Kiel/Hamburg. Verteidigungsministerin entscheidet über Zukunft des Schiffs. Steuerzahlerbund fordert Abbruch des Werftaufenthalts.

Der „Gorch Fock“, dem Segelschulschiff der Marine, könnte das endgültige Aus drohen. In den nächsten Tagen will Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) über die Zukunft des Dreimasters entscheiden. Dabei gehe es entweder um eine aufwendige Instandsetzung des fast 60 Jahre alten Schiffes – oder um den Neubau eines Segelschulschiffes für die Marine, sagte der Sprecher des Presse- und Informationszentrums der Marine, Kapitän zur See Johannes Dumrese­.

Der Bau kostete 8,5 Millionen D-Mark

Seit einem Jahr liegt das 89 Meter lange und 1958 bei Blohm & Voss in Hamburg gebaute Schiff in einer Bremerhavener Werft. Nach Marineangaben seien bislang unbekannte Schäden am Oberdeck gefunden worden. Die Instandsetzung werde länger dauern als geplant. Experten gehen davon aus, dass der Werftaufenhalt mindestens 18 Monate dauern könnte. Heimathafen der „Gorch Fock“ ist Kiel.

Der Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein hat jetzt gefordert, die Arbeiten in der Werft abzubrechen und ein neues Schiff zu bauen. „Die Aussonderung der maroden ,Gorch Fock‘ ist alternativlos“, sagte der Geschäftsführer des Steuerzahlerbunds, Rainer Kersten, am Dienstag dem Abendblatt. Die anstehenden Reparaturkosten beziffert die Marine auf 35 Millionen Euro, und das nach bereits erfolgter Sanierung im Jahr 2014 in einer Höhe von zehn Millionen Euro.

„Gorch Fock‘ Teil der Kieler Identität“

„Für 35 Millionen Euro ließen sich zwei Neubauten in der Größe der ,Alexander von Humboldt‘ finanzieren“, meint er. Sie sei für 15 Millionen Euro gebaut worden. Im vergangenen Jahr hatte das Verteidigungsministerium den Reparaturbedarf noch auf knapp zehn Millionen Euro beziffert.

Dass die „Gorch Fock“ möglicherweise bald außer Dienst gestellt werden könnte, schlägt inzwischen hohe Wellen. Der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) sagte dem Abendblatt: „Eine Ausmusterung der ,Gorch Fock‘ wäre bitter. Sie ist Teil der Kieler Identität und gehört hierher wie das Rathaus und die Kieler Förde.“

Schiff sei immer ein Hingucker

Ähnlich sieht es der Geschäftsführer von Kiel-Marketing, Uwe Wanger. „Kiel ist der Heimathafen der ,Gorch Fock‘, und damit auch wichtig für das Stadtbild“, sagte er. Das Schiff sei immer ein Hingucker an der Kiellinie – für Gäste wie für Einheimische. „All dies kann man nicht mit Geld aufwiegen, wie es der Rechnungshof tut.“ Das Segelschulschiff schaffe eine hohe Identität mit Deutschland und sei ein wichtiger Botschafter für die ganze Welt. Allerdings könne sich das Kieler Marketing laut Uwe Wanger mit dem Gedanken eines Neubaus der ,Gorch Fock‘ anfreunden.

Für den Erhalt der Dreimastbark setzt sich auch Tobias Loose, Landesvorsitzender der Jungen Union Schleswig-Holstein, ein: „Die ,Gorch Fock‘ ist eine wichtige Botschafterin für Kiel und für die deutsche Marine. Außerdem ist sie ein identitätsstiftendes Symbol für Generationen von Marineoffizieren und Marinesoldaten.“ Daher müsse das Segelschulschiff der deutschen Marine weiterhin eine Botschafterin Schleswig-Holsteins in der Welt bleiben.

Grundaus­bildung vorwiegend an Land

Für die rund 250 Offiziersanwärter ist wegen des Werftaufenthalts seit Monaten die längst fällige Pflichtfahrt auf dem Segelschulschiff nicht möglich. Sie müssen ihre praktische Grundaus­bildung vorwiegend an Land und auf kleinen Dienstsegelbooten absolvieren. Außerdem gibt es mit einem Übungsmast in der Marineschule Flensburg-Mürwik die Möglichkeit, praxisnah zu trainieren. Er ist mit einer Höhe von 28 Metern allerdings deutlich kleiner als der Mast auf der „Gorch Fock“ mit 45 Metern. Segel werden nicht gesetzt, da der personelle Aufwand am Boden zu hoch ist.

Wegen der unsicheren Zukunft des Schiffes ist seine Teilnahme an maritimen Großveranstaltungen derzeit ungewiss. Dass die „Gorch Fock“ zum 828. Hamburger Hafengeburtstag im Mai kommt, gilt als sehr unwahrscheinlich. „Bei der Hamburg Port Authority ist die ,Gorch Fock‘ zurzeit nicht angemeldet“, sagte die Sprecherin der Veranstaltung, Andrea Heyden, am Dienstag dem Abendblatt. In früheren Jahren hatte die „Gorch Fock“ häufig die Einlaufparaden angeführt.

Mehr als 750.000 Seemeilen

Seit ihrer Indienststellung wurden an Bord rund 15.000 Offizier- und Unteroffizieranwärter ausgebildet, das Schiff hat mehr als 750.000 Seemeilen zurückgelegt und mehr als 400 Häfen in 60 Ländern besucht.

Bereits vor fünf Jahren hatte es eine Petition an den Deutschen Bundestag gegeben. Die Unterzeichner forderten angesichts steigender Kosten und nach dem tödlichen Unfall einer Kadettin, das Schulschiff in ein Museumsschiff umzuwandeln. Der Petitionsausschuss wies den Vorstoß zurück. Das Schiff sei ein wesentlicher Bestandteil im Rahmen der Ausbildung des Führungsnachwuchses der Deutschen Marine, hieß es in der Begründung. Außerdem leiste die „Gorch Fock“ einen wesentlichen Beitrag zur Repräsentation der Bundesrepublik Deutschland außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes.