Bremen/Hamburg. Zwei Städte, zwei Traditionen: Heute Abend lädt Hamburg zum Matthiae-Mahl, Bremen zur Schaffermahlzeit. Beide erwarten viel Prominenz.

Es kommt nur selten vor, dass Bremen und Hamburg am selben Tag ihr größtes Festmahl feiern. An diesem Freitag ist es soweit. Zum Matthiae-Mahl im Hamburger Rathaus haben sich rund 400 Gäste und als Prominenz Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Premier des Vereinigten Königreichs, David Cameron, angesagt. Sie dürfen sich auf das Vier-Gänge-Menü eines Sternekochs freuen, das bis zuletzt wie ein Staatsgeheimnis gehütet wird. Im Bremer Rathaus versammeln sich ebenfalls heute rund 300 Gäste. Zur Schaffermahlzeit mit sechs Gängen kommt Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

So sehr sich die beiden gesellschaftlichen Events ähneln, so unterschiedlich sind sie in ihren Traditionen, Ambiente, Prestige und Speisen. Das Abendblatt bietet eine Übersicht und bewertet, welches Mahl bei welchen Kriterien punktet.


Tradition
Das Hamburger Mahl hat eine deutlich längere Tradition als die Schaffermahlzeit in Bremen. Seit dem Jahr 1356 ist der Brauch überliefert, am Tag für den Heiligen Matthias, (24. Februar), „Vertreter der Hamburg freundlich gesonnenen Mächte“ einzuladen. Das Matthiae-Mahl ist nach Senatsangaben das weltweit älteste heute noch begangene Festmahl. Der 24. Februar galt im Mittelalter als Frühlingsbeginn und Termin für den Dienstbotenwechsel im Rathaus. Zu Matthiae wurden auch die Aufgaben im Senat neu verteilt. Um heutzutage dem Terminkalender der Ehrengäste gerecht zu werden, kann das Mahl auch an einem anderen Tag im Februar stattfinden. Eine historische Anordnung legt fest, dass das Matthiae-Mahl nur dann veranstaltet wird, „wenn die Zeitläufe es erlauben“. Neben in- und ausländischen Ehrengästen geben sich an diesem Abend Kaufleute, Politiker, Manager und weitere Vertreter des öffentlichen Lebens in der Hansestadt die Ehre. Gelegentlich kommt es vor, dass die Gattinen mancher Hamburger Herren in den Senatsvorzimmern anrufen, um eine Einladung zu erwirken.

Während der Hamburger Senat zu diesem Festschmaus einlädt, sind es in Bremen die Schaffer. Als Schaffer werden die Kaufmännischen Mitglieder der Stiftung Haus Seefahrt bezeichnet. Sie übernehmen die Kosten. In Hamburg zahlt die Stadtkasse.

Das Bremer Schaffermahl geht auf das Jahr 1545 zurück und ist nach Angaben der Stiftung „das älteste fortbestehende, sich alljährlich wiederholende Brudermahl der Welt“. Bis zum Jahr 2004 war der Schmaus in der Oberen Halle des Rathauses fest in Männerhand. Mit der Kapitänin Barbara Massing (2004) und Kanzlerin Angela Merkel als Ehrengast (2007) öffnete sich das Treffen für die Damen. „Was lange währt, wird endlich gut“, kommentierte Merkel damals den längst fälligen Wandel. An dem mindestens fünfstündigen Mahl nehmen 300 Honoratioren aus der Seefahrt, der Wirtschaft und der Politik teil. 100 Tafelgäste sind Kaufleute, 100 stammen aus der Seefahrt, und 100 repräsentieren das öffentliche Leben – so will es die Tradition. Gefeiert wird stets am zweiten Freitag im Monat Februar.


