Husum/Hamburg . Briefe norddeutscher Dichter zum Fest: Matthias Claudius klagt über die Kälte, und Theodor Storm wird sentimental.

Es sind literarische Juwelen und Dokumente der Weihnachtskultur: Die Weihnachtsbriefe norddeutscher Dichter aus dem 18. und 19. Jahrhundert geben bis heute Einblicke in die Gefühls- und Stimmungslage der Autoren und in das reiche weihnachtliche Brauchtum der damaligen Zeit. Ob sie nun Matthias Claudius oder Johann Heinrich Voß heißen – wer die Zeilen heute liest, dem läuft es erst einmal ziemlich kalt über den Rücken.

Der harte nordische Winter setzte den Bewohnern in Hamburg, Segeberg und Kiel unerbittlich zu. Homer-Übersetzer Johann Heinrich Voß (1751–1826) klagte in einem Brief am 23. Dezember 1783 an seine Frau Ernestine: „Das Gesicht glüht mir vor der Kälte, und die Finger sind noch eben so starr, als gestern.“ Der humanistische Gelehrte aus Eutin schrieb die Zeilen in Segeberg, froh darüber, dass ihm ein halbes Bund Stroh die Füße wärmen konnte.

Der Wandsbeker Winter im Dezember 1798 muss ebenfalls bitterkalt gewesen sein. Der „Wandsbecker Bo­the“ Matthias Claudius lässt seine Tochter Anna und deren Mann in einem Brief vom 28. Dezember wissen, dass es aufgrund „des entsetzlichen Schnees und Sturms und der Kälte wegen lebensgefährlich zu gehen war“. Die Kälte sei „entsetzlich“ und der „Schnee halb Manns hoch“. In den Baracken auf dem Hamburger Berg – also auf St. Pauli – sollen Weihnachten 19 Menschen erfroren sein, schrieb der Dichter des Volksliedes „Der Mond ist aufgegangen“.

Heinrich Heine verspricht als Geschenk, sich selbst nicht zu töten

Aus dem „verdammten Hamburg“ meldete sich am 14. Dezember 1825 der Dichter Heinrich Heine (1797 bis 1856) in einem Brief an seinen Freund Moses Moser (1796–1838) zu Wort. Klagen über das Wetter finden sich darin allerdings nicht. Aber die wenigen Zeilen sind das düstere Fazit einer negativen Jahresbilanz. Seinem Freund, den er einmal als eine „Prachtausgabe eines wirklichen Menschen“ bezeichnete, schenkte Heine zum Fest ein Versprechen: „daß ich mich vor der Hand noch nicht todtschießen will“.

Fritz Reuter saß
1839 in der Festung
Dömitz als Häftling
Fritz Reuter saß 1839 in der Festung Dömitz als Häftling © picture alliance

Biografisch steckte der Dichter mit jüdischer Herkunft damals in einem Dilemma. Um den Beruf eines Rechtsanwalts ergreifen zu können, hatte er sich wenige Monate vor dem Weihnachtsfest protestantisch taufen lassen. Ohne Taufe gab es damals keine staatliche Anstellung. Das christliche Sakrament sollte für ihn zum „Entré Billet zur europäischen Kultur“ werden. Und obwohl er im selben Jahr zum Doktor der Rechtswissenschaften in Göttingen promoviert wurde, klappte es nicht mit einem Advokatenjob. Also musste er wieder freier Schriftsteller in Hamburg werden, wo ihn sein Onkel, der Bankier Salomon Heine, finanziell weiter unterstützte.

In prekärer Lage befand sich auch der niederdeutsche Schriftsteller Fritz Reuter (1810–1874). Er saß zum Weihnachtsfest 1839 im Gefängnis in der Festung Dömitz an der Elbe – „bei rasender Kälte“, ohne Schnee. Reuter war vorher eigentlich zum Tode verurteilt, dann aber zur Festungshaft begnadigt worden. Die angeblichen Vergehen: „Teilnahme an hochverräterischen burschenschaftlichen Verbindungen in Jena und Majestätsbeleidigung“. Im Brief an seinen Vater, geschrieben am 20. Dezember 1839, bedauert er, dass er das Weihnachtsfest nicht im Familienkreis verbringen kann.

