Leipzig. Verwaltungsgericht prüft, ob geplanter Tunnel für die A 20 bei Glückstadt zulässig ist. Womöglich wird EU-Gerichtshof eingeschaltet.

Die Planungen zur Elbquerung für die Autobahn 20 bei Glückstadt werden möglicherweise den Europäischen Gerichtshof beschäftigen. Zu Beginn der mehrtägigen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wies der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier darauf hin, dass eine Vorlage der Verfahren beim Europäischen Gerichtshof möglicherweise in Betracht komme. „Dies wäre dann der Fall, wenn es auf die Klagebefugnis von Naturschutzverbänden ankommt“, sagte Bier.

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt seit gestern über die Klagen gegen die Elbquerung der Autobahn 20 bei Glückstadt. Ein halbes Dutzend Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss haben die Leipziger Richter auf dem Tisch. Geklagt haben unter anderem drei Naturschutzverbände sowie Kommunen. Sie halten den 5,6 Kilometer langen Tunnel für nicht notwendig und nicht finanzierbar. Zudem ziehen sie die Tunnelsicherheit in Zweifel.

Eine Vorlage der Verfahren beim Gericht in Luxemburg kommt deshalb infrage, weil zu den Aspekten der Klagebefugnisse von Naturschutzverbänden innerhalb des Bundesverwaltungsgerichts unterschiedliche Auffassungen vorherrschen: Der 7. Senat, der etwa über die geplanten Vertiefungen von Weser und Elbe entscheiden wird, stellt hier höhere Ansprüche an die Naturschützer als der 9. Senat, der jetzt über die A 20 verhandelt.

Eine Vorlage der Fälle in Luxemburg hätte zur Folge, dass auch nach den Verhandlungstagen am Montag und heutigen Dienstag keine Urteile verkündet, sondern die Verfahren ausgesetzt und erst nach der Luxemburger Entscheidung fortgesetzt werden. Dann würden die Urteile erst 2017 oder 2018 verkündet werden können.

Allerdings könnte der geplante Elbtunnel auch dann noch nicht gebaut werden, wenn die fünf Richter des 9. Senats schon bald ihre Urteile verkünden sollten. Denn auch gegen den niedersächsischen Abschnitt des geplanten Elbtunnels liegen mehrere Klagen beim Bundesverwaltungsgericht vor, über die später noch zu entscheiden sein wird. Außerdem muss abgewartet werden, bis für die restlichen Abschnitte der A 20 als Nordwestumfahrung von Hamburg die Planungen abgeschlossen sind und auch hier über die Klagen entschieden sein wird, wie Richter Andreas Korbmacher erläuterte. Er ist Berichterstatter in den Verfahren zum Elbtunnel aufseiten Schleswig-Holsteins. Der 9. Senat hat bereits einen sechsten Ergänzungsrichter in den Verhandlungen dabei, falls die Verfahren länger dauern, da Richterin Elisabeth Buchberger Ende April in den Ruhestand gehen wird.

Das heißt: Im Fall einer möglichen Vorlage beim Europäischen Gerichtshof könnte so bald nicht mit dem Bau des Elbtunnels begonnen werden – und wenn die Urteile demnächst fallen sollten, ebenfalls nicht.

Neben den drei Naturschutzverbänden BUND, dem Nabu und dem Landesnaturschutzverband Schleswig-Holstein klagen 22 Privatleute, die Betreiber der Elbfähre Glückstadt-Wischhafen, der Kreis Steinburg und die Gemeinde Kollmar. Die Elbfährenbe-treiber befürchtet negative wirtschaft-liche Auswirkungen des Elbtunnels auf ihren Geschäftsbetrieb, der Kreis Steinburg und die Gemeinde Kollmar zu große Belastungen durch den Brandschutz für die Feuerwehren, die dann für den Tunnel zuständig wären. Im Prozess gestern kündigten die Planer Nachbesserungen an. Es solle mehr Notausgänge geben, die für Rettungskräfte nutzbar und befahrbar sind. Die Privatkläger wiederum fürchten, dass sie durch die Bauarbeiten und den künftigen Lärm der Autobahn stark beeinträchtigt werden. Und die Naturschützer sehen Flora-Fauna-Habitate sowie Vogelrastgebiete und Marschgebiete nicht genügend geschützt.

Die Elbfähre „Wilhelm Krooss“ fährt
von Glückstadt nach Wischhafen
Die Elbfähre „Wilhelm Krooss“ fährt von Glückstadt nach Wischhafen © dpa | Maurizio Gambarini

In einem anderen Abschnitt der A 20, der Südumfahrung von Bad Segeberg, waren die Naturschützer schon erfolgreich. Im November 2013 hatte ebenfalls der 9. Senat sie für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Dies betrifft den zehn Kilometer langen Abschnitt zwischen Weede und Wittenborn. Hier ist der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein noch dabei, in neuen Planungen die beanstandeten Mängel zu beseitigen. „Durch die sich daraus ergebenden Zeitverzögerungen kann das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, die A 20 noch in dieser Legislaturperiode bis an die A 7 heranzuführen, nicht mehr erreicht werden“, heißt es dazu von der Behörde.

Bei Glückstadt ist bisher ein 6,5 Kilometer langer Elbtunnel vorgesehen. Die Kosten werden vom Bundesrechnungshof auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Allerdings ist die Finanzierung weiter unklar. Es war zwar das Modell einer öffentlich-privaten Partnerschaft geplant, allerdings fanden sich dafür keine Investoren. Nach einer Studie des Bundesverkehrsministeriums waren Mautkosten von 4,75 Euro für normale Autos und 25 Euro für große Lastwagen vorgesehen.

Am gestrigen Verhandlungstag bemängelte Anwältin Roda Verheyen, die die 22 Privatleute vertritt, dass die Öffentlichkeit an den Planungen zu wenig beteiligt worden sei. Die Leute in Schleswig-Holstein seien nicht über die Planungen in Niedersachsen informiert worden, als das Vorhaben öffentlich vorgestellt wurde. Die Gegenseite erklärte, dass man die Planungen für Niedersachsen im Straßenbauamt Itzehoe hätte einsehen können. Das konnte aber nur wissen, wer die Unterlagen zu Schleswig-Holstein bei der Behörde eingesehen habe.