Norderstedt. Schleswig-Holstein und Hamburg arbeiten an Internet-Angeboten. Alles soll so einfach wie bei Amazon sein.

Fast alles lässt sich heutzutage online kaufen. Jede Dienstleistung, jede Ware kann per E-Mail vom Sofa aus geordert werden. Eine große Ausnahme gibt es allerdings: Der Staat mit seinen Behörden besteht in vielen Fällen immer noch hartnäckig darauf, dass wir Bürger persönlich erscheinen. Ist das jetzt rückständig? Oder liebenswert? Darüber lässt sich streiten.

Eines ist aber klar: Es wird bald vorbei sein. Schleswig-Holsteins Bürger sollen künftig Zugriff auf digitale Verwaltungsdienste bekommen. Das ist Teil einer digitalen Agenda, die sich die Landesregierung unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) gegeben hat. „Digitalisierung verändert unser Leben. Wir müssen sie so begleiten und gestalten, dass sie möglichst vielen Menschen in Schleswig-Holstein nützt“, sagt er.

Schleswig-Holsteins Behörden und Digitalisierung: das scheint derzeit noch nicht zusammenzupassen. Dabei sind die Behörden untereinander schon viel weiter als beim Datenaustausch mit den Bürgern. Im Justizbereich sind digitale Akten weit verbreitet. Ende kommenden Jahres sollen alle Gerichte und Staatsanwaltschaften diesen Standard nutzen können. Grundbuchangelegenheiten werden schon jetzt weitgehend digital geregelt.

Doch nun soll der nächste Schritt gemacht werden. „Innerhalb von zwei Jahren wollen wir es schaffen, dass einfache Antragstellungen und die dazugehörenden Bezahlvorgänge übers Internet abgewickelt werden können“, sagt Sven Thomsen, der Chief Information Officer (CIO) des Landes Schleswig-Holstein. Als Beispiele nennt er die Hundesteuer, Anwohnerparkausweis, Ummeldung, Fischereischein und ähnliche Dinge, bei denen es nur um das Ausfüllen eines Formulars geht. „Das Bezahlen soll so einfach wie bei Amazon sein“, sagt er.

Bürger-Konto für den Behördenverkehr

Um diesen Service zu nutzen, muss man ein Bürger-Konto für den Behördenverkehr anlegen. Das soll laut Thomsen ebenfalls digital funktionieren – falls man zu Hause ein Kartenlesegerät hat und einen maschinenlesbaren Personalausweis besitzt.

Der analoge Weg, der aber nur einmal zu absolvieren ist, sieht so aus: Man geht ins örtliche Ordnungsamt, weist sich aus und beantragt die Eröffnung eines Bürger-Kontos. Darin sind dann Name und Adresse hinterlegt, möglicherweise auch noch andere Daten. Die Eingabe dieser Daten ist damit nur einmal erforderlich – und muss nicht bei jedem Formular wiederholt werden.

Für viele Kommunen noch Zukunftsmusik

Für die meisten schleswig-holsteinischen Kommunen ist das noch Zukunftsmusik. Die Landesregierung braucht für ihre digitale Agenda die Mitwirkung der Städte und Gemeinden. Denn für die meisten Verwaltungsdienstleistungen sind die Ämter in den Kommunen zuständig. Wie es funktionieren könnte, ist schon jetzt in Norderstedt zu beobachten.

Die 77.000-Einwohner-Stadt am Rand von Hamburg arbeitet seit 2014 an einer E-Government-Strategie. Seit Februar können die Norderstedter acht Dienstleistungen digital abwickeln. Norbert Weißenfels, der EDV-Chef der Stadt, sagt: „Wir wollen dieses Angebot jedes Jahr um fünf bis zehn weitere Dienstleistungen aufstocken, unter anderem soll im nächsten Jahr die Kindergartenplatz-Anmeldung dazukommen.“

Wenige Online-Services

Das derzeit noch überschaubare Angebot an Online-Services besteht unter anderem aus der Meldebestätigung, der Übermittlungssperre (von Adressen zu Werbezwecken), dem Umzug und der Briefwahl-Beantragung. Die Gebühren können per Kreditkarte bezahlt werden. Auch die Nutzerzahlen sind überschaubar - vielleicht auch deshalb, weil es noch absolut unvertraut ist, dass Behörden bei manchen Dingen ähnlich einfach zu erreichen sind wie Amazon: also vom Sofa aus.

Eine erste statistische Auswertung der Norderstedter Zahlen für die vier Monate vom Februar bis Mai zeigt jedenfalls, dass die meisten Kunden von der Oberbürgermeisterwahl am 24. April ins nagelneue Online-Netz der Stadtverwaltung gespült wurden. Allein 2206 der insgesamt 2478 Nutzer orderten Briefwahlunterlagen. Weißenfels sagt deshalb: „Unsere digitalen Angebote müssen noch bekannter werden.“

Großes Interesse

Bei Verwaltungsfachleuten stößt das Norderstedter Modell dennoch auf großes Interesse. „Auch Hamburger Kollegen waren schon bei uns“, sagt Weißenfels. Hamburg ist bei der Digitalisierung weiter als Schleswig-Holstein, aber längst noch nicht so weit wie Norderstedt. Ein Steuerungsgremium unter Leitung des Kulturstaatsrats Carsten Brosda ist installiert.

Wann es erste digitale Angebote gibt, ist allerdings noch unklar. Am Ende soll jedenfalls ein bundesweit funktionierendes System stehen. Sven Thomsen, Schleswig-Holsteins Chefinformatiker, sagt: „Irgendwann wird es so sein, dass man sich mit seinem bayerischen Bürger-Konto auch in Schleswig-Holstein anmelden kann.“