Hamburg. Biologen prüfen die Wiederansiedlung der Auster in der Nordsee. Um 1930 war sie infolge der Fischerei verschwunden.
Die Europäische Auster soll wieder in der Deutschen Nordsee heimisch werden. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven haben ein Projekt gestartet, das die praktischen Möglichkeiten der Wiederansiedlung der Muschelart (Ostrea edulis) im „Freiland“ erforscht. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird vom BfN mit 540.000 Euro gefördert.
„Die Bestände der Europäischen Auster sind in ganz Europa stark gefährdet. Seit etwa 1930 gilt sie in der deutschen Nordsee als ausgestorben, nur seltene Einzelfunde sind belegt“, sagt Professor Beate Jessel, Präsidentin das BfN. „Austern können jedoch im ökologischen Gesamtgefüge der Nordsee eine wichtige Rolle spielen, da sie nicht nur große Wassermengen filtrieren, sondern auch Riffe bilden können. Solch biogene, das heißt von Lebewesen aufgebaute Riffe, sind in der Nordsee sehr selten. Austernbänke und Austernriffe weisen außerdem eine besonders hohe biologische Vielfalt auf, stehen daher im Fokus des Meeresnaturschutzes.“
Das BFN prüft die rechtlichen und politischen Voraussetzungen für die Wiederansiedlung, das Alfred-Wegener-Institut die biologischen. Das Projekt ist auf drei Phasen angelegt: Die Machbarkeitsstudie bis 2014, jetzt die Das Projekt ist auf mehrere Phasen angelegt: Machbarkeitsstudie 2014, jetzt läuft die Erprobungs- und Entwicklungsphase bis Frühjahr 2018, und anschließend, wenn die Studie positiv ausfällt, startet das eigentliche Restaurationsprogramm.
Überfischung ließ sie zwischen 1850 und 1930 aussterben
Vor allem die Austern von der nordfriesischen Küste galten einst als Delikatesse. Die bis Mitte des 19. Jahrhuderts noch großen Vorlkommen vor allem südlichen Nordsee schwanden aber mit der Intensivierung der Fischereiwirtschaft aber nahezu vollständig. Kalte Winter und Krankheiten verhinderten eine Erholung der Bestände.
Austernriffe und -bänke sind laut BfN „Hot Spots“ der biologischen Vielfalt, die eine wichtige Rolle im Ökosystem des Meeres spielen. Denn Austern leben zwischen der Niedrigwasserlinie und 50 Meter Wassertiefe mit vielen anderen wirbellosen Tieren und Fischen zusammen. Austernbänke bieten ihnen Nahrung, Schutz und Lebensraum und dienen unter anderem als Kinderstube für eine Vielzahl von Fischarten. Da die Europäische Auster langsamer wächst als die Pazifische, verdrängt sie andere Arten nicht, sondern bildet spezifische, artenreiche Lebensgemeinschaften.
Wie solche Austernbänke bzw. -riffe im sublitoralen Bereich der Nordsee aussehen bzw. aufgebaut sein könnten, ist weitgehend unbekannt. In anderen europäischen Ländern bildet die Europäische Auster flache Bänke. Jedoch wurden im Schwarzen Meer unweit der bulgarischen Küste fossile Austernriffe entdeckt, die turmartig gewachsen waren und eine Höhe von bis zu sieben Metern erreichen.
Die Forscher wollen von anderen lernen
Ziel des Projektes ist es zunächst, aus den Erfahrungen anderer Wiederherstellungsvorhaben zu lernen und die Erfahrungen von Austernzuchten und Forschungen auf die Nordsee zu übertragen. Dafür hat die verantwortliche Wissenschaftlerin des AWI, Bernadette Pogoda, irische, britische und US-amerikanische Projekte besucht. Gesucht wird ein geeigneter Austernlieferant.
Parallel dazu sollen geeignete „Siedlungsgebiete“ in der Nordsee ausgemacht werden. In Frage kommen die drei Natura-2000-Schutzgebiete Borkum-Riffgrund, das Sylter Außenriff und langfristig auch die Doggerbank, sagt Professor Karen Wiltshire, stellvertretende Direktorin des AWI.
Austern wachsen bevorzugt auf Schalenmaterial der eigenen Art, begnügen sich aber auch mit Schalen anderer Muschelarten, künstlichem oder natürlichem Hartmaterial oder mit großen Steinen. Voraussetzungen für die Eignung eines Meeresgebietes ist, dass bodenverändernde Aktivitäten wie Fischrei mit Schleppnetzen oder der Abbau von Sand und Kies ausgeschlossen werden können.
Die Saat soll in Käfigen gesichert werden
Geplant ist zunächst das Ausbringen von Austernsaat, später auch von ausgewachsenen Austern. Sie sollen für die Freilandversuche in speziellen Käfigen wachsen, um ein verdriften oder versanden zu verhindern, ständig kontrolliert und beobachtet von des Wissenschaftlern des AWI. „Neben der Populationsdynamik wird unser Team dabei vor allem die Fitness, den Gesundheitszustand und das Wachstum der jungen Austern achten“, sagt Wiltshire vom AWI.
Das BFN will die Forschungen laut Jessel auch zum Aufbau eines internationalen Netzwerks zur Austernrestauration nutzen, um über die deutsche Nordsee hinaus zu wirken. Auch sollen Fischerei und Züchter von im Wasser lebenden Organismen durch regelmäßige Information einbezogen werden, um gemeinsame Interessen zu ermitteln und Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit zu finden.