Hamburg. Kalte Nächte drücken den Ertrag und der Mindestlohn verteuert die Ware. Geringere Menge hilft Bauern, höhere Preise durchzusetzen.
Kalte Nächte und auch tagsüber kaum mal ein Tag, an dem das Thermometer über 20 Grad Celsius kletterte: Das Frühjahr ist dem Spargel nicht gut bekommen. Die Erntemenge wird deutlich unter der des Vorjahres bleiben, ergab eine Umfrage des Abendblatts. Am Johannistag, dem 24. Juni, wird auf den meisten Höfen zum letzten Mal in diesem Jahr Spargel gestochen. Die geringere Menge hat den Bauern aber geholfen, höhere Preise durchzusetzen. Durch den neuen Mindestlohn entstanden für die Bauern aber auch höhere Kosten.
„Wir gehen nach den bisherigen Erkenntnissen davon aus, dass in diesem Jahr etwa 20 Prozent weniger Spargel in Niedersachsen gestochen werden“, sagt Dietrich Paul, Vorsitzender der Vereinigung der Spargelbauern dem Abendblatt. „Es war einfach zu kalt für das Gemüse.“ Damit der Spargel gut wächst, muss die Bodentemperatur auch nachts mindestens zwölf Grad betragen. Das war in vielen Nächten nicht der Fall, so wurde das Wachstum beeinträchtigt.
Die Ernte in Niedersachsen hat Gewicht. Es ist das größte Spargelanbaugebiet in Deutschland. Auf einer Fläche von 4400 Hektar wird das Edelgemüse angebaut. Fast jede fünfte Stange, die in Deutschland gegessen wird, kommt aus Niedersachsen. Im vergangenen Jahr haben die Bauern in dem Bundesland die Rekordmenge von 24.500 Tonnen geerntet. „Diese Menge wird in diesem Jahr sicherlich nicht erreicht, zumal 2014 die Ernte witterungsbedingt früher begann und mit rund 100 Tagen die längste Erntesaison seit Jahrzehnten war“, sagt Paul. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 114.500 Tonnen Spargel von den Feldern geholt. Das war ein Plus von elf Prozent.
Auch aus anderen Bundesländern in Norddeutschland kommen in diesem Jahr ähnliche Einschätzungen. So prognostiziert die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein ebenfalls einen um 20 Prozent geringeren Ertrag als im Vorjahr. Die anderen nördlichen Bundesländer haben nicht so eine große Bedeutung beim Spargelanbau: In Schleswig-Holstein werden derzeit auf 415 Hektar Spargel angebaut, in Mecklenburg Vorpommern sind es 240 Hektar. Für Hamburg weist das Statistische Bundesamt keinen Spargelanbau aus.
Heiner Bartels baut in Wennerstorf im Landkreis Harburg auf einer Fläche von 16 Hektar Spargel an. „Wir hatten sehr kalte Nächte, das ist dem Spargel nicht bekommen“, sagt Bartels, der eine 15 bis 20 Prozent geringere Erntemenge erwartet. Bernd Oelkers aus Wenzendorf in Niedersachsen blickt dagegen auf eine gute Saison zurück. „Ich hoffe, die 130 Tonnen aus dem Vorjahr wieder zu erreichen“, sagt Oelkers. Allerdings will er auch bis zum 5. Juli das Edelgemüse ernten. „Durch die Folientechnik haben wir auf einigen Flächen den Erntebeginn stark verzögert“, sagt Oelkers. Das ermögliche die Ernte über den 24. Juni hinaus. Wird die weiße Folienseite, unter der der Spargel wächst, nach oben gedreht, lässt sich die Wärmestrahlung abwehren und das Wachstum verzögern. Normalerweise muss der Spargel nach dem 24. Juni in die Höhe wachsen, um den Ertrag im nächsten Jahr nicht zu beeinträchtigen.
Über den geringeren Ertrag sind die Bauern nicht traurig, denn Rekordernten gehen meist zulasten der Gewinne. Dabei kam es den Bauern in diesem Jahr darauf an, höhere Preise wegen des Mindestlohns durchzusetzen. „Im Direktvertrieb, beim Verkauf in Hofläden und mobilen Verkaufsständen, ist das auch gelungen“, sagt Paul. „Die Kunden haben dafür Verständnis gezeigt, wenn man ihnen die Lage erklärt hat.“ Das Kilo Spargel wurde um 30 bis 60 Cent teurer angeboten. „Nicht durchsetzen konnten wir uns mit höheren Preisen im Lebensmitteleinzelhandel“, sagt Paul. „Wir stehen hier in Konkurrenz zu preiswerteren Angeboten aus Europa.“
Mit modernen Maschinen gegen die Kostensteigerung
Die Erntehelfer haben einen Anspruch auf einen Mindestlohn in Höhe von 7,40 Euro pro Stunde. Nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz liegt die Vergütung noch unter dem eigentlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, der für die Erntehelfer erst 2017 mit 8,60 Euro pro Stunde erreicht wird. Doch die Bauern denken schon an das Jahr 2018, wenn 9,10 Euro fällig werden.
Bartels hat seine 21 polnischen Erntehelfer mit modernen Maschinen ausgestattet, die die Folie automatisch anheben und wieder absenken. „Wir versuchen, die gestiegenen Kosten mit mehr Technik, höherer Produktivität und leicht angehobenen Preisen auszugleichen“, sagt der Landwirt. Mit den erzielten Preisen ist er zufrieden. Auch Oelkers verkauft seinen Spargel vorwiegend im Direktvertrieb an acht Standorten in und um Hamburg. „Die höheren Preise konnten zumindest teilweise den Mehraufwand ausgleichen“, sagt Oelkers.
Die Kosten steigen für die Bauern auch wegen des erhöhten Dokumentationsaufwands im Zusammenhang mit dem Mindestlohn. „Die Regelungen entsprechen nicht der Praxis in der Landwirtschaft und müssen angepasst werden“, fordert Paul. Denn die Erntehelfer wollen möglichst viel arbeiten und keine Zwangspausen einlegen. Jetzt müssen sie an einem Tag pausieren, wenn sie sonntags arbeiten.