Hamburg. HVV-Abo abschließen, Kita-Gutschein abrufen, Ausweis beantragen – das soll künftig im Internet klappen. Die Pläne des Senats im Detail.

„Der Senat wird die Angebote der städtischen Verwaltung im Internet ausbauen.“ So steht es im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen aus dem Frühjahr 2015. Nun treibt der Senat das Thema mit der Drucksache „Digital First – Chancen der Digitalisierung für eine bürgerfreundliche Verwaltung nutzen“ voran. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was treibt den Senat an?

Mit Bürgermeister Olaf Scholz, Finanzsenator Peter Tschentscher und Senatskanzlei-Chef Christoph Krupp (alle SPD) gelten zentrale Akteure des Senats als bekennende Anhänger digitaler Lösungen – gleiches gilt für den für Medien und Digitales zuständigen Kulturstaatsrat Carsten Brosda (SPD). Sie sehen in der Digitalisierung die Chance, die Verwaltung bürgerfreundlicher, schneller und im besten Fall zugleich günstiger zu machen.

Was ist genau geplant?

Jeder Bürger soll ein „Servicekonto“ im Internet erhalten, über das er irgendwann alle Anliegen an Behörden und sonstige städtische Einrichtungen erledigen kann, etwa: Wohnsitz ummelden, Ausweis beantragen, HVV-Abo abschließen, eine Karte für die Oper kaufen. Wie Brosda dem Abendblatt sagte, müssten nicht alle städtischen Einrichtungen von Anfang an dabei sein. Es gebe aber „vorab keine Einschränkungen“.

Sicher sei nur: „Angebote der Verwaltung im engeren Sinne sollen digital über das Servicekonto zugänglich gemacht werden.“ Auch Bescheide von Behörden kommen künftig im Servicekonto an und können abgerufen werden. Gebühren können online bezahlt werden. Alle Funktionen sollen auch über Handys und andere „mobile Endgeräte“ möglich sein.

Was ist der nächste Schritt?

Zunächst wird ein Steuerungsgremium unter Vorsitz von Kulturstaatsrat Brosda eingerichtet. Die Umsetzung soll dann Schritt für Schritt erfolgen – ohne zeitliche Vorgabe. Der Datenschutzbeauftragte berät das Gremium.

Welche Rolle haben die Bezirke?

Die „Digitale Bezirksverwaltung“ ist ein Unterprojekt: Schon vor einem Jahr hat erstmals eine „Werkstatt“ unter Leitung von Bürgermeister Scholz getagt. Aus ihr gingen viele Punkte hervor, die jetzt in dem Strategiepapier stehen. Die Bezirke haben bereits elf Dienstleistungen benannt, die bald online angeboten werden könnten, unter anderem Wohngeld, Ummeldungen, Beurkundung von Sterbefällen und Kirchenaustritte. Unternehmen sollen Bauanträge nur noch digital stellen.

Wie funktioniert der Zugang?

Ähnlich wie bei Online-Bankkonten: mit Benutzerkennung und Passwort. Eventuell kommen auch Transaktionsnummern (TAN) zum Einsatz.

Muss jeder Bürger das Servicekonto nutzen?

Nein. Bürger, die den digitalen Zugang zur Verwaltung nicht nutzen wollen oder können, dürfen weiterhin persönlich oder per Telefon Kontakt mit den Behörden aufnehmen. Der Zugang über das Servicekonto soll aber zum Regelfall werden. Als Zielbild formuliert der Senat: „Die Hamburger Verwaltung kommuniziert mit den Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen in erster Linie digital. Der Gang zum Amt ist nicht mehr erforderlich.“

Wie wird das Servicekonto aussehen?

Mehrfach heißt es in dem Senatspapier, die Oberfläche müsse so gestaltet werden, wie die Bürger es sich wünschen und erwarten (also übersichtlich und einfach) und nicht so, wie die Verwaltung mit ihrer ganz eigenen Logik es gerne hätte. An dieser Stelle sind wohl Konflikte programmiert. Auf jeden Fall sollen Mehrfacheingaben verhindert werden: Einmal eingegebene Daten merkt sich das System, die Nutzer entscheiden beim nächsten Besuch, ob sie die Daten so wiederverwenden wollen.

Soll es auch private oder gewerbliche Angebote geben?

Das kann sich der Senat zumindest vorstellen. Wünschenswert wäre das aus Senats-Sicht schon deshalb, weil es die Bürger an die Benutzung des „Kontos“ gewöhnen würde.

Wie werden die Daten geschützt?

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz, Johannes Caspar, soll frühzeitig in die Planungen einbezogen werden. Die Bürger sollen „jederzeit nachvollziehen“ können, wer auf ihre Daten zugegriffen hat, heißt es.

Leitartikel: Die digitale Chance für Hamburgs Verwaltung


Was ändert sich noch?

Die Verwaltung soll künftig auch „proaktiv“ handeln. So könnten Eltern, die Anspruch auf einen Kita-Gutschein für ihr Kind haben (also fast alle), diesen zumindest für die fünfstündige Grundbetreuung automatisch erhalten und nicht erst auf Antrag. Als Vorbild wird Österreich genannt, wo Eltern ohne Antrag Kindergeld bekommen.

Ist die Digitalisierung ein verkapptes Personalabbau- und Sparprogramm?

Wirtschaftlichkeit stehe nicht an erster Stelle, heißt es in dem Papier. Dennoch gibt es auch das Ziel, „mittel- bis langfristig die Kosten zu senken“. Brosda formuliert es so: „Es geht um Ressourcen-Effizienz und um Servicequalität. Ob und wann man damit Kosten sparen kann, wird man sehen. Es ist aber nicht die Triebfeder dieser Strategie.“

Welche Kritik gibt es?

Die Gewerkschaft Ver.di sieht den Ansatz, den Kundenkontakt zu minimieren, kritisch: „Viele Menschen legen Wert auf persönlichen Kontakt, auch im Verhältnis zu Behörden“, sagt Sieglinde Frieß, Leiterin des Ver.di-Fachbereichs Bund, Länder und Gemeinden in Hamburg. Auch die Öffnung für gewerbliche Dritte sieht sie skeptisch: „Datenschutz muss vor wirtschaftlichem Interesse stehen. Die Daten auf dem geplanten Servicekonto dürfen nicht von Dritten vermarktet werden, die nichts mit städtischen Themen zu tun haben.“

Außerdem bezweifelt die Gewerkschafterin, dass sich mit der Digitalisierung Personal und damit Geld sparen lässt: „Bisher haben neue digitale Systeme immer auch neue Anforderungen bedeutet. Ohne ausreichend Personal funktioniert keine Verwaltung.“