Helgoland/Hamburg. Ornithologen beobachten immer öfter exotische Arten aus fernen Regionen in Norddeutschland. Eine Fachgruppe dokumentiert ihr Vorkommen akribisch.
Es war gerade Fischmarkt, als ein Hamburger Vogelfreund auf der Elbe einen ganz besonderen Vogel entdeckte: Keck schwamm vor wenigen Wochen in der Nähe der Fischauktionshalle ein Großer Sturmtaucher (Puffinus gravis) im Wasser. Ornithologen wissen, dass diese Art zur Ordnung der Röhrennasen gehört. Vor allem aber wissen sie: Da hat ein ganz seltener Vogel Station in Hamburg gemacht. Sein Brutgebiet liegt Tausende Kilometer von Norddeutschland entfernt mitten im Südatlantik. Der Arbeitskreis Vogelschutzwarte hat jetzt ein Foto dieses Exemplars veröffentlicht und betont: „In Mitteleuropa ist der Große Sturmtaucher ein ausgesprochen seltener Ausnahmegast.“
Braunkehlchen, die sonst in Afrika überwintern, wurden im Dezember in Hamburg gesehen
Immer wieder sichten Ornithologen in unseren Breiten seltene Gastvögel – auch im Winter. Erst jetzt steuerten Eismöwen und Polarmöwen das nördliche Schleswig-Holstein an. Sie sind – wie ihr Name verrät – in arktischen Gefilden zu Hause. „In Hamburg gelang im Dezember auch ein außergewöhnlich später Nachweis eines Braunkehlchens“, sagt Sven Baumung vom Amt für Naturschutz, Grünplanung und Energie in Hamburg. Baumung ist ehrenamtlich im Arbeitskreis an der staatlichen Vogelschutzwarte tätig. Der Braunkehlchen-Bestand in Deutschland bewegt sich zwischen 37.000 und 90.000 Paaren. Normalerweise hätte das entdeckte Tier längst im subtropischen Afrika überwintern müssen. „Möglicherweise trägt der Klimawandel dazu bei, dass es im Dezember noch in Hamburg anzutreffen war“, sagt Baumung. „Meist sind es aber Wetterphänomene wie Stürme, die die Vögel in unsere Gegend treiben.“
Mit Spannung wartet die ornithologische Fachwelt darauf, dass ein Schwarzbrauenalbatros nach Helgoland zurückkehrt. Der Vielflieger nistet sonst auf den Falklandinseln im Südatlantik, in bester Gesellschaft mit Pinguinen. Es wäre dieses Frühjahr das vierte Jahr, dass er einen Abstecher auf Deutschlands einzige Hochseeinsel macht. Albatrosse gehören zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt (Spannweite: 2,50 Meter).
Schwarzbrauenalbatrosse legen Strecken von 15.000 Kilometern ohne Pause zurück
Sie können sich 15.000 Kilometer weit durch die Lüfte über die Weltmeere tragen lassen – ohne Zwischenstopp. Dass sie auf Helgoland rasten, führt Jochen Dierschke, Leiter der Außenstelle des Instituts für Vogelforschung, unter anderem auf die heimische Vogelvielfalt zurück: „Vermutlich liegt es an den vielen Klippen und den zahlreichen Vogelkolonien. Seevögel neigen generell dazu, sich Gruppen anzuschließen.“ Inzwischen machte auch ein Wüstengimpel, der sonst Nordafrika bevölkert, auf der Insel mit der berühmten „Langen Anna“ Pause. Sehr zur Freude der begeisterten Vogelbeobachter.
Vor allem die Deutsche Avifaunistische Kommission (Avifauna beschreibt die Gesamtheit der regional vorkommenden Vogelarten), zuständig für die Gesamtheit aller in einer Region vorkommenden Vogelarten, wacht über die seltenen Gäste und dokumentiert sie sorgfältig. Dazu zählt ein Papageientaucher, der auf Sylt gesichtet wurde und sonst im Nordpolarmeer unterwegs ist. Eine kleine Sensation war der „Dunkle Sturmtaucher“ aus Neuseeland, der vor sechs Jahren in Wandsbek gefunden wurde, nach einem 18.000-Kilometer-Flug völlig entkräftet.
Nicht nur Vögel verirren sich nach Norddeutschland. Vor einem Jahr strandeten zwölf Pottwale an der Nordseeküste und starben qualvoll. Vermutlich waren sie bei der Nahrungssuche versehentlich in die flachen Gewässer des Wattenmeeres geschwommen. Regelmäßig sorgen auch Finn- und Buckelwale für Aufsehen, wenn sie in der Ostsee auftauchen. Der Lederschildkröte „Marlene“ wurde die eigene Unternehmungslust zum Verhängnis: Die größte lebende Schildkröte schwamm von tropischen Gewässern in die kalte Ostsee und starb. Jetzt ist sie als Tierpräparat im Stralsunder Meeresmuseum zu sehen. Den Status der seltenen Gäste haben Pazifische Austern übrigens längst verloren: Diese Arten sind gekommen, um zu bleiben.