Kiel. Zwei Kühe sollen am Jakobskreuzkraut bereits gestorben sein. Die Landesregierung in Kiel ordnete nun das Umpflügen von Wiesen an.
Bei Schleswig-Holsteins Landwirten macht sich Unruhe breit: Zwei Rinder in Süsel bei Neustadt sind gestorben – und zwar am Jakobskreuzkraut (JKK), so der Verdacht des Landwirts Bernd Deckert. Fressen Weidetiere die Giftpflanze, drohen schwere Leberschäden. Jetzt startet die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein eine Studie an Rindern: Ab Montag untersuchen Veterinärpathologen zwei Gruppen von Tieren auf Schädigungen durch die im Jakobskreuzkraut enthaltenen „Pyrrolizidinalkaloide“.
„Wir sind bisher davon ausgegangen, dass Rinder und Pferde einen Bogen um das bitter schmeckende Jakobskreuzkraut machen“, sagt Aiko Huckauf von der Stiftung Naturschutz. „Sollten die Untersuchungen jetzt andere Erkenntnisse liefern, werden wir sofort handeln.“ Huckauf ist Chemiker und Umweltmanager – und seit knapp zwei Monaten Leiter des neuen JKK-Kompetenzzentrums der Stiftung Naturschutz. Denn das Jakobskreuzkraut – eine alte, heimische Pflanze – breitet sich seit einigen Jahren rasant aus. Die Gründe dafür sind noch unklar.
Giftkraut breitet sich auf Naturschutzflächen aus
Vor allem Weiden, die nicht gedüngt werden, sind betroffen. So wie die Flächen der Stiftung Naturschutz: Rund 19.000 der 33.000 Hektar im Besitz der Stiftung werden mit naturschutzfachlichen Auflagen gepflegt. Die Flächen sind in der Regel an Landwirte verpachtet, werden von Kühen beweidet und dürfen nur zu bestimmten Zeiten gemäht werden. Auf gut sechs Prozent der Naturschutzflächen, es sind etwa 1200 Hektar, hat sich das Giftkraut schon massiv ausgebreitet.
Nicht nur Rinder werden künftig untersucht, auch die Pflanze soll genauer erforscht werden. Vor drei Tagen hat das Team um Huckauf acht Versuchsflächen zwischen Flensburg und Lauenburg eingerichtet. In kleinen Abschnitten werden die Flächen nun unterschiedlich behandelt. „Wir wollen verstehen, wieso die Jakobskreuzkrautbestände an einigen Stellen geradezu explodieren, an anderen einfach von allein zurückgehen und welche mechanischen Methoden wo am wirkungsvollsten sind“, sagt der Landschaftsökologe Tim Diekötter von der Kieler Christian-Albrechts-Universität. Diekötter und zwei seiner Kollegen unterstützen die Stiftung Naturschutz bei dem Projekt.
Umweltminister Robert Habeck sieht Schleswig-Holstein damit als bundesweiten Vorreiter im Kampf gegen das Kraut: „Wir sind das Land, das die härtesten und strengsten Bekämpfungsmaßnahmen angeordnet hat. Darunter jetzt auch den Umbruch von Naturschutzflächen – damit mache ich mir beim Naturschutz keine Freunde.“ Teils 40 Jahre seien diese Flächen stillgelegt gewesen. Sie standen unter dem Schutz der Stiftung. Nun hat das Ministerium den Druck auf die landeseigene Stiftung erhöht und angeordnet, einige der Wiesen zu pflügen und mit Wildkräutern und Gräsern neu anzusäen.
Fritz Heydemann vom Naturschutzbund (NABU) sowie der schleswig-holsteinische Landesnaturschutzbeauftragte Holger Gerth sehen den Umbruch mit Skepsis „Dadurch würde die gesamte Flora und Fauna auf einen Schlag vernichtet werden“, sagt Heydemann. Zudem habe das Jakobskreuzkraut auch eine ökologische Bedeutung: als Wirtspflanze einiger Schmetterlinge, die das Jakobskreuzkraut im Raupenstadium fressen. Im Gegensatz zu ihren Fressfeinden sind die Raupen immun gegen das Gift. Sie speichern es im Körper und sind dadurch für ihre Feinde unbekömmlich.
Doch nicht nur für Tiere kann Jakobskreuzkraut zum Problem werden, die Alkaloide gelangen teils auch in Lebensmittel wie Honig: Bienen finden im Sommer kaum mehr Blüten – außer jene des leuchtend gelben Jakobskreuzkrauts. 2014 wurden bei einer Untersuchung mit Alkaloiden belastete Proben gefunden. Über die Nahrung aufgenommen, reichert sich das Gift im Körper an. Auch in der Milch von Rindern, die das Kraut gefressen haben, könnten Alkaloide enthalten sein. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) liegen aber derzeit keine Hinweise für ein gesundheitliches Risiko von Verbrauchern vor.