Hannover. Das niedersächsische TV-Duell war alles andere als eine steife Veranstaltung. Im VW-Streit hagelte es Beleidigungen.
„Ich habe auf diesen Abend gewartet“, sagt Bernd Althusmann etwas unvermittelt. Da ist er schon mittendrin im TV-Duellmit Stephan Weil. In einem Duell, das recht zügig zu einem hitzigen Kampf um politische Ideen, um Stimmungen und Stimmen wird. Althusmann, Spitzenkandidat der CDU bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag, ist Niedersachsens Martin Schulz. Der 50-Jährige hat mit dem gleichen Problem zu kämpfen, das auch dem SPD-Kanzlerkandidaten Schulz im Bundestagswahlkampf zu schaffen machte. Beide kommen aus der Opposition, beide haben keinen Sitz im jeweiligen Parlament. Beide müssen um mediale Aufmerksamkeit kämpfen.
Für Althusmann war das TV-Duell am Dienstag, das einzige in diesem Wahlkampf, deshalb die letzte Chance, in direkter Gegenrede zum niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) einem größeren Fernsehpublikum zu zeigen, dass er der richtige Mann für den Posten an der Spitze einer Landesregierung ist. Ja, Althusmann hat diesen Abend im NDR-Fernsehstudio in Hannover herbeigesehnt – und er greift an.
Leitartikel: So geht ein TV-Duell
Stephan Weil (58) hat zuletzt manches einstecken müssen. Der plötzliche Wechsel der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU hat seiner rot-grünen Koalition die Mehrheit geraubt und ihn in vorgezogene Neuwahlen gezwungen. Schon zuvor hatten die Christdemokraten im niedersächsischen Landtag nichts unversucht gelassen, um der Regierung ans Zeug zu flicken. „Die CDU hat Opposition mit der Dachlatte gemacht“, sagt Weil – und greift an.
Aus dieser Motivlage heraus entsteht am Dienstagabend ein Duell, das deutlich sehenswerter ist als die steife Veranstaltung vor der Bundestagswahl, bei der eine Riege von sich gegenseitig übertrumpfen wollenden TV-Moderatoren an zwei Politiker gescheitert waren, die in vielen Punkten einig zu sein schienen.
Die erste Attacke fährt Weil
Die erste Attacke fährt Weil – begünstigt von Moderator Andreas Cichowicz, der die Sendung mit einer Frage zum Fall „Twesten“ beginnt. „So etwas macht man nicht“, blafft Weil. „Das hängt der CDU wie ein Mühlstein am Hals.“ Althusmann hält dagegen und wirft Weil „Versagen“ vor: Er habe schlicht nicht mitbekommen, dass sich Twesten in der rot-grünen Koalition unwohl gefühlt habe. Bei der Koalitionsfrage attackiert Althusmann. Denn Weil blieb bei seiner Linie, die Linke zwar bekämpfen zu wollen, aber eine Koalition mit ihr auch nicht ausschließen zu wollen. „Sie eiern herum“, sagt der CDU-Mann. „Ich finde das unredlich. Ein Linksbündnis heißt: keine Autobahnen.“
Weil ist darauf offenbar vorbereitet – und hält nun Althusmann vor, dass er selbst in seinen Prognosen zum Wahlausgang davon ausgehe, dass es die Linke nicht in den Landtag schaffen werde. Fazit des SPD-Kandidaten: Althusmann arbeite mit einem Angstszenario, an das er selbst nicht glaube. Aber mit wem würde die CDU koalieren? Und mit wem auf keinen Fall? Diese Frage des Moderators Cichowicz beantwortet Althusmann zunächst mit dem etwas pampigen Satz „Ich sage überhaupt nichts zu Koalitionen.“ Immerhin folgt dann noch die Aussage, die CDU werde weder mit der Linkspartei noch mit der AfD sprechen.
Hat Weil „ohne Sinn und Verstand“ agiert?
Zur Sache geht es auch beim Thema VW. Niedersachsen ist an dem Konzern zu 20 Prozent beteiligt, Weil ist Mitglied im VW-Aufsichtsrat. Der CDU-Kandidat wirft dem Ministerpräsidenten vor, „ohne Sinn und Verstand“ gehandelt zu haben. Weil habe diejenigen bei VW, die für den Dieselskandal verantwortlich seien, nicht zur Rechenschaft gezogen. „Herr Ministerpräsident, Sie waren die verlängerte Werkbank des VW-Aufsichtsrats“, sagt er.
Weil wird persönlich und wirkt arrogant, als er entgegnet: „Ich glaube, Sie überblicken wirklich nicht, wovon Sie reden. Das mache ich Ihnen aber auch nicht zum Vorwurf, das ist nicht leicht zu verstehen.“ VW sei fürs Land zu wichtig, um den Konzern zum „Spielball eines Wahlkampfes“ zu machen. Beim Thema „Flüchtlinge“ sind die Energien dann schon verpufft. Weil lobt formelhaft die „Welle der Hilfsbereitschaft“ für Flüchtlinge in Niedersachsen – und betont, dass er dem Kurs von Kanzlerin Merkel von Anfang an kritisch gegenübergestanden habe. Althusmann spricht formelhaft vom „konsequenten Abschieben“. Er wirkt jetzt erschöpft, spricht immer wieder von „Rahmenbedingungen“, die stimmen müssten.
Weil punktet mit einem schlichten Satz
Dann sollen die beiden Politiker ein Schlusswort sprechen. Stephan Weil verhaspelt sich ein wenig, punktet aber mit einem schlichten Satz: „Ich habe sehr gern für Niedersachsen gearbeitet.“ Bernd Althusmann zwinkert nervös, verliert sich in Details und kommt auch hier nicht an dem Wort „Rahmenbedingungen“ vorbei. Am Ende hat keiner der Bewerber klar besser als der andere abgeschnitten. Unwahrscheinlich, dass das Duell dem einen oder anderen einen Vorteil für die Wahl verschafft hat. Aber immerhin – es war ein Duell mit niedersächsischen Ecken und Kanten.