Kreis Pinneberg. Nach Nachweis der ansteckenden Krankheit auf Gut Aspern gilt ein Sperrbezirk. Besitzer Christopher Kirsch sagt Spiele und Events ab.

Christopher Kirsch konnte sich noch verabschieden. Von seiner 14 Jahre alten Stute Calita, die am Mittwochmorgen eingeschläfert wurde. Das Tier trug die Equine Infektiöse Anämie (EIA) in sich, auch als Ansteckende Blutarmut der Einhufer bekannt. Montag war die Pferdeseuche auf dem Pologestüt Gut Aspern in Groß Offenseth-Aspern nachgewiesen worden. „Das ist ein schwerer Schlag“, sagt der 49 Jahre alte Besitzer.

Emotional („Natürlich bestand für mich eine enge Bindung zu dem Tier“) wie auch wirtschaftlich. „Wir können in diesem Jahr an keinem einzigen Turnier mehr teilnehmen, gehen sozusagen gleich in den Winter“, sagt Kirsch. Der Kreis hat einen Sperrbezirk rund um das Gestüt eingerichtet, der 90 Tage aufrechterhalten wird. In dieser Zeit darf der 49-Jährige kein Tier aus der Sperrzone heraus- oder in sie hineinbringen. „Ich habe zwei Zuchtstuten in einem anderen Betrieb stehen, die ich hier nun nicht einsetzen kann. Damit können wir nur sehr eingeschränkt züchten.“

Imageschaden für Polosport befürchtet

Viel schlimmer sei jedoch der Ausfall der Turniere. An sechs großen Events wollte Kirsch, der als einer der besten Polospieler Deutschlands gilt, in diesem Jahr teilnehmen. „Drei haben noch stattgefunden, ein Turnier davon nur teilweise.“ Auch das hofeigene Turnier Anfang Juli musste der 49-Jährige absagen. „Wir stehen jetzt komplett ohne Einnahmen da, nicht einmal ein Showmatch können wir veranstalten.“ Er sei bereits Anfang des Jahres mit einer erheblichen Steuernachzahlung konfrontiert worden, zudem sei ein Großsponsor der Polo-Tour abgesprungen. „Mit dem, was jetzt passiert, sind das drei harte Nackenschläge.“

Er sei angetreten, um den Polosport bekannter zu machen. Nun befürchtet Kirsch stattdessen einen Imageschaden für seinen Sport. „Das ist aber völlig unbegründet, hier hat ja niemand böswillig gehandelt.“ Man werde mit der Geflügel- oder der Schweinepest in einen Topf geworfen, was nicht gerechtfertigt sei. „Die Krankheit ist bei uns nicht ausgebrochen, es ist kein Tier verendet.“

Entlassungen nötig

Zweites Ziel des 49-Jährigen war die Schaffung von Jobs in der Region. Doch Kirsch musste aktuell zwei seiner zehn Mitarbeiter entlassen. „Weitere Entlassungen sind nicht ausgeschlossen.“

Die betroffene Stute sei 2009 aus Argentinien importiert worden. „Wir wollten sie dieses Jahr aus dem Turniersport nehmen und als Zuchtstute einsetzen, sie hätte noch vier bis fünf Fohlen bekommen können.“ Kirsch vermutet, dass das Pferd das Virus bereits aus Argentinien mitgebracht hat. Gut Aspern geriet in den Fokus der Kreis-Veterinärbehörde, nachdem die Pferdeseuche auf einem Gestüt in Osdorf nachgewiesen worden war und Recherchen ergeben hatten, dass das betroffene Tier an einem Turnier in Groß Offenseth-Aspern teilgenommen hatte.

Pferde müssen getestet werden

Zu erkennen ist die Equine Infektiöse Anämie an Fieber, Blutungen und blassen Schleimhäuten. Nachgewiesen wird sie über den sogenannten Coggings-Test, mit dem Antikörper aufgespürt werden. Auf Ergebnisse müssen Pferdebesitzer drei Tage warten. Alle 50 Polo-Pferde auf Gut Aspern wurden untersucht. Außer dem mittlerweile eingeschläferten Tier gilt noch eine zweite Stute als Verdachtsfall. Sie wird fortlaufend untersucht. Auch die anderen Pferde werden sich in den nächsten 90 Tagen mehrfachen Tests stellen müssen. Kirsch: „Wir hoffen, dass es bei den negativen Ergebnissen bleibt.“

Klaus Weigand, der eine Praxis in Rissen betreibt, ist als Tierarzt im Kreis Pinneberg unterwegs. Er betreut auch Tiere auf von der Seuche betroffenen Höfen. Dabei handele es sich bislang ausnahmslos um sogenannte Carrier, diese Tiere trügen das Virus in sich, die Krankheit sei jedoch nicht ausgebrochen, was die Ansteckungsgefahr in Grenzen halte. Für Panik sieht Weigand ohnehin keinen Anlass. Hysterie, wie sie derzeit in sozialen Netzwerken wie Facebook zu beobachten sei, kann er nicht nachvollziehen: „Die Leute glauben, sich im Internet gegenseitig toppen zu müssen, und schaukeln sich gegenseitig hoch.“

Gefahr aus dem Ausland?

Es gebe Gerüchte, dass das Problem von Polo-Sportlern aus dem Ausland eingeschleppt wurde. Für den Tierarzt klingt das schlüssig, auch wenn es noch keine Belege gebe. Der Gebrauch unsauberer Spritzen etwa könne eine Ursache sein, so Weigand. „Bislang ist das hierzulande ein reines Polo-Problem“, sagt der Tierarzt. Er glaubt offenkundig nicht, dass sich daran etwas ändern wird. „Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass das Virus von Bremsen übertragen wird“, so Weigand. Das sei schon deshalb unwahrscheinlich, weil der Erreger bei einer Stechfliege oder Bremse nur etwa eine halbe Stunde überlebensfähig sei. „Ein normaler Pferdebesitzer muss sich meiner Ansicht nach keine großen Sorgen machen“, sagt der Arzt.

Anja Bohm ist so eine normale Halterin. Sie lebt im Pinneberger Ortsteil Waldenau, ihre drei Pferde stehen auf dem Brander Hof in Halstenbek. Sie verfolgt die Diskussion ganz genau – und ist ebenfalls überzeugt, dass die Seuche vermutlich aus Argentinien ins Land getragen wurde, womöglich über Polopferde. „Wir brauchen jetzt Informationen, wie das Virus eingeschleppt wurde.“ Sie selbst verspüre keine Panik. Aber Mitgefühl für Christopher Kirsch.