Reussenköge. Wissenschaftler aus Hamburg und den USA wollen mithilfe von speziellen Zelten die Folgen des Klimawandels untersuchen.
27 kleine, transparente Zelte stehen auf der Hamburger Hallig, einer Halbinsel an der Westküste Schleswig-Holsteins. Was auf den ersten Blick anmutet wie ein etwas ungewöhnlicher Campingplatz, ist in Wirklichkeit ein Forschungsprojekt. Hier wollen Wissenschaftler der Universität Hamburg und des Smithsonian Environmental Research Center in den USA die Auswirkungen der globalen Erderwärmung auf die Salzwiesen untersuchen.
Dass die Forscher sich dafür ausgerechnet die Salzwiesen ausgesucht haben, hat einen besonderen Grund, denn sie sind der Lebensraum von hoch spezialisierten Pflanzen und Tieren wie zum Beispiel die Strandaster und der Strandflieder oder der Austernfischer. Die Salzwiesen schützen die Küste bei Sturmfluten, weil sie die Wellen abpuffern. Außerdem tragen sie durch die langfristige Speicherung von Kohlenstoff auch zum Klimaschutz bei.
Zelte aus Aluminiumrohren
Die rund 1,60 Meter hohen Kuppelzelte wirken zwar eher unscheinbar, haben es aber in sich. Sie bestehen aus Aluminiumrohren, die mit Gewächshausfolie überspannt werden. Diese sorgt dafür, dass die Luft und die Pflanzen über darunterliegenden neun Quadratmeter großen Untersuchungsflächen wie in einem Gewächshaus erwärmt werden. „Durch unterschiedliche Bespannung wollen wir erreichen, dass die Temperatur in einem Drittel der Kuppeln um drei Grad und in einem weiteren Drittel um 1,5 Grad steigt und im letzten Drittel unverändert bleibt“, sagt Stefanie Nolte, Biologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung angewandte Pflanzenökologie der Universität Hamburg.
Nach dem gleichen System wird auch der Boden erwärmt: „In jeder Fläche gibt es 31 Kabel, die einen Meter tief in der Erde stecken“, erklärt Nolte. Diese Temperaturen haben sie und ihre Kollegen ausgewählt, weil der Deutsche Wetterdienst eine Temperaturerhöhung von ein bis drei Grad bis zum Jahr 2100 vorhergesagt hat.
In den kommenden fünf Jahren wollen die Forscher jeweils von März bis September beobachten, was auf den Untersuchungsflächen vor sich geht. Regelmäßig werden Messwerte erhoben. Jedes Zelt hat sechs Temperatursensoren, es werden auch Niederschlag und Windgeschwindigkeit registriert und mit einem Pegel der Wasserstand gemessen. Diese Daten werden dann per Funk an einen Computer übermittelt, der sie an die Universität Hamburg weiterleitet.
Regelmäßige Bodenproben
Zusätzlich entnehmen die Wissenschaftler regelmäßig Bodenproben, um zum Beispiel zu untersuchen, welche Pflanzen dort wachsen. Bodenkundler untersuchen die Bodenfauna, zu der zum Beispiel Würmer und kleine Insekten gehören, und prüfen, wie viel Kohlendioxid (CO2) und Methan aus dem Boden aufsteigt.
Nolte und ihre Kollegen wollen auch untersuchen, wie sich die Zusammensetzung der Arten in drei verschiedenen Vegetationszonen entwickelt. Die unterste Zone ist diejenige, die zweimal am Tag überflutet wird. Die mittlere Zone, die untere Salzwiese, wird zweimal im Monat überflutet, die obere Salzwiese zweimal im Jahr. Je nachdem, wie oft diese Zonen überflutet werden, siedeln sich dort unterschiedliche Pflanzen an. Als Beispiele für die unterste Zone nennt die Biologin den Queller und das Schlickgras, für die mittlere Zone den Strandflieder und für die obere die Strandquecke.
Projekt startet im kommenden Frühjahr
Beobachtet werden soll auch die Produktion und der Abbau der Biomasse, also Stängel, Blätter und Wurzeln. Für die Produktion wird CO2 aus der Luft gebraucht. Da die Biomasse aber nicht vollständig abgebaut wird, bleibt ein Teil des CO2 im Boden gespeichert.
„Eine Erwärmung könnte dieses empfindliche System aus dem Gleichgewicht bringen. Wir erwarten, dass bei höheren Temperaturen mehr Biomasse produziert wird. Aber gleichzeitig erwarten wir auch, dass die Mikroorganismen im Boden mehr Biomasse abbauen. Wir wissen noch nicht, ob dadurch mehr oder weniger Kohlenstoff im Boden gespeichert wird“, sagt Nolte.
Das Projekt startet im kommenden Frühjahr. „Im März schalten wir die Heizung ein, und das ist der Startschuss“, sagt Nolte. Der Aufbau wird durch Mittel der Uni Hamburg finanziert und kostet rund 200.000 Euro. Zukünftige Kosten, wie etwa für Personal, sollen aus Drittmitteln finanziert werden, die bei Stiftungen eingeworben werden sollen.
Die Biologin hofft auf schnelle Resultate: „Mit ersten Ergebnissen rechnen wir schon im nächsten Jahr.“ Denn Versuche der amerikanischen Kollegen haben bereits gezeigt, dass Pflanzen bei höheren Temperaturen früher zu blühen beginnen.