Der Verdacht: Falsche Angaben bei Fahrtkosten. Ministerium in Kiel bestätigt interne Untersuchungen in zwölf Ämtern. Laut Staatsanwaltschaft sind Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren möglich.

Kiel. Mal eben in der Steuererklärung den Arbeitsweg verlängern. Oder gleich ein paar Fahrten mehr angeben, damit der Fiskus möglichst wenig vom Einkommen abzieht – so dachten offenbar mehrere Mitarbeiter an verschiedenen schleswig-holsteinischen Finanzämtern. Interne Ermittlungen haben jetzt ergeben, dass 23 Beschäftigte aus zwölf Ämtern in ihren Steuererklärungen auffällig hohe Summen bei Fahrtkosten abgesetzt haben. Das bestätigte Ministeriumssprecher Eugen Witte dem Hamburger Abendblatt auf Anfrage. Intern wird bereits ermittelt. Erhärtet sich der Verdacht auf Steuerhinterziehung, schaltet das Ministerium die Staatsanwaltschaft in Kiel ein.

Möglicher Schwindel flog bei turnusmäßigen Kontrollen auf

Wie ist das Ganze aufgeflogen? Die Innenrevision des Finanzministeriums in Kiel hat systematisch die Steuererklärungen von Steuerzahlern des Landes überprüft. Zusammen gibt es in Schleswig-Holstein 670.000 Steuerpflichtige. Kontrolliert wurden dabei diverse Angaben, darunter auch Werbungskosten wie Fahrten zur Arbeit. Ministeriumssprecher Witte sagt: „Die Innenrevision überprüft regelmäßig die Arbeit der Finanzämter und kontrolliert, ob unsere Mitarbeiter alles richtig gemacht haben, Verfahren gegebenenfalls optimiert werden können.“ Es gehe nicht darum, dass grundsätzlich die Steuerehrlichkeit der Bürger in Frage gestellt werde, betont Witte. Im ersten Schritt sei geprüft worden, wer „etwas großzügiger“ in der Abrechnung der Fahrten zwischen Arbeitsplatz und Wohnort war – und damit von der intern festgelegten Norm abweicht. Nach Abendblatt-Informationen soll es dabei sehr viele Treffer gegeben haben. Diese wurden anschließend mit den Angaben von 4500 Mitarbeitern der schleswig-holsteinischen Finanzverwaltung abgeglichen. Darunter sind etwa 4000 Personen, die in den 17 Finanzämtern des Landes beschäftigt sind.

Dass diese Auffälligkeiten jetzt entdeckt wurden, bestätigt nach Ansicht von Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) die Innenrevision als funktionierende Kontrollinstanz: „Das zeigt, dass wir eine gute Innenrevision haben, die mit ihren regelmäßigen Prüfungen einen bedeutenden Beitrag zur Verfahrenssicherheit und der ordnungsgemäßen Erledigung der Aufgaben der Steuerverwaltung leistet.“ Erst zum Jahresbeginn sei die Innenrevision weiter verstärkt worden: „Im Finanzministerium wurde eine Stabsstelle Innenrevision in unmittelbarer Verantwortung des Staatssekretärs eingerichtet“, so die Ministerin gegenüber dem Abendblatt.

Über die Höhe der Schadens für das Land gibt es noch keine Angaben

„Derzeit wird der weitere Sachverhalt ermittelt. Und ob es Gründe für die Abweichungen von der Norm gibt“, sagt Behördensprecher Witte. Im Moment spreche man von „Auffälligkeiten“. Sollte die Buß- und Strafsachenstelle einen Anfangsverdacht sehen, würden die Fälle an die Staatsanwaltschaft weitergegeben. Nach Abendblatt-Informationen ist dies wahrscheinlich.

Wie hoch die mögliche Schadenssumme ist, darüber machte das Finanzministerium am Freitag keine Angaben. Die Prüfung durch die Innenrevision bezieht sich auf einen Zeitraum von mehreren Jahren. Steuerrechtlich gesehen verjähren Falschangaben in Steuererklärungen nach zehn Jahren, wenn sie vorsätzlich gemacht wurden. Sollte die Anklagebehörde ermitteln, sind strafrechtlich gesehen die letzten fünf Jahre relevant. „Je nach Schadenssumme droht Steuerhinterziehern ein Bußgeld zwischen fünf und 360 Tagessätzen. Auch Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren sind möglich“, sagt der Sprecher der Kieler Staatsanwaltschaft, Michael Bimler. Bisher sei die Staatsanwaltschaft noch nicht offiziell über den Fall informiert.

Sollte sich der Verdacht erhärten, dürfe ein solches Verhalten nicht geduldet werden, sagt der stellvertretende FDP-Bundesparteivorsitzende Wolfgang Kubicki. „Es kann nicht sein, dass diejenigen, die für die Veranlagung von Steuern zuständig sind und dafür Sorge tragen sollen, dass Steuerhinterzieher verfolgt werden, in ihrer eigenen Steuererklärung möglicherweise mehr Werbungskosten geltend machen, als in Wirklichkeit entstanden sind.“ Menschen, die für die Erhebung und korrekte Festsetzung von Steuern zuständig sind, sollten Vorbild sein, sich an die Gesetze halten. Den Grund, warum Mitarbeiter des Finanzamts möglicherweise Steuern hinterziehen, sieht der CDU-Finanzexperte Tobias Koch in der „generellen Unzufriedenheit unter den Landesbediensteten“. Die Mitarbeiter erführen zu wenig Wertschätzung, sagt Koch, der auch Mitglied des Landtags ist. „Dadurch meinen sie vielleicht, sich das Recht verschaffen zu müssen, sich einen Zusatzverdienst zu gewähren.“ Es sei Aufgabe der Politik, daran zu arbeiten. Tobias Koch: „Es ist kein Pappenstiel, über den wir hier reden.“