Sylt. Hunderte blockieren am Bahnhof Klanxbüll Züge von Hamburg auf die Insel. Kreis Nordfriesland kündigt Lösung der Probleme an.
Rund zwei Stunden ging am Mittwochmorgen nichts mehr auf der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Sylt. Aus Protest gegen die anhaltenden Zugausfälle und Verspätungen hatten Pendler den Zug um 7.12 Uhr an der Weiterfahrt gehindert. Der nachfolgende Zug wurde ebenfalls blockiert. So kam es in beide Richtungen zu Verspätungen von rund zwei Stunden. „Wir sind müde, kaputt und durch. Mit der Blockade wollen wir Druck machen“, sagte Achim Bonnichsen von der Pendlerinitiative, die in einer Facebook-Gruppe organisiert ist. „Viele wissen ja gar nicht, an was für einer Nabelschnur wir hier hängen.“
Zwischen 600 bis 800 Pendler hatten sich Bonnichsen zufolge an der Aktion auf dem kleinen Bahnhof Klanxbüll beteiligt. „Wir haben das wochenlang vorbereitet.“ Die Belastung sei inzwischen so hoch, dass einige Pendler aufgegeben und sich Jobs auf dem Festland gesucht hätten. „Ein anderer aus der Gruppe ist auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben.“
Dem Krisengespräch in Niebüll folgten weitere
Hintergrund der Problematik: Vergangenes Jahr hatte die Deutsche Bahn die Strecke von der Nord-Ostsee-Bahn (NOB) übernommen. Allerdings gab es Probleme: Alle 90 der übernommenen Waggons mussten wegen Kupplungsschäden stillgelegt werden. Die Deutsche Bahn setzte daraufhin bundesweit zusammengeliehene, teils jahrzehntealte Ersatzzüge ein. Bei einem Bahngipfel in Niebüll im März dieses Jahr mit verantwortlichen Vertretern von NAH.SH, DB Regio, Politik, Unternehmen und Pendlern zeigten diese Bilder der Ersatzwaggons: ausgelaufene Toiletten, herausgerissene Sitze, Müll, eine während der Fahrt geöffnete Zugtür.
Der damalige Verkehrsstaatssekretär Frank Nägele (SPD) gab sich entsetzt über die Zustände und räumte ein, dafür die politische Verantwortung zu tragen. Dem Krisengespräch in Niebüll folgten weitere, unter anderem auf Sylt mit dem ehemaligen Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) sowie dessen Nachfolger Bernd Buchholz (FDP). „Nach jedem der Gespräche war es anschließend kurzzeitig besser. Allerdings hat das nie lange angehalten, das wird nie verlässlich. Inzwischen dauert das Ersatzkonzept schon 348 Tage“, klagte Pendler Achim Bonnichsen.
Jede Lok muss sich einer Rollkur unterziehen
Obwohl inzwischen zwölf der 15 ehemaligen NOB-Züge wieder im Einsatz sind, läuft es nicht rund auf der Bahnstrecke. „Auch die 15 neuen Loks der Baureihe 245 machen erhebliche Probleme, fallen immer wieder aus“, sagte Bonnichsen. In den vergangenen Wochen habe es bis zu 14 Zugausfälle pro Tag gegeben. Am Dienstagabend hatte es daher auf dem Festland ein erneutes Arbeitsgespräch zwischen Pendlervertretern sowie Verantwortlichen von Bahn und Politik gegeben. „Da gab es die erneute Hiobsbotschaft, dass die Loks repariert werden müssen und sich das bis zum September 2018 hinziehen kann“, sagte Achim Bonnichsen.
Jede Lok muss sich einer sogenannten Rollkur unterziehen, eine Reparatur, die sich über Wochen hinzieht. Daraufhin hätten sich die Pendler entschlossen zu handeln und tags darauf Türen und Gleise in Klanxbüll blockiert. „Letztlich hatten wir schon vor einiger Zeit einen Flashmob geplant“, so der Pendler. Allerdings war die Aktion bisher nicht zustande gekommen, weil nicht genügend Pendler zusammenkamen.
Sylter Unternehmer unterstützt die Aktion
Unterstützung bekamen die Pendler unter anderem von dem Vorsitzenden der Sylter Unternehmer, Karl Max Hellner. Der Inhaber eines Westerländer Modehauses war am Mittwochmorgen nach Klanxbüll gekommen, um sich seinen Mitarbeitern vom Festland gegenüber solidarisch zu zeigen. „Die Probleme auf der Strecke sind für die Pendler stressig und nervig. Auch für die Gäste ist das anstrengend. Von daher kann man eine solche Aktion nur unterstützen“, findet der Unternehmer. Er verspreche sich von der Blockade vor allem, dass einige wachgerüttelt werden. „Ich denke, das haben wir erreicht.“ Das Problem auf der Bahnstrecke seien aber nicht nur defekte Waggons und Loks. „Die Strecke ist einfach zu stark befahren. Sie hätte schon längst durchgängig zweigleisig ausgebaut werden müssen“, sagt Hellner.
Marschbahnkrise sollte Mitte November beendet sein
Auch der stellvertretende Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Carsten Kerkamm, zeigt Verständnis für die Pendler. „Natürlich sind Mitarbeiter der Gemeinde am Mittwochmorgen zwei Stunden zu spät zur Arbeit gekommen. Deren Job mussten dann Kollegen übernehmen. Aber da muss man solidarisch sein. Ich finde es wichtig, dass die Insel Stärke zeigt“, so Kerkamm.
Indes kündigte der Kreis Nordfriesland am Mittwoch in einer Pressemitteilung an, dass die Marschbahnkrise Mitte November beendet sein sollte: Die 90 reparierten Waggons würden dann wieder fahren. Die zuständigen Unternehmen hätten zudem drei Loks mehr als geplant im Einsatz, um die Lücken durch die vierwöchige Rollkur zu schließen, der sich jede Lok unterziehen muss.