Hamburg. Handelskammern und Firmenerwarten schon von einer Bewerbung mehr Gäste und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur.
Nicht nur die Hamburger Wirtschaft setzt große Hoffnungen in die Ausrichtung Olympischer Spiele im Jahr 2024 oder 2028. Auch in den anderen Bundesländern an der Küste sieht man schon die Bewerbung um ein solches Sport-Weltereignis als einmalige Chance, die es zu nutzen gilt. Denn es könne ein „umfassendes Entwicklungsprogramm für unseren gesamten Raum“ damit verbunden sein, sagt Christoph Weiss, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft norddeutscher Industrie- und Handelskammern (IHK Nord) und Präses der Handelskammer Bremen.
Profitieren könnte unter anderem der Tourismus: „Nur 13 Prozent aller ausländischen Übernachtungen in der Bundesrepublik entfallen auf die fünf norddeutschen Bundesländer“, sagt Malte Heyne, Geschäftsführer der IHK Nord. Ihre Mitglieder sind 13 Handelskammern mit einem Zuständigkeitsbereich von der niederländischen bis an die polnische Grenze und bis Wolfsburg im Süden.
„Im Zuge der Olympia-Bewerbung haben wir die Möglichkeit, die internationale Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen und dem bajuwarisch geprägten Deutschlandbild im Ausland – ansonsten denkt man dort vielleicht gerade noch an die Reste der Berliner Mauer – das maritime Element entgegenzusetzen“, sagt Heyne. So böte es sich aus seiner Sicht an, Reisepakete mit Strandurlaub auf den Inseln, verbunden mit Einblicken in die Hanse-Tradition zum Beispiel in Lüneburg, zu schnüren. Zudem würden Besucher der Sportveranstaltungen in Hamburg wohl ohnehin auch Hotels in anderen Städten wie etwa Bremen nutzen: „Wie die Erfahrungen mit den Olympischen Spielen in London gezeigt haben, ist eine Anreisezeit von mehr als einer Stunde nicht zu viel.“ Hamburg verfüge über rund 30.000 Hotelzimmer, dazu kämen im Umkreis von 50 Kilometern noch einmal 20.000, erklärt Julia Luchting, Geschäftsführerin der Hotel Krupunder Park GmbH in Rellingen.
Auch Hamburg ist international nicht so bekannt
Die Hoteliers in der Metropolregion könnten den internationalen Besuchern zeigen, „dass Deutschland viel mehr zu bieten hat als Blasmusik und Alpen.“ Doch auch Hamburg selbst sei bisher international nicht so bekannt, sagt Heyne: „London brauchte kein Standortmarketing. Das ist für ,Second Cities‘ wie Hamburg anders, sie können stark von solchen Großereignissen profitieren.“ Das habe sich auch schon in Barcelona, dem Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 1992, deutlich gezeigt.
Dabei komme der im Ausland erhöhte Bekanntheitsgrad nicht nur dem Tourismus zugute, die Küstenländer rückten auch stärker ins Blickfeld internationaler Investoren – „und ihnen haben wir gute Geschichten zu erzählen“, so der IHK-Nord-Manager. Etwa, dass sich der Erfolg der Energiewende im Norden entscheide. Zudem biete die Region gute Voraussetzungen für Industrieansiedlungen: „Seeschifftiefes Wasser ist ebenso vorhanden wie Energiequellen“, vor allem in Form von Windparks. „Olympische Spiele wären eine ideale Plattform, das im Ausland zu vermitteln.“
Eine Bewerbung um dieses Sportereignis werde die Region darüber hinaus auch in den Fokus zuwandernder Fachkräfte rücken, erwartet Mathias Pein, Geschäftsführer der Otto Piening Schiffspropeller und Wellenanlagen GmbH in Glückstadt: „Davon können alle norddeutschen Unternehmen profitieren.“
Zwar bekennen sich die Regierungen in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern immer wieder einmal zu einer verstärkten Zusammenarbeit, in konkreten Fragen gibt es aber durchaus Interessenkonflikte. „Die Ausrichtung von Olympischen Spielen könnte ein übergeordnetes Ziel mit einem enormen Integrationseffekt sein“, sagt Heyne.
Bei der IHK Nord sieht man ein solches Ereignis nicht zuletzt als Katalysator für längst überfällige Infrastrukturprojekte. „Die Beispiele München 1972 und Barcelona 1992 zeigen: Olympische Spiele sind auch ein Motor für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur – ein Thema, das in unserer Region ganz oben auf der Agenda steht“, sagt Weiss.
Ein Projekt, von dem der Norden weit über die Spiele hinaus profitieren könnte, wäre nach Auffassung von Heyne etwa die Y-Trasse: Würde eine neue Bahnstrecke zwischen Hamburg, Bremen und Hannover gebaut, stünde die bisherige Verbindung künftig allein dem Güterverkehr zur Verfügung: „Eine solche Investition hätte langfristigen Nutzen, würde zunächst aber auch den Olympia-Gästen dienen.“
Bewerbung könnte Baupläne für neue Bahntrasse beschleunigen
Denn zumindest für die Spiele des Olympischen Fußballturniers müsse man wohl ohnehin auch auf die Stadien in Bremen und Hannover zurückgreifen. Anders werde es nicht möglich sein, in einem Zeitraum von zwei Wochen die Turniere der Männer und der Frauen parallel auszurichten. „Bundesligataugliche Stadien gibt es auch in Wolfsburg, Braunschweig und Rostock“, sagt Heyne. Und im Handball könne es sinnvoll sein, die norddeutschen Hochburgen Kiel und Flensburg einzubinden. Die Segelwettbewerbe finden ohnehin außerhalb Hamburgs statt – hier hat sich Kiel gegen die anderen Kandidaten Rostock/Warnemünde, Lübeck/Travemünde und Cuxhaven durchgesetzt. Doch auch im Hinblick auf einige „kleinere“ Sportarten fühlen sich Orte in der Region prädestiniert, so wie Garlstorf für die Schießwettbewerbe oder Luhmühlen für das Military-Reiten.
Aber natürlich befände sich ein Großteil der Sportstätten in Hamburg, und Heyne sieht das Konzept der „Spiele der kurzen Wege“ als echten Vorzug des Hamburger Vorschlags. Gleiches gelte für die „seriöse und kluge Planung von Nachnutzungskonzepten.“ So soll der für die Turnwettbewerbe vorgesehene Olympia-Dome später zum Kreuzfahrtterminal umgebaut werden. Doch es ist vor allem dieser Aspekt der Olympia-Pläne, der den Beifall der IHK Nord findet: „Wir haben keinen Zweifel daran, dass der Hamburger Senat dies als norddeutsches Projekt begreift.“