren Loks weiterhin Geduld gefragt. Sicherheit gehe aber vor.