Die schönsten Weihnachtsmärkte im Norden

Der Historische Weihnachtsmarkt auf dem Hamburger Rathausmarkt erstrahlt in stimmungsvollem Licht
Der Historische Weihnachtsmarkt auf dem Hamburger Rathausmarkt erstrahlt in stimmungsvollem Licht © picture alliance | dpa Picture-Alliance / CHROMORANGE / Bodo von Ulmenstei
90 Aussteller gestalten den Historischen Weihnachtsmarkt vor der imposanten Rathauskulisse
90 Aussteller gestalten den Historischen Weihnachtsmarkt vor der imposanten Rathauskulisse © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Bodo Marks
Russische Schachtelpuppen, Matroschkas, an einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt am Rathausmarkt
Russische Schachtelpuppen, Matroschkas, an einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt am Rathausmarkt © dpa | Axel Heimken
Der tägliche Höhepunkt: Santa Claus gleitet mit seinem Schlitten in luftiger Höhe über die staunenden Kinderaugen hinweg (16, 18 und 20 Uhr)
Der tägliche Höhepunkt: Santa Claus gleitet mit seinem Schlitten in luftiger Höhe über die staunenden Kinderaugen hinweg (16, 18 und 20 Uhr) © dpa | Axel Heimken
Auch klassische Schneekugeln dürfen nicht fehlen
Auch klassische Schneekugeln dürfen nicht fehlen © dpa | Daniel Bockwoldt
Bis 23. Dezember hat der Weihnachtsmarkt vor dem Hamburger Rathaus täglich von 11 bis 21 Uhr, freitags und sonnabends bis 22 Uhr geöffnet
Bis 23. Dezember hat der Weihnachtsmarkt vor dem Hamburger Rathaus täglich von 11 bis 21 Uhr, freitags und sonnabends bis 22 Uhr geöffnet © dpa-tmn | Bodo Marks
Hamburgs „frivolster Weihnachtsmarkt“: Santa Pauli auf der Reeperbahn feiert in diesem Jahr seinen 10. Geburtstag
Hamburgs „frivolster Weihnachtsmarkt“: Santa Pauli auf der Reeperbahn feiert in diesem Jahr seinen 10. Geburtstag © dpa | Axel Heimken
Hinweisschilder weisen auf dem Santa Pauli Weihnachtsmarkt auf die Attraktionen „Strip-Zelt“ und „Show-Bühne“ hin
Hinweisschilder weisen auf dem Santa Pauli Weihnachtsmarkt auf die Attraktionen „Strip-Zelt“ und „Show-Bühne“ hin © dpa | Axel Heimken
Vor der Kulisse der Tanzenden Türme ist der erotische Kiez-Weihnachtsmarkt noch bis 23. Dezember für Besucher geöffnet
Vor der Kulisse der Tanzenden Türme ist der erotische Kiez-Weihnachtsmarkt noch bis 23. Dezember für Besucher geöffnet © dpa | Axel Heimken
Santa Pauli nennt sich auch „Hamburgs geilster Weihnachtsmarkt“
Santa Pauli nennt sich auch „Hamburgs geilster Weihnachtsmarkt“ © dpa | Angelika Warmuth
Der Stand einer Sex-Drogerie auf dem Santa Pauli Weihnachtsmarkt
Der Stand einer Sex-Drogerie auf dem Santa Pauli Weihnachtsmarkt © dpa | Axel Heimken
In Lüneburg können Besucher auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus unter anderem Schmuck, Holzspielzeug und Lüneburger Salzlampen kaufen. Der Weihnachtsmarkt ist täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet (So ab 11 Uhr)
In Lüneburg können Besucher auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus unter anderem Schmuck, Holzspielzeug und Lüneburger Salzlampen kaufen. Der Weihnachtsmarkt ist täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet (So ab 11 Uhr) © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Philipp Schulze
Die Lübecker wissen, wie man Weihnachten feiert: Schließlich ist der erste Weihnachtsmarkt bereits im Jahr 1648 urkundlich belegt
Die Lübecker wissen, wie man Weihnachten feiert: Schließlich ist der erste Weihnachtsmarkt bereits im Jahr 1648 urkundlich belegt © Olaf Malzahn | Olaf Malzahn
Der Weihnachtsmarkt rund um das Lübecker Rathaus bis zum 30. Dezember geöffnet
Der Weihnachtsmarkt rund um das Lübecker Rathaus bis zum 30. Dezember geöffnet © LTM - S-E Arndt | Sven-Erik Arndt
Blick auf den Weihnachtsmarkt in Wernigerode im Harz: Umgeben von Fachwerkhäusern zählt der Markt zu den schönsten der Region
Blick auf den Weihnachtsmarkt in Wernigerode im Harz: Umgeben von Fachwerkhäusern zählt der Markt zu den schönsten der Region © ZB | Matthias Bein
Der Weihnachtsmarkt in Wernigerode wird jährlich von vielen Hunderttausend Gästen besucht
Der Weihnachtsmarkt in Wernigerode wird jährlich von vielen Hunderttausend Gästen besucht © ZB | Matthias Bein
Enno Freiherr von Ruffin veranstaltet auf dem Gut Basthorst seinen ländlich geprägten Markt mit rund 300 Ausstellern. Vom Hamburger ZOB bringt ein Weihnachtsmarkt-Shuttle die Besucher freitags bis sonntags stündlich (ab 10.15 Uhr) ein Weihnachtsmarkt-Shuttle die Besucher direkt zu dem Markt mit einer originalen Tiroler Almhütte
Enno Freiherr von Ruffin veranstaltet auf dem Gut Basthorst seinen ländlich geprägten Markt mit rund 300 Ausstellern. Vom Hamburger ZOB bringt ein Weihnachtsmarkt-Shuttle die Besucher freitags bis sonntags stündlich (ab 10.15 Uhr) ein Weihnachtsmarkt-Shuttle die Besucher direkt zu dem Markt mit einer originalen Tiroler Almhütte © Gutsverwaltung Basthorst | Gutsverwaltung Basthorst
Eine Verkäuferin posiert neben einem Modell des Hamburger Rathauses, das sie auf dem Historischen Weihnachtsmarkt zum Verkauf anbietet
Eine Verkäuferin posiert neben einem Modell des Hamburger Rathauses, das sie auf dem Historischen Weihnachtsmarkt zum Verkauf anbietet © dpa | Axel Heimken
Am Hamburger Jungfernstieg findet der „Winterzauber“ statt
Am Hamburger Jungfernstieg findet der „Winterzauber“ statt © picture alliance / Bildagentur-o | dpa Picture-Alliance / C.Ohde/Bildagentur-online
Der Weihnachtsmarkt in der Spitalerstraße in Hamburg
Der Weihnachtsmarkt in der Spitalerstraße in Hamburg © picture alliance / Bildagentur-o | dpa Picture-Alliance / C.Ohde/Bildagentur-online
Flensburg erwartet auch in diesem Jahr wieder rund 100.000 Weihnachtsmarktbesucher
Flensburg erwartet auch in diesem Jahr wieder rund 100.000 Weihnachtsmarktbesucher © Flensburg Tourismus | Flensburg Tourismus
Bis Silvester gibt es in der Fördestadt etwa heimischen Rum, holländische Poffertjes, Felle oder Lederwaren zu kaufen
Bis Silvester gibt es in der Fördestadt etwa heimischen Rum, holländische Poffertjes, Felle oder Lederwaren zu kaufen © Flensburg Tourismus | Flensburg Tourismus
Der Rostocker Weihnachtsmarkt ist der größte Norddeutschlands
Der Rostocker Weihnachtsmarkt ist der größte Norddeutschlands © ZB | Bernd Wüstneck
Hier gibt es die angeblich größte Weihnachtspyramide der Welt (Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde) zu sehen
Hier gibt es die angeblich größte Weihnachtspyramide der Welt (Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde) zu sehen © ZB | Bernd Wüstneck
Auch in Bremen ist es weihnachtlich
Auch in Bremen ist es weihnachtlich © dpa | Carmen Jaspersen
Die beiden Türme des St.-Petri-Doms in Bremen erstrahlen in Blau
Die beiden Türme des St.-Petri-Doms in Bremen erstrahlen in Blau © dpa | Ingo Wagner
Weihnachtliche Stadtkulisse: Die Alstertanne auf der Hamburger Binnenalster
Weihnachtliche Stadtkulisse: Die Alstertanne auf der Hamburger Binnenalster © picture alliance / blickwinkel/M | dpa Picture-Alliance / McPHOTO
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„Nichts habe ich als Wünsche für Dein und der Schwestern Wohl und die Bitte um Erhaltung Deiner Liebe“, schreibt er seinem Vater. Zugleich gibt er seiner Hoffnung Ausdruck, dass dies wohl das letzte Weihnachten sein werde, „das ich fern von Euch zubringen muß, wenigstens im Kerker“. Im folgenden Jahr sollte der Dichter freikommen.