Ambiente und Protokoll
In beiden Rathäusern wird an diesem Tag das Tafelsilber herausgeholt: Im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses dinieren die Damen und Herren an fünf langen und einem quer stehenden Tisch. 48 Silberaufsätze und 42 fünfarmige Silberleuchter tragen zum Tafelglanz bei. Auf dem Ehrentisch thront ein prunkvoller Pokal, ein Geschenk König Edwards VII. von England. Rund 3000 Silber-Besteckteile warten auf ihren Einsatz.

Das Bremer Schaffermahl erwartet in diesem Jahr rund 300 Gäste. Die Männer sind am Tisch noch immer
Das Bremer Schaffermahl erwartet in diesem Jahr rund 300 Gäste. Die Männer sind am Tisch noch immer © dpa | Ingo Wagner

In Bremen geht es beim Besteck dagegen recht spartanisch zu. Nach jedem Gang muss das vorhandene Besteck erneut genutzt und vom Gast höchstpersönlich mit einer Serviette abgewischt werden. Dafür legen die Bremer Schaffer großen Wert auf strenge Regeln: In der Oberen Rathaushalle ist für Männer das Tragen eines schwarzen Fracks Pflicht. Altgediente Stiftungsmitglieder geben sich mit schwarzer, Gäste mit weißer Fliege zu erkennen. In Hamburg sind die Vorschriften lockerer: Die Senatskanzlei erwartet festliche Abendgarderobe. Der Bürgermeister empfängt die Ehrengäste traditionell auf dem oberen Absatz der Senatstreppe. Während das Matthiae-Mahl offiziell um 20 Uhr startet und von drei Reden unterbrochen wird, beginnt das Schaffermahl bereits um 14.38 Uhr mit dem Auftragen der Hühnersuppe. Zwölf Reden werden in insgesamt fünf Stunden gehalten. Zum Abschluss raucht man Tabak aus Tonpfeifen. Für diesen Brauch gibt es eine Ausnahme im Bremischen Nichtraucherschutzgesetz.


Kalorien Ein Verdener Cateringunternehmen beköstigt die Schaffermahlzeit. Die Speisenfolge ist streng geregelt: Bremer Hühnersuppe, Stockfisch, Seefahrtsbier aus Silberhumpen, Braunkohl und Pinkel, danach Kalbsbraten und zum Finale Rigaer Butt. Wie Caterer Stefan Madaus dem Abendblatt sagte, besteht die logistische Herausforderung darin, die Speisen in einer externen Küche vorzubereiten und dann ins Rathaus zu transportieren. Allein 80 Kilogramm Stockfisch und 150 Kilogramm Kartoffeln werden verarbeitet. „Alle Produkte kommen aus der Region, außer der Stockfisch“, sagt Madaus. Der kommt aus Norwegen.

Im Hamburger Rathaus tischt in diesem Jahr – bestimmt deutlich kalorienbewusster – Sternekoch Heinz Otto Wehmann vom Landhaus Scherrer auf. Das Menü bleibt bis 19.45 Uhr geheim – so schreibt es das Ritual vor. Hamburgs Altbürgermeister Ole von Beust bezeichnete das Mahl einst als „sechsstündige Völlerei“.


Prominenz Beide Festmahle schmücken sich alljährlich mit prominenten Persönlichkeiten. In Bremen ist es allerdings üblich, dass ein Ehrengast nur einmal in seinem Leben eingeladen wird. Hamburg legt einen stärkeren Akzent auf ausländische Repräsentanten. So saßen schon Königin Silvia von Schweden (2003) und Abdullah II. König von Jordanien (2005) an der Tafel.


Prestige Zwar vermittelt das Matthiae-Mahl eine größere internationale Strahlkraft. Aber in Bremen geht es nicht zuletzt um einen guten Zweck: Die Spenden, die bei den 100 Gästen aus dem gesellschaftlichen Leben gesammelt werden, kommen bedürftigen Seeleute zugute und mit dem Haus der Seefahrt der ältesten sozialen Einrichtung der Welt.