Salzgitter. Das Endlager Schacht Konrad soll möglichst bald fertig sein. Protest formiert sich - dabei kann es noch schlimmer kommen.

Zumindest gibt es jetzt Klarheit: Die Bundesregierung aus Unionsparteien und SPD will das im Bau befindliche Atomendlager Schacht Konrad in Salzgitter „so schnell wie möglich in Betrieb nehmen“. Und sie schließt nicht aus, dass die Lagerkapazität nachträglich verdoppelt wird auf dann mehr als 600.000 Tonnen.

Was die Anwohner auf die Barrikaden treibt, ist aus der Sicht der Politik unumgänglich. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, hat auf einer Protestveranstaltung in Salzgitter das Endlager als ein Projekt von zentraler Bedeutung für das nationale Entsorgungskonzept bezeichnet: „Wir halten am Konzept für eine wartungsfreie, sichere und unbefristete Endlagerung des schwach- und mittelaktiven Atommülls fest.“

Die Fertigstellung des Endlagers soll im Jahr 2022 erfolgen. Dann werden die Transporte auf Straße und Schiene rollen. 2002 hatte das niedersächsische Umweltministerium unter dem Druck der Bundesregierung den Planfeststellungsbeschluss abgesegnet, seither werden neue Stollen in das Erz getrieben. Mehr als 100.000 Tonnen Atommüll in meist von den Ländern betriebenen Zwischenlagern warten bereits, 200.000 weitere Tonnen waren im Jahr 2002 überschlägig für die kommenden 40 Jahre hinzugerechnet worden. Den größten Anteil machen dabei Reste aus alten Kernkraftwerken aus, die beim Abriss problematisch bleiben.

Was damals der Öffentlichkeit verschwiegen wurde: Im atomaren Versuchsendlager Asse, nur wenige Kilometer entfernt, strömen seit 1998 täglich bis zu zwölf Kubikmeter Wasser ein, ein Absaufen des ehemaligen Salzbergwerks kann nicht ausgeschlossen werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat deswegen 2010 die Feststellung getroffen, dass die laut Atomgesetz notwendige Langzeitsicherheit der eingelagerten Fässer nicht gewährleistet werden kann.

Kommunen, Landvolk und Bürger machen mobil gegen das Endlager

Die Folge: Die Vorbereitungen zur Rückholung laufen, grob geschätzt ist mit 200.000 Tonnen Strahlenmüll zu rechnen. Hinzu kommen laut Bundesumweltministerium noch einmal rund 100.000 Kubikmeter Abfälle aus der Urananreicherungsanlage Jülich. Staatssekretär Flasbarth lobt den Bund dafür, dass es jetzt erstmals eine „ehrliche Bestandsaufnahme“ für die zu lagernden Mengen gibt. Die Region aber – Kommunen, Gewerkschaften, Unternehmen, Landvolk und Bürgerinitiativen – machen mobil gegen die Fertigstellung des Endlagers nach wissenschaftlichen Kriterien, die bestenfalls vor 13 Jahren dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprochen haben. Vor allem aber laufen sie Sturm gegen die Möglichkeit, dass das Endlager erst in Betrieb genommen und dann die Betriebsgenehmigung auf die doppelte Menge erweitert wird. Dann nämlich ist dies allein eine Entscheidung der Bundesebene mit deutlich geringeren Einflussmöglichkeiten für die Kritiker. Derzeit ist noch das Land Niedersachsen dafür zuständig.

Die Bundesregierung ihrerseits steht unter Zeitdruck: die Europäische Union will spätestens im Sommer ein aktualisiertes Konzept für die deutschen Endlagerpläne sehen. Eine neue Suche nach Ersatz für Schacht Konrad will der Bund vermeiden. Aber genau das schweißt den Widerstand in Salzgitter zusammen. „Teilnahme mit Treckern ausdrücklich erwünscht“ titelte der Pressedienst des Landvolks kürzlich, als es darum ging, dem Staatssekretär Flasbarth klarzumachen, dass auch die Bauern Seit an Seit mit früher eher skeptisch beäugten Umweltschützern Front machen gegen das Endlager Konrad. Verhärtet sich die Situation weiter, stellt sich die Frage, ob die Region Salzgitter gegen die Transporte ab 2022 ähnlich geschlossen Front macht wie das Wendland. Es geht um 300.000 bis zu 600.000 Tonnen, was auch bedeutet, dass fast täglich Transporte rollen müssten. Vielleicht deshalb hat sich das Bundesumweltministerium eine Hintertür offengehalten. Vorstellbar ist laut Flasbarth auch, die zusätzlichen 300.000 Tonnen in einem neuen Endlager unterzubringen für den hoch radioaktiven Müll.

Bundesamt rechnet mit geringer Gefahr für den Fall eines Unfalls

Das Bundesamt für Strahlenschutz hatte immer wieder versucht, die Diskussionen zu versachlichen. Dazu gehört auch die Feststellung, die für Schacht Konrad genehmigte Menge radioaktiver Abfälle entspreche bei der Strahlung der Aktivität eines einzigen Castor-Behälters mit hoch radioaktivem Müll. Für den Fall eines Transportunfalls rechne das BfS mit einer zusätzlichen Strahlenbelastung für unmittelbare Anwohner in einer Entfernung von 50 Metern von 0,02 Millisievert. Das entspricht etwa einem Siebtel der Strahlung bei einem Flug von Frankfurt nach New York. Die Erfahrung lehrt aber auch, dass die Bevölkerung mit solchen Berechnungen wenig anfangen kann.