Hamburg. Radrennen bedeuten viel Belastung, aber wenig Renommee. Hamburg will die Route nun künftig durch Schleswig-Holstein führen.

Im Kreistag im niedersächsischen Nenndorf, kurz vor den Toren Hamburgs, beließ es Landrat Rainer Rempe bei einer kurzen Information. Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein habe „in Aussicht gestellt, sich bei den Großveranstaltungen Ironman und Cyclassics künftig nach Schleswig-Holsteins zu orientieren“. Damit würde der Kreis Harburg nicht oder nicht mehr im bisherigen Umfang tangiert. Wenige Sätze nur, aber aus Sicht des Kreises im Süden der Hansestadt eine gute Nachricht.

Die neue Lage macht ein Brief von Holstein an Rempe deutlich, der dem Abendblatt vorliegt. Darin heißt es: „Die Differenzen mit den Bürgermeistern beziehungsweise den freiwilligen Feuerwehren bezüglich der Streckenabsicherung konnten wir im Frühjahr leider nicht ausräumen. Vor diesem Hintergrund haben sich die Hamburger Behörde für Inneres und Sport und das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein darauf verständigt zu prüfen, ob und wie künftig Langdistanzwettbewerbe verstärkt über das Gebiet Schleswig-Holsteins führen können.“

Länderübergreifende Regierungssitzung

Die Übereinkunft geht auf eine länderübergreifende Regierungssitzung in Brunsbüttel zurück, bestätigte Holstein dem Abendblatt. Dabei war das Welttour-Radrennen Cyclassics als gemeinsames Sport-Event der beiden Bundesländer im Gespräch. Damals jedoch hieß der schleswig-holsteinische Innenminister Stefan Studt (SPD). Hamburgs Sportstaatsrat geht jedoch weiter davon aus, dass auch Nachfolger Hans-Joachim Grote (CDU) die „getroffene Vereinbarung auf Arbeitsebene grundsätzlich begrüßt“, wie er an Rempe schreibt.

„Vor zwei Jahren“, sagt der Hamburger SPD-Politiker, „sind wir bereits bei den Cyclassics in Kiel von einer Fähre gestartet.“ Das war während der Olympiabewerbung beider Städte für die Sommerspiele 2024. Zwar gebe es jetzt noch keine konkrete Planung für eine neue Strecke, Interesse an der Veranstaltung sei aber vorhanden. Immerhin: Für die Cyclassics am 19. August 2018 und den Ironman am 29. Juli 2018 habe Veranstalter Ironman Germany bereits Strecken im Kreis Pinneberg beantragt, sagte ein Sprecher des Kieler Verkehrsministeriums dem Abendblatt. Holstein will nun die Resonanz aus dem Norden abwarten. „Wir haben aber Verständnis für die knifflige Lage im Kreis Harburg.“ Sehr nett formuliert.

Kleineren Orte profitieren wenig

Im Süden Hamburgs haben weder der Landrat, die Bürgermeister noch die Feuerwehr Lust auf weitere Straßensperrungen beim Radrennen und beim Ironman. „Auf die Aktionen haben sich nie alle Feuerwehrleute gefreut. Dass im August Ironman und Cyclassics auf zwei aufein­anderfolgende Sonntage gelegt wurden, hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagt Kreisbrandmeister Volker Bellmann.

Die Folge war, dass Bellmann nach 20 Jahren seine Leute nicht mehr als günstige Hilfskräfte ausrücken ließ. Ohnehin hätten es die Brandschützer immer häufiger mit aggressiven, genervten Autofahrern zu tun gehabt. Und das „ohne rechtliche Handhabe“, wie Bellmann sagt. Zuletzt waren 350 Feuerwehrleute im Einsatz. Statt der Freiwilligen musste der Veranstalter auf einen privaten Sicherheitsdienst zurückgreifen. Dadurch sollen ihm Kosten von 35.000 Euro pro Veranstaltung entstanden sein.

Politik steht hinter Entscheidung

Die Politik steht hinter der Entscheidung. „Sportliche Großveranstaltungen dieser Art stellen für unsere Region, für Anwohner und den Wochenendverkehr eine große Belastung dar. Darum habe ich viel Verständnis dafür, dass unsere freiwilligen Feuerwehren nicht mehr bereit sind, die Streckenabsicherung für kommerzielle Sportevents in ihrer Freizeit ehrenamtlich zu übernehmen“, sagt Landrat Rempe. Schließlich gehöre dies nicht zu deren Kernaufgaben. „Wenn Hamburg für künftige Sportgroßveranstaltungen andere Lösungen prüft, kann ich das im Interesse unserer Bürger nur begrüßen.“

„Hamburg hat das Renommee und profitiert von den Zuschauern an Start und Ziel, dem Kreis bleiben die Belastungen“, resümiert auch Rosengartens Bürgermeister Dirk Seidler. Betriebe wie der Wildpark Schwarze Berge und Gasthäuser seien während der Rennen kaum erreichbar, zum Teil lägen Feuerwehrgerätehäuser an der Strecke, Wohnhäuser könnten nicht mehr angefahren werden. Zudem lohnten sich die Veranstaltungen nicht für die Orte, weil kaum mehr über die Region berichtet werde. Seidler versichert: „An dieser Einstellung wird sich auch künftig nichts ändern.“

Christoph Holstein (SPD),  Staatsrat für Sport
Christoph Holstein (SPD), Staatsrat für Sport © picture alliance / dpa

Staatsrat Holstein gibt dennoch nicht auf. Er habe, wie er schreibt, die Gespräche im Kreis „immer als freundlich und konstruktiv“ wahrgenommen. „Ein Gedanke wäre, die Gemeinden mehr in das Geschehen einzubeziehen.“ Rempe erwiderte darauf: „Selbstverständlich bleiben wir gesprächsbereit, würden uns aber wünschen, früher in die Planungen eingebunden zu werden.“ Feuerwehrchef Bellmann lässt hingegen keinen Zweifel: „Es stört uns nicht, wenn die Radfahrer künftig in Schleswig-Holstein unterwegs sind.“

Oliver Schiek, Hamburg-Chef der veranstaltenden Agentur Ironman Germany, kann sich für die nächsten Jahre wechselnde Streckenführungen vorstellen: „Wir prüfen derzeit für 2018 für die Cyclassics und den Ironman ergebnisoffen alternative Strecken außerhalb Niedersachsens, können uns aber vorstellen, 2019 wieder im Landkreis Harburg zu fahren. “ Aber auch Schiek sagt: „Wir müssen die Gemeinden besser einbinden.“ Da gebe es in der Vergangenheit Versäumnisse.