Die Lektüre von Weihnachtsbriefen norddeutscher Dichter aus dem 19. Jahrhundert belegt auch, wie das Fest privat gefeiert wurde. Detlef von Liliencron (1844–1909), der Rahlstedter Lyriker, teilte am 20. Dezember 1869 Ernst Freiherr von Seckendorff mit, dass er den Weihnachtsabend bei einer „mir persönlich höchst fatalen Tante“ verleben werde. Am ersten Weihnachtstag sei er erneut bei ihr. Sie habe eine „röthliche Nase und soll zum Frühstück immer Madeira trinken“.

Theodor Storm schreibt zum Fest an seinen „lieben Freund“ Gottfried

Heinrich Heine
schrieb aus dem
„verdammten Hamburg“
Heinrich Heine schrieb aus dem „verdammten Hamburg“ © picture alliance

Wie ein Kind freute sich dagegen Theodor Storm (1817–1888), der Dichter und Schriftsteller aus Husum. Aus Hademarschen-Hanerau, seinem Alterssitz, schrieb er am 22. Dezember 1882 an seinen „lieben Freund“ Gottfried Keller. Zum „ewig jungen Kindheitsfest“ wolle er ihm die Hand schütteln. Zwei Tage lang wurde im Hause Storms das Fest schon vorbereitet, Pakete gepackt, Weihnachtsbriefe in alle Welt verschickt.

Nun müsse noch die zwölf Fuß (3,6 Meter) hohe Tanne mit Kreuzschnäbeln aus Papiermaché und weißen Netzen aufgestellt werden. „Unten“, schreibt der betagte Mann, „spielt meine Jüngste allerlei süße Melodien, und im ganzen Hause weihnachtet es sehr.“

„Lieber Freund“, fügt er am Ende hinzu, „ich werde sentimental, und das schickt sich eigentlich nicht für alte Leute“.