Kiel/Berlin. Das Land kann bis 2030 rund 390 Millionen Euro mehr ausgeben. Die geplante S 21 bis Kaltenkirchen könnte davon profitieren.
Mit dieser Summe lässt sich etwas anfangen: Zusätzliche 30 Millionen Euro hat das Land Schleswig-Holstein von diesem Jahr an zur Verfügung, um Bahnen und Busse zu finanzieren. Das ist im Vergleich zum Jahr 2014 ein Zuwachs von rund zwölf Prozent. Bund und Länder hatten lange um diese sogenannten Regionalisierungsmittel gestritten. In der Nacht zu Donnerstag wurde der Streit in Berlin beigelegt. Von den zusätzlichen Millionen könnte auch das Hamburger Umland profitieren. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) sagt: „Der Ausbau der AKN-Strecke zur S 21 gehört zu den Projekten, die wir mit dem Geld befördern könnten.“ Die Vereinbarung über die Regionalisierungsmittel läuft bis Ende 2030. Das Land kann bis dahin also insgesamt 390 Millionen Euro mehr als bisher geplant ausgeben.
Das Geld könnte laut Meyer in vier Bereiche des öffentlichen Personennahverkehrs fließen. „Wir wollen die Tarifgestaltung vereinheitlichen“, sagte er. „Außerdem könnten wir die Qualität des Angebots verbessern, zum Beispiel im Bereich Pünktlichkeit und beim WLAN.“ Denkbar sei auch ein Ausbau der Busverkehre. „Hier wollen wir eine neue Finanzierungsvereinbarung mit den Kommunen aushandeln“, sagte Meyer. „Die jetzt gültige Vereinbarung läuft Ende 2017 aus.“
Und dann ließen sich mit dem Geld endlich auch einige Schienenprojekte anpacken, über die schon seit Längerem diskutiert wird. „Da ist die S 21 auf jeden Fall dabei“, sagte Meyer. Auch die S 4 und die Reaktivierung der stillgelegten Bahnstrecke Kiel–Schönberger Strand gehörten dazu. „Wir werden uns jetzt die einzelnen Bereiche genau angucken und dann sehen, was wir mit dem Geld genau machen“, sagte Meyer.
Die S 21 ist derzeit das wichtigste Schienenprojekt im Norden von Hamburg. Es befindet sich im Planungsstadium. Größter Vorteil eines Ausbaus der AKN-Strecke zur S-Bahn: Kaltenkirchen und die übrigen Orte an der Strecke (Henstedt-Ulzburg, Ellerau, Quickborn, Bönningstedt) würden direkt mit dem Hamburger Hauptbahnhof verbunden werden. Derzeit verkehrt auf der Strecke die AKN-Bahn mit ihren von Dieselmotoren angetriebenen Zügen. Wer zum Hauptbahnhof will, muss meist in Eidelstedt umsteigen. Derzeit gibt es nur wenige Direktverbindungen. Eine verlängerte S-Bahn würde also den Fahrgastkomfort deutlich erhöhen. Das Umsteigen entfiele. Die Fahrzeit von Kaltenkirchen bis zum Hauptbahnhof würde um etwa fünf Minuten sinken – von 46 auf 41 Minuten.
Angebot könnte Autofahrer dazu bewegen, auf die Schiene umzusteigen
Ein solches Angebot könnte Autofahrer dazu bewegen, auf die Schiene umzusteigen. Das würde wiederum die A 7 und die Hamburger Innenstadt entlasten. Die Strecke zwischen Eidelstedt und Kaltenkirchen ist derzeit nicht komplett zweigleisig. Auf zwei Abschnitten müsste sie ausgebaut werden. Außerdem braucht die elektrisch angetriebene S-Bahn eine Stromversorgung an den Gleisen. 45 Millionen Euro wird allein das verschlingen. Die Gesamtinvestition liegt bei 83 Millionen Euro. Ob sie getätigt wird, war zuletzt wieder fraglich. Ein Gutachten hatte den verkehrlichen Nutzen des Ausbaus in Zweifel gezogen. Unklar war auch, wie die Kosten auf Hamburg und Schleswig-Holstein verteilt werden.
Die Antwort auf diese Frage könnte dem Verkehrsminister Reinhard Meyer nun leichter fallen. Er hat selbst nicht unerheblich dazu beigetragen, dass mehr Geld ins Land kommt. Denn im Oktober 2014 hatte Meyer seinen Verkehrsministerkollegen vorgeschlagen, die Regionalisierungsmittel neu zu verteilen. Die Berechnung der einzelnen Länderbeträge sollte nicht mehr nach dem Königsteiner Schlüssel erfolgen, der Einwohnerzahl und Steueraufkommen zur Grundlage hat, sondern nach einem neuen „Kieler Schlüssel“, bei dem neben der Einwohnerzahl die Zahl der gefahrenen Zugkilometer eine Rolle spielt. Meyer stieß mit diesem Vorschlag zunächst auf Zustimmung – bis die Ostbundesländer begriffen, dass der Kieler Schlüssel für sie nachteilig war. Zähe Verhandlungen schlossen sich an. Am Ende willigte der Bund ein, den Ostbundesländern zusätzlich 200 Millionen Euro im Jahr zu zahlen. Damit war der Kieler Schlüssel gerettet.
Zugleich beschloss der Bundestag, die Regionalisierungsmittel auf 8,2 Milliarden Euro anzuheben. Jährliche Steigerungsraten wurden vereinbart. Außerdem entschieden die Abgeordneten, den Anstieg bei den Trassenpreisen zu deckeln, die die Länder den Bahnunternehmen zahlen müssen. „Damit wird verhindert, dass die Trassenpreise die Steigerungsraten bei den Regionalisierungsmitteln auffressen“, sagte der Lauenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann, Mitglied im Haushaltsausschuss. Die Folge für die Länder: „Wir haben jetzt endlich die Planungssicherheit, auf die wir immer gewartet haben“, sagte Minister Meyer.
Mit den Regionalisierungsmitteln, die aus der Mineralölsteuer kommen, können Länder oder regionale Verkehrsverbunde Bahnlinien und teilweise auch Busangebote bestellen. Sie sind eine Folge der Bahnreform vor mehr als 20 Jahren. Damals hatte sich der Bund verpflichtet, die Kosten für den regionalen Schienenverkehr zu übernehmen.