Die schönsten Ziele im Norden. Sechter Teil: St. Peter-Ording vom Pferderücken aus oder mit dem Strandsegler entdecken.

Nur eineinhalb Stunden Autofahrt von Hamburg entfernt liegt sie vor einem: diese unendlich scheinende Weite. Kein Wunder, ist der Strand von St. Peter-Ording zwölf Kilometer lang und zwei Kilometer breit. Nicht so abgehoben wie Sylt, schneller zu erreichen als Föhr ist Sankt Peter auf der Eiderhalbinsel eine Nordseeinsel, die keine richtige ist, sich aber so anfühlt.

8 Uhr: Abfahrt

Die A 23 ist frei, die Fahrt entspannt. Die Sonne scheint – so macht frühes Aufstehen Spaß.

10 Uhr: Fest im Sattel

Den Strandausritt mit den Pferden vom Reiterhof Dreililien im Ortsteil Böhl hatte ich vorweg telefonisch gebucht. Nora, die Norwegerstute, ist so flott im Galopp, dass ich sie ein wenig bremsen muss. Bloß nicht Oscar, den Norweger vor uns, überholen. Wir sollen alle hintereinander bleiben. Sonst besteht die Gefahr, dass die Pferde sich ein Rennen liefern. Die Reiterin an der Spitze gibt die Kommandos – wir zehn anderen hören auf sie. Und Nora hört auf mich. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass sie einfach nur den Pferden vor ihr folgt. Das gelegentliche Reiten im Urlaub macht aus mir leider keine perfekte Reiterin. Ich lerne noch. Im Galopp geht es über den Sandstrand und ab in die Nordsee, Seepferdchen spielen. Was für ein toller Start in den Tag: Die Sonne scheint, kein Wind, die Nordsee am Horizont. Es gibt wohl nur wenige Strände, an denen man so eine lange Strecke galoppieren kann.

13.40 Uhr: Chillen über dem Wasser

Auch der breiteste Strand wie der von St. Peter-Ording kann an heißen Sommertagen ziemlich voll werden
Auch der breiteste Strand wie der von St. Peter-Ording kann an heißen Sommertagen ziemlich voll werden © Andreas Laible

Der lange Strandausritt macht hungrig. Also gleich mal mit dem Auto in den Ortsteil Ording fahren, für vier Euro am Strandweg parken und den 70 Meter langen Holzweg zur Strandbar 54 Grad – einer der 15 Pfahlbauten – gehen. Und nicht vergessen, drei Euro Kurtaxe an Helmut zu zahlen. Der sitzt in seinem roten T-Shirt vor der kleinen Holzhütte vor dem Weg zum Strand und kassiert. Bloß nicht versuchen, sich durchzumogeln. Dann wird Helmut sauer. Die Geschichte der Pfahlbauten begann übrigens vor dem Ersten Weltkrieg mit der berühmten „Giftbude“, die bei der Sturmflut 1936 zerstört wurde. Sie stellte den Startschuss der für St. Peter-Ording typischen Strandbauten dar. Später folgte „Doris’ Strandcafé“, bis Uwe Kirchner das Café 2008 übernahm und in eine moderne Strandbar umbaute. Auf dem Sonnendeck gibt es eine Lounge-Ecke mit bunten Sitzpolstern und Liegen hinter großen Glasscheiben. Unter mir ist das Meer, und es fühlt sich an wie auf einem Kreuzfahrtschiff. Eine große Johannisbeerschorle (vier Euro) und eine Ofenkartoffel mit Sourcream (sechs Euro) machen den Moment perfekt. „Who the fuck is Sylt?“, wer zum Teufel ist Sylt, ist hier das inoffizielle Motto. Na ja, den Möchtegern-Adonis in der knappen weißen Badehose und mit der etwas zu dunkel gebräunten Haut auf der Liege würde man eher auf Sylt vermuten. Aber dann wiederum: Passen knappe, weiße Badehosen überhaupt irgendwohin?

14.45 Uhr: Endlich am Strand

Chillen über dem Wasser ist gut. Im Wasser ist es besser. Nach dem Schwimmen hole ich mir ein Eis ein paar Schritte weiter in der Surfschule X-H2O. Schön trubelig ist es hier, Surfschüler wuseln herum, junge Frauen mit gehäkelten Mützen schmökern in ihren Büchern. Vermutlich warten sie auf ihre Freunde, die hier Surflehrer sind. Vielleicht sind sie aber auch Kitesurferinnen, die gerade pausieren, weil Flaute ist. Deshalb sind viele Stand-up-Paddler auf gemieteten Boards auf dem Wasser (15 Euro/Stunde).

16 Uhr: Wo einst die Kinder kurten

Auf dem Weg vom Strand ins Beachmotel fällt das Strandhaus am Strandweg 11 auf. Von außen sieht es unscheinbar aus, wenn da nicht dieser Kaffeegarten wäre. Wie einladend, unter den Bäumen Kaffee zu trinken und Apfelkuchen (3,10 Euro) zu essen. Hotelchefin Marie-Christin Kaesehage erzählt, dass das Haus früher „Heimattreue“ hieß und ein Kinderkurheim war. Viele Hamburger Kinder wurden hier zum Aufpäppeln hingeschickt. Frau Kaesehage und ihr Mann Peter-Friedrich Rohlfs haben das Haus, das die vergangenen 30 Jahre schon eine Pension war, 2008 übernommen und umbauen lassen.

