Cuxhaven. Explosionsgefahr auf Frachter „Purple Beach“gebannt. Ursache des Rauchs noch ungeklärt. Auch Hamburger Feuerwehrleute im Einsatz.
Es sind beunruhigende Bilder, die auch am Mittwochmorgen noch vom Düngemittelfrachter „Purple Beach“ zu sehen sind. Über dem Schiff steht eine riesige Rauchwolke, und sie treibt in Richtung Festland. Das Unglück lockt Schaulustige: Am Strand der ostfriesischen Insel Norderney versammeln sich Hunderte Menschen, um das Spektakel zu verfolgen.
Eine Touristenattraktion ist die am Montag in Not geratene „Purple Beach“ natürlich nicht. Für das Havariekommando Cuxhaven ist sie in erster Linie ein sehr schwieriger Fall. Noch am Mittwochmorgen herrscht bei den Fachleuten Alarmstufe 1: Messungen haben ergeben, dass sich in der Atmosphäre rund um das Schiff explosive Stoffe in hoher Konzentration gesammelt haben, der Frachter könnte jede Sekunde in die Luft fliegen. Vorsorglich halten die vier Spezialschiffe, die zur Unglücksstelle 30 Kilometer westlich von Helgoland beordert worden sind, deshalb fünf Kilometer Abstand zum Havaristen. Erst gegen Mittag entspannt sich die Situation.
Noch völlig unklar ist die Ursache der Katastrophe an Bord des Düngemittelfrachters der Hamburger Reederei MACS. Persönlich wollte sich dort am Mittwoch auf Abendblatt-Anfrage niemand äußern. Seeleute der unter der Flagge der Marshallinseln fahrenden „Purple Beach“ hatten am Montagabend bemerkt, dass Rauch aus einem Laderaum mit 6000 Tonnen Düngemittel geströmt war. „Die Besatzung setzte daraufhin die bordeigene Kohlendioxid-Löschanlage ein und riegelte den betroffenen Laderaum ab“, teilte MACS schriftlich mit.
Havarierter Hamburger Frachter
Die Crew ging zunächst von einem Feuer aus. „Weil es trotzdem zu einer starken Hitze- und Rauchentwicklung kam, kann die Ursache auch eine heftige chemische Reaktion gewesen sein“, sagte Michael Friedrich, Sprecher des Havariekommandos, dem Abendblatt. Die 36 Seeleute der „Purple Beach“ waren zu Untersuchungen in Krankenhäuser geflogen worden. Niemand wurde schwer verletzt. Der 192 Meter lange Mehrzweckfrachter, der 1300 Tonnen Treibstoff an Bord hatte, liegt nun auf der sogenannten Bremer Tiefwasserreede vor Anker. Welche Auswirkungen die Havarie auf die Umwelt hat, ist nicht absehbar.
An vorderster Front stehen auch Feuerwehrleute aus Hamburg. Die Einsatzkräfte der Analytischen Task Force (ATF) waren am Dienstag zur Unterstützung mit dem Helikopter nach Bremerhaven geflogen worden, von dort ging es weiter zum Gewässerschutzschiff „Neuwerk“, das als eines von vier Schiffen (85 Helfer) den Havaristen begleitet. Sieben ATF-Spezialisten führen nun an der Unglücksstelle fortlaufend Messungen durch. Das Havariekommando orderte am Mittwochmorgen noch weitere Kräfte aus Hamburg: zehn Männer der „Spezialeinsatzgruppe Schiffsbrandbekämpfung“ (SEGS). Ihr Job ist der wohl brisanteste: Wenn es die Temperatur gestattet, sollen sie die Situation auf dem Schiff unter Kontrolle bringen. Von einem Einsatz an Bord hatte das Havariekommando zunächst abgesehen, um nicht zu riskieren, dass Sauerstoff in den Laderaum gelangt, das Feuer entfacht oder eine Explosion auslöst.
Gegen Mittag hieß es dann, die Explosionsgefahr sei gebannt. Zuvor hatten Chemiker auf Grundlage des transportierten Düngemittels – es handelte sich um Nitrophoska – und aktueller Messungen berechnet, dass das Gasgemisch nicht explodieren könne. Daraufhin näherten sich die „Neuwerk“ und die „Nordic“ im sogenannten „Gasschutzbetrieb“ bis auf 100 Meter dem Havaristen und deckten ihn mit dichtem Sprühnebel ein. Weil beide Schiffe an Bord eine Überdruckatmosphäre herstellen können, blieb die Besatzung vor Giftstoffen geschützt.
Erste Erfolge zeigten sich schnell. Am Mittag, so Friedrich, sei es gelungen, die extrem heiße Bordwand des Schiffes herunterzukühlen und den Umfang der Rauchwolke zu reduzieren. Am frühen Abend konnten dann vier Mitglieder einer Brandbekämpfungseinheit auf die „Purple Beach“ überzusteigen. Sie befestigten Schläuche nahe des Laderaumes. Diese wurden mit der „Neuwerk“ verbunden. Nachdem die Einsatzkräfte den Havaristen wieder verlassen hatten, pumpte die „Neuwerk“ Seewasser in das Schiff.
Beim Havariekommando in Cuxhaven stand auch am Mittwoch das Telefon nicht still. Etliche Anrufer meldeten einen „komischen Geruch in der Luft“. Für die Bewohner entlang der Nordseeküste bestand nach Angaben der Behörden zwar keine Gefahr. Bei Messungen seien keine Gefahrenstoffe nachgewiesen worden. Lästig war die Geruchswolke aber allemal. Aus diesem Grund wurde die Warnmeldung für große Teile West-Niedersachsens und der Nordseeküste zunächst aufrecht erhalten. Nicht entschieden ist, was mit der „Purple Beach“ weiter passiert. Als der Frachter „Flaminia“ 2012 havarierte, konnte er nach wochenlanger Odyssee auf der Nordsee im Jade-Weser-Port entladen werden. Die „Purple Beach“ hat aber vor allem Granulat und keine Container an Bord. Man müsse nun einen „Hafen mit passender Infrastruktur“ finden, so Friedrich.