Seestermühe. Vor 20 Jahren wurde die Elbinsel zum Naturschutzgebiet erklärt. Inzwischen sind Seevögel verschwunden, Waldvögel gekommen.
Der Zugang nach Pagensand ist streng reguliert. Nicht viele Menschen betreten das Naturschutzgebiet. Die Elbinsel ist wohl gerade deswegen für viele Hamburger ein Sehnsuchtsort geworden. Neugierig verlassen die Passagiere das Flachbodenschiff „Tidenkieker“. Für viele ist es der erste Besuch auf der Elbinsel Pagensand. Gleich hinter der Anlegestelle sind verkohlte Überreste eines Lagerfeuers zu sehen. „Das ist natürlich verboten“, sagt Naturführerin Elke Slotta vom Verein zur Förderung von Naturerlebnissen. Die Insel steht seit 1997 unter Naturschutz und gehört zu den besonders wertvollen Flora-Fauna-Habitat-EU-Vogelschutzgebieten.
Die Insel in der Unterelbe war ursprünglich eine Sandbank, die zwischen 1910 und 1999 durch das Aufbringen ausgebaggerten Elbschlicks zur Vertiefung der Fahrrinne vergrößert und erhöht wurde. Damit hat sie sich um das Sechsfache vergrößert. „Heute ist sie knapp sechs Kilometer lang und bis zu einen Kilometer breit“, sagt Slotta, die eine kleine Gruppe Ausflügler über einen kurzen Pfad zur anderen Seite der Insel führt. Vorbei geht es an Springkraut, Brombeerdickicht und wilden Rosen. In den Bäumen und Sträuchern hängen weiße, wollartige Flocken – Samen der vielen Pappeln. Auch Birken wachsen hier, vereinzelt stehen Kastanien und Eichen.
Heute ist die Insel unbewohnt
Früher war die Insel ein Naherholungsgebiet, und der bis 1998 auf der Insel ansässige Landwirt bewirtschaftete auch eine kleine Kneipe. Heute ist die Insel unbewohnt und das Gebäude abgerissen. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) unterhält auf Pagensand eine Vogel-Beobachtungsstation mit einem Vogelwart.
Der südliche Inselteil gehört zur Gemeinde Haselau, die übrige Insel zur Gemeinde Seestermühe und ein kleiner Bereich an der Nordspitze zur Gemeinde Kollmar, erklärt Slotta. Durch den aufgespülten Sand bildete sich zunächst eine spezifische Naturlandschaft mit Heide und dünenähnlichen Bereichen und der dafür typischen Vegetation, so die Landschaftsführerin.
Die Feuchtgrünlandflächen im Mittelteil der Insel wurden jahrelang von Ochsen beweidet. Die Rinder sorgten dafür, dass das Gras nicht zu hoch wuchs. So konnten Wiesenvögel, Bekassinen und verschiedene Gänsearten auf den Grasflächen brüten. Zum Winter wurden die Ochsen zusammengetrieben und mit einem Boot zum Festland gebracht. Ab und zu gelang es einigen, bei der Einfangaktion zu entwischen, sodass sie auf der Insel überwinterten. Die Tiere verwilderten und mussten abgeschossen werden.
Seevögel sind verschwunden
Mittlerweile hat der Bauer die Landwirtschaft dort aufgegeben. Mit gravierenden Folgen für die Vogelwelt. Die wuchernde Vegetation sorgt seitdem dafür, dass dort keine Wiesenvögel mehr anzutreffen sind.
„Dann versuchte es das Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg mit Maschineneinsatz“, sagt Frank Allmer vom Nabu-Landesverband und Naturschutzdienst des Kreises Pinneberg. Doch der Aufwand und damit die Kosten seien zu hoch gewesen, Mähgeräte auf die Insel zu schaffen. Erneut Rinder, Schafe oder Ziegen auszusetzen, sei aufgrund der mittlerweile sehr strengen Tierschutzbestimmungen problematisch.
Ganze Reihe von Waldvögeln
„Danach müsste alle zwei Tage jemand nach den Tieren sehen“, sagt Allmer. Er zählt gemeinsam mit seiner Frau Regina die verschiedenen Vogelarten auf Pagensand. „Rotschenkel oder Bekassinen gibt es dort keine mehr“, sagt er. Auch die seltenen Kiebitze, die zu den Watvögeln und Bodenbrütern gehören, oder seltene Seeschwalben sucht man hier mittlerweile vergeblich. Und auch wenn es sich nicht mehr um ein Seevogelgebiet handele, sei die Elbinsel durchaus schützenswert. „Es gibt eine ganze Reihe von Waldvögeln.“
Auch eine europaweit bedrohte Art hat auf Pagensand ein neues Zuhause gefunden: der Neuntöter. „Elf Brutpaare haben wir 2016 gezählt“, so Allmer. Im Herbst und Winter wollen die Nabu-Mitglieder dann auf der Insel Stellen freilegen, damit sich der Neuntöter auch künftig dort niederlässt. Auch das seltene Blaukehlchen ist mit acht Brutpaaren vertreten. Von der Feldlerche gibt es 32 Paare. „Auch einige Karmingimpel, ein Zugvogel, den nur wenige kennen, lässt sich hier zum Brüten nieder“, weiß der Vogelexperte.
Schnell wachsender Staudenknöterich
Der Schilfgürtel wird vom eingeschleppten und schnell wachsenden Staudenknöterich überwuchert. Von dem Schilfrohrsänger, der im dichten Schilf und Ufergebüsch lebt, wurden 2013 noch sechs Brutpaare gezählt. 2016 waren sie verschwunden.
Auch ein tierischer Einwanderer macht den Naturschützern auf Pagensand zu schaffen. „Der Jäger Peter Hamster und sein Sohn haben im Jahr 2016 insgesamt 15 Marderhunde erlegt“, sagt Allmer. Vier oder fünf weitere Familien würde es aber noch geben. „Sie sind für Bodenbrüter ein großes Problem.“ Die Natur einfach sich selbst zu überlassen, scheint also auch keine Lösung zu sein ...
Teil 7: Hanskalbsand