16.30 Uhr: Neu-England-Flair

Im Hintergrund steht einer der 15 für den Ort typischen ­Pfahlbauten – es gibt je drei pro Badestelle
Im Hintergrund steht einer der 15 für den Ort typischen ­Pfahlbauten – es gibt je drei pro Badestelle © Michael Rauhe

Das Urlaubsgefühl hört nicht auf und steigert sich von Stunde zu Stunde. Das Beachmotel hinter dem Deich am Ordinger Strand ist im Neu-England-Stil gebaut, das bedeutet: viel Holz, maritime Farben. Es wird sich geduzt.

17.15 Uhr: Cruising mit Leopardenfell

Das Auto nervt. Viel schöner ist es, die Gegend mit dem Fahrrad zu erkunden. Bei Cruiser King im Beachmotel leihe ich mir ein Strandrad aus. Es ist knallrot und hat einen Sattel mit Leopardenfellimitat. Cool und kaum peinlich, hier kennt mich ja niemand. Auf geht’s zu einer kleinen Probetour den Deich entlang in den 2,8 Kilometer entfernten Ortsteil Bad. Auffällig ist das rote Gebäude nur wenige Schritte vom Seebrückenvorplatz entfernt. Im Dünenhus ist die Kreativität zu Hause. Auf dem Programm: klassische Musik, Show, Theater, Kabarett und Comedy.

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19.30 Uhr: gute Nacht. Fast

Ja, ja, die Nordseeluft macht müde. Das Restaurant Diike (diek ist friesisch für Deich, Biike für Bake beziehungsweise Feuerzeichen) ist praktischerweise im Beachmotel, und der Weg ins Bett daher nicht weit. Der Kabeljau mit Kartoffel-Meerrettich-Stampf (15,90 Euro) ist ein Traum. Im Bett wird weitergeträumt. Ich verpasse nichts. Es regnet, die Strandrunde am Abend fällt aus. Andere gehen ins moteleigene Kino, um gemeinsam „Tatort“ zu gucken.

10 Uhr: schnell, schneller, Strandsegler

Ausgeschlafen! Muskelkater! Das Reiten hat seine Spuren in Bauch- und Rückenmuskulatur hinterlassen. Mit dem Rad geht’s in wenigen Minuten zum Yacht Club St. Peter-Ording: Strand­segel-Schnupperkurs steht auf dem Programm. Nach einem kurzen Briefing im Yachtclub werden wir ins Strandsegel-Revier gebracht. Wir haben die Ausweichregeln gelernt, dass wir zehn Meter Abstand zueinander halten sollen und nicht in die Nordsee fahren dürfen. Im Halbwindkurs fahren wir Wenden und Halsen um blaue Fähnchen herum. Leicht ist das und ziemlich schnell. Strandsegeln ist ein Rennsport, hat Thomas noch gesagt und dass das hier eines der anspruchsvollsten Seglergebiete ist. Bis zu 50 Kilometer pro Stunde können wir an diesem windigen Tag mit unseren 3,5 Quadratmeter kleinen Segeln erreichen. Die Könner sind bei guten Tagen mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde dabei. Wenn es mir zu schnell wird, mache ich das Segel auf, und ziehe es wieder dicht, wenn ich schneller sein möchte. Das Fahren über den harten Sandboden ist sehr holprig. Monika aus Wiesbaden macht es auch zum ersten Mal und hat den Dreh schon nach der ersten Runde raus. „Das ist super und leichter als gedacht“, sagt die 51-Jährige.

15 Uhr: Radtour durch alle Ortsteile

Das mit den vier Ortsteilen kann ich mir einfach nicht merken. Wo liegt noch einmal welcher? Eine Fahrradtour entlang des Deiches (die Deichtour) soll das ändern. Nach Ording kommt Bad. In beiden Ortsteilen geht es mit den Zonen für Wind- und Kitesurfer, für Kitebuggy-Fahrer oder Beachvolleyballer am sportlichsten zu. Ganz schön viel los in St. Peter-Bad mit den vielen Geschäften und Cafés. Kleiner Stopp bei Gosch (Seelachsfilet auf Asiagemüse für 11,60 Euro). Gestärkt geht es weiter in den Ortsteil Dorf und nach Böhl am Leuchtturm St. Peter-Böhl vorbei. Das 18,40 Meter hohe Bauwerk wurde 1892 als Peilbake errichtet und 1914 zum Leuchtfeuer umgebaut. Böhl im Süden gilt als der ruhigste Ortsteil mit vielen Ferienwohnungen. Zum Glück kaum Gegenwind. Auf dem Rückweg fahre ich die Pestalozzistraße entlang am Nordseeinternat vorbei, das ist nicht so schön, aber besser, als denselben Weg zurückzufahren. In Dorf schiebe ich mein Rad und schaue mir den ältesten Ortsteil an.

17.30 Uhr: Untergangsstimmung

Das Ende des perfekten Tages naht. Ich gebe das Rad ab und möchte nicht nach Hamburg. Also genieße ich die Abendstunden am Strand, bis die Sonne untergeht. Mehr Meer geht nicht!