Flensburg/Lübeck. Dänische Bahn nimmt Betrieb wieder auf. Weil immer mehr Flüchtlinge kommen, waren der Bahnverkehr unterbrochen und Autobahnen gesperrt.
Der grenzüberschreitende Zugverkehr mit Dänemark ist am Donnerstag wieder aufgenommen worden. Ein erster Zug mit Flüchtlingen verließ am Donnerstagmorgen um kurz nach 7 Uhr Flensburg in Richtung Dänemark. Am Grenzbahnhof in Padborg kontrollierten Dutzende Polizisten die Menschen. Die rund 50 Flüchtlinge seien zu ihren Reisezielen befragt worden, anschließend durfte der Zug in Richtung Kopenhagen weiterfahren, sagte ein Sprecher in Padborg.
Die dänische Bahn rechnet damit, dass im Tagesverlauf weitere Züge über die Grenze bei Flensburg und Padborg rollen, teilte das Unternehmen mit. Auch die Intercity-Züge sollen wieder die gesamte Strecke zwischen Flensburg und Kopenhagen befahren.
In Flensburg verbrachten rund 100 Flüchtlinge die Nacht in der Bahnhofshalle. Flensburger hatten ihnen Decken, Essen und Kleidung vorbeigebracht. Der Zugverkehr war am Mittwoch eingestellt, zahlreiche Flüchtlinge auf ihrem Weg gen Norden an der Grenze gestoppt worden.
Festgesetzten Flüchtlingen droht Abschiebung nach Ungarn
Im Norden werden immer mehr Flüchtlinge zum Spielball nationaler Interessen und eines offenbar obsolet gewordenen Asylrechts. Dänemark sperrte am Mittwoch zeitweise die A 7 und schloss den Hafen Rødby, um den Zustrom zu kontrollieren. Der Bahnverkehr war ab dem Nachmittag komplett unterbrochen. In Rødby wurden 230 Flüchtlinge festgesetzt. Sie waren dort per Zug und Fähre angekommen – nach einem Zwangsaufenthalt auf dem Lübecker Bahnhof. Ziel der zumeist syrischen Flüchtlinge ist Schweden. Ob sie dort jemals ankommen werden, ist derzeit fraglich.
Die schwedische Regierung lehnt eine Sonderregelung ab. Deshalb droht den festgesetzten Flüchtlingen nun möglicherweise eine Abschiebung nach Ungarn. „Die schleswig-holsteinische Landesregierung muss mit der dänischen Regierung Kontakt aufnehmen“, fordert Burkhard Peters, innenpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen. „Dieses Hin- und Hergeschiebe von Menschen ist unwürdig.“
In Dänemark hatte sich die Situation im Laufe des Tages zugespitzt. Bei Padborg, kurz hinter der deutsch-dänischen Festlandgrenze, waren rund 400 Flüchtlinge aus einem Lager geflohen, um auf der Autobahn in Richtung Schweden zu wandern. Die dänische Polizei musste die E 45, die Verlängerung der A 7, von etwa 11 bis 15.30 Uhr sperren.
Am Nachmittag schlossen die Dänen dann auch den Hafen Rødby auf der Vogelfluglinie. „Die Scandlines-Fähren fahren nicht, wir haben die Anweisung bekommen, unsere Züge in Hamburg und Lübeck zu stoppen“, sagte der Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Eine Sprecherin der Scandlines-Reederei bestätigte, dass der Hafen für ein bis zwei Stunden nicht habe angefahren werden können. Um 16 Uhr dann die Auskunft: „Drei von vier Fähren fahren wieder, die vierte liegt in Rødby und wird von der Polizei durchsucht.“
Schleswig-Holstein versucht, immer mehr Flüchtlinge unterzubringen
Formal sind die Dänen mit ihrem harten Vorgehen im Recht. Denn die Flüchtlinge haben keine Visa und müssen deshalb nach EU-Recht zunächst festgehalten werden, um ihren Status zu klären. Immer mehr EU-Länder wenden diese Regelung allerdings nicht mehr an, teils aus nationalen Interessen, teils aus humanitären Gründen. So hat Deutschland in den vergangenen Tagen Tausende Flüchtlinge aus Ungarn aufgenommen, die sich am Budapester Hauptbahnhof aufgehalten hatten. Sie hätten eigentlich in Ungarn bleiben müssen. Diese Ausnahmeregelung war in Dänemark kritisiert worden. Lars Harms, Fraktionschef der Dänenpartei SSW im Kieler Landtag, verteidigt die Haltung der dänischen Regierung.
„Es ist rechtlich nicht zulässig, die Flüchtlinge einfach durchzuleiten, weil sie nach Schweden wollen.“ Genau dies hatte die schleswig-holsteinische Landespolizei allerdings tags zuvor in Lübeck getan. Hat sie also „rechtlich nicht zulässig“ gehandelt, Herr Harms? „Sie hat menschlich vernünftig gehandelt“, sagt Harms. Er steht mit dieser Meinung nicht allein. Im Kieler Landeshaus gab es am Mittwoch keine Fraktion, die das Verhalten der Polizei kritisiert hätte. In Lübeck hatten sich die Flüchtlinge geweigert, sich registrieren zu lassen. Der leitende Polizeidirektor Joachim Gutt ließ sie daraufhin weiterfahren. Begründung: „Diese Menschen haben unglaubliche Erlebnisse, Gewalt und Leiden hinter sich. Daher habe ich die Entscheidung getroffen, dass Polizeibeamte wegen durchzuführender Verwaltungsakte keine Gewalt gegen Flüchtlinge anwenden.“
Laut Landespolizeiamt wurde die dänische Polizei über die Entscheidung informiert. Dennoch wurden die Flüchtlinge, kaum dass die Fähre am Mittwoch gegen 0.30 Uhr in Rødby festgemacht hatte, von der dänischen Polizei festgesetzt. Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein sagt: „Die Länder tragen ihren Streit um die Anwendung des europäischen Asylrechts auf dem Rücken der Flüchtlinge aus.“ Sowohl die dänischen als auch die deutschen Behörden wirkten am Mittwoch zumindest überfordert mit der Aufgabe, zu einem koordinierten Vorgehen zu kommen. Lars Harms vom SSW sagte immerhin: „Die Dänen sprechen gerade auf Regierungsebene mit den Schweden über die Frage, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen wollen.“
Schleswig-Holstein versucht derweil, immer mehr neue Flüchtlinge unterzubringen. Allein am Dienstag kamen 1500 an. Die Innenstaatssekretärin Manuela Söller-Winkler sagte, es gehe deshalb jetzt nicht mehr darum, mit den Gemeinden auszuhandeln, wer wo untergebracht wird. „Wir werden jetzt einfach nur Unterkünfte akquirieren.“ Das Land schaltet auf Notfallmodus. In Putlos wurde die Ausbildung von Soldaten abgebrochen, um Kasernen für Flüchtlinge nutzen zu können.